Nach der Debatte im Rat Hülser Bad: Der Placebo-Beschluss

Hüls · Analyse Der Beschluss zum Bad-Thema in Hüls suggeriert Optionen, die es gar nicht gibt. Dennoch war die Debatte überraschend scharf. Zudem stellt sich die Frage: Welchen Sinn haben Gutachten?

 Grund für die Trübung des Wassers im Hülser Naturbad: Nur ein Teil des Beckens ist gefliest, so dass Grundwasser aufsteigt.

Grund für die Trübung des Wassers im Hülser Naturbad: Nur ein Teil des Beckens ist gefliest, so dass Grundwasser aufsteigt.

Foto: Lez

Selten hat man im  Rat eine Debatte erlebt, bei der Antragslage und Realität so wenig miteinander zu tun hatten wie beim Beschluss zum Hülser Bad. Wer  nur die Anträge gelesen hat, durfte denken: Die Sache ist in zwei Minuten beschlossen. Wer die Debatte erlebt hat, wusste: Es gibt den Antragstext und die Wahrheit zwischen den Zeilen. Außerdem stellte sich die Frage, wie ernst Kommunalpolitiker die Gutachten nehmen, die sie für teures Geld einkaufen. Zugleich konnte man einen Oberbürgermeister Frank Meyer erleben, der eine aus dem Ruder laufende Debatte geschickt einfing.

Der Antrag Ursprünglich sollte es im Rat um den Beschluss der Hülser Bezirksvertretung gehen, die sich für den Neubau eines Freibades am Standort des Naturbades ausgesprochen hat. Das Naturbad ist bekanntlich aus rechtlichen Gründen geschlossen. Eintrübungen des Wassers gelten juristisch als Sicherheitsrisiko, weil man Notfälle im Wasser nicht sicher erkennt. CDU und Grüne, später auch die SPD, wollten den Beschlussvorschlag (im Kern: Planung eines neuen Freibades) ergänzt wissen um die parallele Planung für eine Ertüchtigung des Naturbades um eine Filteranlage und die Prüfung, ob das Naturbad nicht doch geöffnet werden könnte. Dissens laut Antragslage? Nicht erkennbar.

Die Debatte Schärfe kam mit dem Grünen-Ratsherr Thorsten Hansen in die Sache. Er führte die 80-jährige Tradition des Naturbades ins Feld, unterstellte dem zuständigen Dezernenten Markus Schön mangelnde Empathie für Hüls und forderte neue Gutachten. Selbst OB Meyer geriet an einer Stelle aus der Fassung, als Hansen auf die Münchener Heimat Schöns anspielte und behauptete, das Naturbad abzuschaffen sei wie der Abriss eines Münchener Wahrzeichens. Meyer konterte leise: Hansen solle sich überlegen, ob er das auch sagen würde, wenn der Dezernent aus Istanbul stammen würde. Will sagen:  Hansen Anspielung auf die Herkunft Schöns war kein Argument zur Sache, sondern zur Person und folgte dem Muster von Fremdenfeindlichkeit.

Der Eklat war da: Auch die Hülser Bezirkspolitiker Hans Butzen und Martin Reyer griffen elektrisiert ein. „Wenn ihr das jetzt wieder aufreißt, dauert es ewig, bis die Hülser wieder ein eigenes Bad haben können“, bedeutete Butzen an die Adresse Hansens. Reyer betonte, es sei illusorisch, dort eine biologische Filteranlage einzubauen; dazu reiche schlicht die Fläche nicht. Hansens Blick zurück auf 80 Jahre Badepraxis konterte Reyer mit dem Hinweis, dass dort 40 Jahre lange Chemie aus blauen Tonnen ins Wasser gekippt worden sei, um den Badebetrieb am Laufen zu halten.

Meyers Eingriff  Meyer griff, als die Debatte uferlos zu werden drohte, plausibel und ausgleichend ein und erinnerte an die Antragslage: Es gebe keinen Dissens; alle wollten die Prüfung der Varianten Frei- und Naturbad sowie die Prüfung vorübergehender Öffnungsmöglichkeiten. Meyer stellte aber auch massiv den Sinn einer neuen Gutachterrunde in Frage – schließlich ist das Hülser Bad von einem Fachmann der Deutschen Gesellschaft für Badewesen geprüft worden. Im Raum stand die rhetorische Frage: Wer, wenn nicht die, weiß die Lage kompetent einzuschätzen? Eben, niemand sonst. Es ist kein anderes Ergebnis zu erwarten. Und das Votum des Gutachters war eindeutig: Das Naturfreibad ist realistisch nur dann zu öffnen, wenn man es an all den Tagen schließt, an denen das Wasser trübe ist.

Die Realität zwischen den Zeilen Am Ende der Debatte war klar: Wenn Hüls ein verlässlich zu betreibendes, juristisch sicheres Bad behalten will, läuft es auf das Freibad hinaus; politische  Scharmützel um angeblich andere Optionen würden nur eines bewirken: Verzögerungen. Das erklärte Ziel der Hülser Bezirksvertretung, mit dem Bau des Freibades 2020 zu beginnen, könnte man sich abschminken.

Die nun beschlossene erneute Prüfung der Option Naturbad ist, das muss man so hart sagen, ein Placebo-Beschluss, um die Nerven der Hülser Initiative pro Naturbad zu beruhigen und noch einmal zu signalisieren: Wir haben ja alles versucht.

Fazit Debatte und Beschluss im Rat sind ein Musterbeispiel für das gern als Krefelder Krankheit gebrandmarkte Verhaltensmuster: Man hat lange diskutiert, externen Sachverstand eingekauft, einmütig beschlossen – und fängt von vorne an.  Der fällige Beschluss wird verschoben. Die Hülser können sich darauf einstellen: Das Naturbad ist Geschichte; es wird, wenn Geld genug da ist, ein Freibad geben.

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