Kolumne KR wie Krefeld Vom Elend des Naturschutzes

Krefeld · Der Schock über den massiven Insektenschwund im Land verblasst langsam. Unser Interview mit Kreislandwirt Küskens hat gezeigt: Die Debatte darüber, wie die Insekten-Apokalypse abgewendet werden kann, hat noch gar nicht begonnen. 

 Jens Voss

Jens Voss

Foto: Grafik

Es war ein bemerkenswertes Interview, das Kreislandwirt Paul Küskens uns gegeben hat. Er hat ein paar Fakten über den Naturschutz genannt, die einen  ins Grübeln kommen  lassen. Mit dem Instrumentarium, das wir heute haben, werden wir die Insekten-Apokalypse in Deutschland und in Teilen Europas nicht aufhalten.

Zur Erinnerung: Es war ein weltweiter Schock, als die Studie der Krefelder Entomologen unter Beteiligung von Universitäten, Verbänden und staatlichen Stellen zum Insektenschwund veröffentlicht wurde. Sie ergab bekanntlich, dass seit Mitte der 80er Jahre drei Viertel der Insekten  verschwunden sind. Die intensive Landwirtschaft galt und gilt als ein zentraler Verursacher.

Wenn die Welt so einfach wäre.  Wir alle haben uns an preiswerte und makellos aussehende Lebensmittel gewöhnt. Bevor man nach einer ökologischen Landwirtschaft mit der damit einhergehenden Verteuerung und Verknappung von Lebensmitteln ruft,  sollte man innehalten: Es ist zum einen eine große soziale Errungenschaft, dass Lebensmittel preiswert sind und keiner Mangel leiden muss. Hält man sich zum anderen das  Wachstum der Menschheit vor Augen, wird man  vorsichtig mit der Verteufelung von Technik (auch Gentechnik) und dem Arsenal an Pflanzenschutzmitteln, das unsere Ernährung heute sichert. Können wir darauf verzichten?

Heute leben  7,6 Milliarden Menschen auf der Welt; bislang kommt jährlich einmal Deutschland dazu (80 Millionen Menschen). Bei unveränderter Entwicklung  könnten es bis  2100  zwanzig Milliarden Menschen geben. Kann man diese unfassbare Masse mit ökologischer Landwirtschaft ernähren?

Ein Weg zu mehr Naturnähe für die nahe Zukunft wäre es, das  jämmerliche Blühstreifenprogramm massiv auszubauen. Kreislandwirt Küskens beklagt zu Recht, dass es für Landwirte zu kleinteilig, zu bürokratisch und zu verlustreich ist.  Zitat: „Als Landwirt bekomme ich für Blühstreifen die Hälfte von dem, was ich mit Weizen erwirtschaften würde. Und die Regeln sind sehr eng. Ernteverzicht bei Getreide kann ich auf maximal einem halben Hektar geltend machen; ein Ackerrandstreifen darf maximal sechs Meter breit sein, ein Waldrandstreifen darf maximal 30 Meter breit sein. Wenn ich eine Flächen habe, sagen wir 0,75 Hektar groß, dann kann ich sie nur zu zwei Drittel in naturnahe Flächen umwandeln. Wenn ich einen Waldrandstreifen gerne 50 Meter breit machen würde, darf ich das nicht.“  Und mit diesem Kleinklein soll eine Öko-Katastrophe wie der Insektenschwund abgewendet werden?

Vermutlich geht es nicht ohne sehr viel mehr Geld und einen Masterplan Naturfläche, wenn Deutschland wieder Insektenland werden soll. Vermutlich müssen die Landwirte der Zukunft auf intensiv genutzten Flächen  Lebensmittel erzeugen und auf extensiv gepflegten Flächen Landschaftspfleger sein. Vermutlich braucht man einen System von Verbundflächen, denn eines kann man von Biologen lernen: Naturschutzinseln sind sinnlos; wer Arten erhalten will, braucht verbundene Flächen. Vermutlich muss der Staat dazu einen Flächensystem entwickeln, dann aktiv werbend auf die Landwirte zugehen und  definieren: Sinnvoll für Landschaftspflege wären folgende Flächen. Und dafür müssen die Landwirte anständig bezahlt werden. Das alles wird Milliarden kosten.

Bereit dazu?  Bislang ist nicht mal die Debatte darüber ins Sicht, auch weil der Insektenschock wieder in Vergessenheit gerät. Die Natur aber vergisst nicht.

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