Hilfe für Krefelder Problem-Quartier Das Hardenbergviertel blüht auf

Meckern alleine hilft nicht. Anpacken dagegen sehr. Das haben jetzt Anwohner und engagierte Bürger im Hardenbergviertel gezeigt und sind auf spannende Ideen gekommen.

Sie wollen das Viertel verschönern: Katrin Blewska, Diana Meier, Christian Rose, Jimmy, Anja Jansen (hinten v.l.), Johanna Sturzbecher, Jelena Grechukhina und Tinka Siepmann (vorne, v.l.).

Sie wollen das Viertel verschönern: Katrin Blewska, Diana Meier, Christian Rose, Jimmy, Anja Jansen (hinten v.l.), Johanna Sturzbecher, Jelena Grechukhina und Tinka Siepmann (vorne, v.l.).

Foto: Sven Schalljo

Kaum ein Quartier in Krefeld ist derzeit so stark im öffentlichen Fokus wie das Hardenbergviertel. Seit vielen Jahren ist es ein Quar­tier mit extremen Herausforderun­gen: Hohe Migrantenquote, geringe Identifikation, Probleme mit Sau­berkeit und Vandalismus, aber auch die eher schwache wirt­schaftliche Leistungsfähigkeit der Bewohner prägen die Situation. Die Ansiedlung des Drogenhilfezentrums im näheren Umfeld des Viertels wird von einigen Anwoh­nern deshalb als Todesstoß empfunden.

Doch parallel findet eine Gegenbe­wegung statt. Unterstützt von der Stadt und Quartiersmanager Sandy Schilling fand sich eine Gruppe en­gagierter Menschen, die Schritt für Schritt für eine Aufwertung sorgen wollen. „Generell haben diese Quar­tiere wirklich Potential. Es muss nur geweckt werden. Wir haben jetzt eine Situation, in der sich um ei­nen festen Kern aktiver Menschen immer mehr Bewohner finden, die wirklich etwas bewegen. Es ist toll zu sehen, wie – auch in Zusammenar­beit mit anderen Akteuren wie dem Werkhaus – etwas richtig Gutes entsteht“, sagt Schilling.

Sichtbarstes Beispiel im Harden­bergviertel ist sicher der Platz ohne Namen, an der Ecke Dießemer Straße und Seidenstraße. Ein Bünd­nis aus Quartierszentrum, Jugend­zentrum SpieDie (Werkhaus) und An­wohnern hatte, mit Hilfe der Frei­schwimmer, zunächst für Ordnung auf dem seit Jahren vermüllten Platz gesorgt und dann Pflanzkübel aufge­stellt. „Das hat den Platz zu einem gewissen Zentrum für die Nachbar­schaft gemacht. Mittlerweile tref­fen sich hier Anwohner abends, re­den, trinken etwas und haben ein­fach eine gute Zeit“, erzählt Jim­my. Er möchte mit dem Vornamen an­gesprochen werden. „Unter dem ken­nen mich hier viele Menschen. Mei­nen Nachnamen kennt doch keiner“, erzählt der Hausmeister des Werkhaus-Gebäudes neben der Kulturfabrik, das das Quartierszentrum und einen Bewegungsraum beherbergt.

Der Ein-Euro-Jobber im Werkhaus ist einer der aktivsten Bürger im Quartier. „Ich habe in einem kleinen Gewächshaus ein paar Pflan­zen vorgezogen. Die will ich jetzt in einer Art Guerilla-Garten-Aktion abgestimmt mit dem Quartiersbüro auf Baumbeeten und anderen Flächen aus­pflanzen“, erzählt er.

Auch den Platz ohne Namen will er mit seinen Mitstreitern umbauen. „Wir haben festgestellt, dass die Pflanzkübel viel blockieren. Sie sollten dafür sorgen, dass er sau­ber bleibt, das ist gelungen, und jetzt holen sich die Menschen den Ort zurück, darum werden wir die Kübel etwas versetzen“, sagt Mario Kalitka vom SpieDie. Künftig sollen die Menschen hier Biertischgarnitu­ren nutzen können, so dass eine Art inoffizi­elles Forum für das Quartier ent­stehen kann. „Wir haben viel investiert, auch die Kinder haben geholfen. Es soll einfach dafür gesorgt werden, dass das Quartier an sich schöner ist. Dazu zählt auch, dass wir – natürlich in Absprache mit den Be­sitzern – Häuserwände bemalen. Wir haben zum Beispiel an eine Hauswand mit den Kindern die ,Welle von Die­ßem‘ gemalt“, erzählt Kalitkas Mit­streiter im SpieDie, Konrad Koll.

Andere Bürger sorgen für Sauber­keit. „Ich habe vor einiger Zeit damit angefangen, dass ich einfach Müll gesammelt habe“, erzählt Quar­tiershelfer Christian Rose. „Ir­gendwann haben dann immer mehr An­wohner mitgemacht. So erreichen wir viel“, fährt er fort. Nur ein Pro­blem gebe es. „Wir hatten auch den Fall, dass die Menschen den gesam­melten Müll in öffentliche Tonnen steckten und dann Probleme mit dem Ordnungsamt bekamen“, erzählt er. Mittlerweile gehe er selbst mit ei­ner Tonne im Schlepptau herum.

Gerade der Platz ohne Namen zeige, was möglich ist. Noch vor einem halben Jahr war Anwohnerin Diana Meier engagiert, aber eher pessimis­tisch. Heute ist sie begeistert. „Es sind so viele tolle Menschen, die sich engagieren und hier wohnen. Über die Betreuung der Pflanzen ist eine ganz neue Gemeinschaft entstan­den“, schwärmt sie. Ihr stimmt die 85 Jahre alte Johanna Sturzbecher zu. „Ich wohne seit 63 Jahren hier und kenne noch den al­ten Zustand mit der Pferdetränke auf dem Platz. Ich bin irgendwann einfach zu einem Treffen gegan­gen und wurde sofort herzlich auf­genommen“, sagt die Seniorin. Jeder könne etwas für die Gemeinschaft tun, ergänzt sie.

Dabei ist auch Studentin Katrin Belwaska. An der Hochschule stu­diert sie Design und wurde Teil des Projekts. „Ich wurde gefragt, ob ich helfen will, und es macht extrem viel Spaß. Es war ein Platz ohne echte Funktion, der jetzt zu einem Schmelzpunkt der Kulturen und Natio­nen geworden ist. Die Menschen leben ein Miteinander, und in der Folge ist es auch sauberer und schöner“, erzählt sie. Bei schlech­tem Wetter würden die Bürger nun in den Freiraum an der Dießemer Straße 21 ausweichen. „Den haben wir jetzt über das ganze Ge­bäude ausgedehnt. Im Souterrain gibt es einen Raum, in dem wir Treffen veranstalten, in dem es Kaffee und Kuchen gibt und so weiter. Im Hochparterre ist der Bewegungsraum vor allem für Kinder und Jugendliche und so weiter. Aber tatsächlich verteilt sich die Aktivität ziemlich über die unterschiedlichen Räume“, erzählt Anja Jansen vom Werkhaus lachend.

Das Gebäude ist – neben dem Platz – das Zentrum des Quartiers, das gerade zu neuem Leben erwacht.

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