Gladbacher Straße in Krefeld Das Müll-Experiment

Krefeld · Was wäre, wenn eine Dreckecke plötzlich sauber wäre? Wie schnell landet dort neuer Müll? Ein Experiment am Bahndamm.

Fotos: Ein Müll-Experiment am Krefelder Bahndamm
9 Bilder

Ein Müll-Experiment am Krefelder Bahndamm

9 Bilder
Foto: Carola Puvogel

Das Experiment ist so einfach wie verwegen: Was für einen Effekt hätte es, eine total vermüllte Dreckecke zwischen Innenstadt und Südbezirk von Abfällen zu befreien und über einen gewissen Zeitraum sauber zu halten? Bleibt das Areal gepflegt? Oder wird es nach kurzer Zeit wieder aussehen wie zuvor? Der gedankliche Versuchsaufbau hinter dem Müll-Experiment ist, dass vorhandener Müll möglicherweise dazu führt, dass Passanten eher ermutigt sind, ihren Abfall dazu zu werfen, weil es sowieso schon so dreckig ist. Im Umkehrschluss: Nachhaltige Sauberkeit könnte dazu führen, dass es auch einigermaßen sauber bleibt.

Das Testareal

Ein paar Quadratmeter am Bahndamm, gelegen an der Bahnunterführung Gladbacher Straße, kurz vor dem Hansa Centrum sollen das Testareal für das Müll-Experiment werden. In und unter den meterhohen Büschen und Brombeerranken haben sich große Mengen von Müll jeglicher Art angesammelt. Ein Fußweg und ein Radweg führen daran entlang, einen Mülleimer gibt es in der Nähe nicht, nur eine Hundetkotstation. Die Bahnunterführung ist von Tauben besiedelt, auf der an das Testareal angrenzende Wiese werden häufig Brotreste als Taubenfutter verteilt.

23. Februar Grundreinigung

Es kostet schon Überwindung, sich den Hinterlassenschaften im Gestrüpp zu stellen. Mit Handschuhen, hohen Stiefeln, alten Klamotten und Laubrechen ausgerüstet geht’s ab in die Büsche. Vom Gehweg aus betrachtet fallen vor allem große Plastiktüten und Verpackungen von Fast Food und dergleichen ins Auge. Doch das Areal am Bahndamm hat noch viele andere Überraschungen parat. Etliche gebrauchte Herrenunterhosen zum Beispiel. Undefinierbaren Elektroschrott und einen alten Drucker. Autoreifen. Irgend jemand hat seine Fliesen entsorgt. Der große Müll am Rand lässt sich relativ leicht aufsammeln. Schwierig wird es mit kleinen Teilen und insbesondere dem Müll, der tief im Gebüsch liegt. Auf allen Vieren geht es in die Tiefe, mit der langen Harke kann man zwischen den Ranken allerdings überhaupt nicht agieren. Der Müll, so wird schnell klar, muss Stück für Stück von Hand zusammengesammelt werden. Das ist nicht ungefährlich: Überall liegen Glasscherben herum. Und es ist auch eklig: Den höchsten Ekelfaktor haben — neben den Herrenunterhosen — gebrauchte Papiertaschentücher in unterschiedlichen Verrottungszuständen. Welche Körperflüssigkeiten damit weggeputzt wurden? Ein Gedankenspiel, das sich aus Selbstschutzgründen verbietet.

Je kleiner der Müll, so die Erkenntnis, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er für immer liegen bleiben wird. Denn kleine Plastikverpackungen oder Schnipsel lassen sich kaum packen. Glasscherben sind nur mühsam aus dem Erdreich zu entfernen, genauso wie Kronkorken von Bierflaschen: Die gezackten Ränder führen dazu, dass sie sich fest mit dem Boden verbinden und nur mithilfe eines Metallwerkzeugs heraus zu hebeln sind.

Passanten verfolgen verwundert die Aufräumarbeiten — der eine oder andere sagt, dass er das gut findet. Und dass die Bemühungen wahrscheinlich nicht von langer Wirkung sein werden. Mal sehen.

Nach eineinhalb Stunden intensiver Arbeit zu zweit sind jedenfalls drei große Müllsäcke prall gefüllt. Das Testareal ist erkennbar sauber — nur die alten Fliesen mussten liegenbleiben, sie sind zu schwer, um sie in den Plastiksäcken zu entsorgen. Das Müll-Sammelsurium inklusive Drucker landet vorerst auf einem Haufen neben der Hundekotstation — verbunden mit einer Meldung über die GSAK-Sauberline, den Abfall abzuholen.

27.Februar

Im Gebüsch liegt schon wieder Verpackungsmüll, dennoch sieht es noch einigermaßen sauber aus. Offenbar lockt der gereinigte Zustand aber nun neue Akteure an: Selbsternannte Tierschützer. Denn plötzlich liegt dort, wo zuvor noch alles zugemüllt war, altes schimmliges Brot, wohl gedacht für die Tauben.

4. März

Das stürmische Wetter des Karnevalswochenendes hat dazu geführt, dass Plastiktüten und andere leichte Verpackungen in Massen in die Büsche geweht wurden und dort hängen geblieben sind. Und immer wieder alles, was mit Zigaretten zu tun hat: Kippen, die sehr schlecht aufzusammeln sind, die Plastikumhüllungen der Zigarettenpackung und die leeren Packungen.

6. März

Die Tauben-Fütterer waren wieder da und haben erneut Brotreste hinter das Gebüsch gekippt. Die Tauben haben sich bereits darüber her gemacht und sind nicht erfreut, dass ihnen diese nun unter dem Schnabel weg gesammelt werden. Bei der Gelegenheit landen noch andere Abfälle im Beutel. Süßlicher Geruch von Energie-Drink-Dosen dringt aus dem Beutel. Offenbar hat die Energie des Drinks nicht dafür gereicht, die Alu-Dose bis zum nächsten Müllgefäß zu tragen.

13. März

Wieder ein ganzer Sack. Wie schon zuvor, sind auch wieder viele Mini-Schnapsflaschen dabei. Eigentlich wäre es gut, wenn darauf Pfand erhoben würde, dann würde dem einen oder anderen die Entscheidung leichter fallen, die kleinen Glasflaschen wieder mitzunehmen. Dasselbe gilt übrigens für Trinkpäckchen mit Fruchtsaftgetränken.

23. März

Der Sturm der vergangenen Tage hat wieder einiges an Verpackungen in die Büsche geweht. Die Aufräumarbeiten werden von einem Biertrinker verfolgt, der im Gras sitzt und  ohne Skrupel seine Flasche vor die Füße der Müllsammler wirft. Dafür können die Fliesen endlich mit entsorgt werden.

25. März

Nach nur zwei Tagen liegt wieder jede Menge neuer Müll herum. Ekelfund des Tages ist ein offenbar extra dort platziertes Plastikschälchen mit Katzenfutter, das ziemlich schnell Ratten angelockt hätte.

Fazit

 Drei große Säcke mit Müll plus einige Teile Elektroschrotts sind bei der Grundreinigung zusammengekommen.

Drei große Säcke mit Müll plus einige Teile Elektroschrotts sind bei der Grundreinigung zusammengekommen.

Foto: Carola Puvogel

Die Annahme, dass Sauberkeit dazu führt, dass Passanten Hemmungen haben, ihren Müll zu hinterlassen, hat sich nicht bestätigt. Die Abfälle landen mit großer Konstanz immer wieder in der Grünfläche. Schade.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort