Krefeld „Blick für das Detail und für das Schöne“

Das Deutsche Textilmuseum (DTM) hat aus seinem eigenen Bestand einen Schatz gehoben und zeigt ihn ab Sonntag, 4. November, unter dem Titel „Tracht oder Mode. Die europäische Sammlung Paul Prött im Deutschen Textilmuseum“.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Seit 1943 gehört die Sammlung „Paul Prött“ zum Bestand des Hauses, genauer gesagt zum Vorgänger Gewebesammlung. Aus diesem Konvolut werden nun in einer beeindruckenden Schau rund 270 Objekte gezeigt, die alle europäischer Herkunft sind.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Paul Prött hat nicht nur europaweit gesammelt; auch Nord- und Westafrika, Südamerika, Vorder- und Ostasien gehörten zu den von ihm ausgewählten Gebieten. Insgesamt zählen 466 Textilien und 482 Schmuckstücke zu Prötts Erwerbungen.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Nun ist im DTM mehr als ein Viertel davon zu sehen: ein prächtiger Ausschnitt textiler Vielfalt aus vielen Ländern. Die wissenschaftlichen Bearbeiterinnen haben die Schau in drei Bereiche gegliedert. Museumsleiterin Annette Schieck hat den Schmuck in der Sammlung untersucht. Ihre Stellvertreterin Isa Fleischmann-Heck hat sich die Kopfbedeckungen angeschaut und die externe Mitarbeiterin Uta-Christiane Bergemann die Kleidung und Textilien. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich die regionalen Zuordnungen der drei Bereiche nicht gleichen, sondern nur teilweise überschneiden.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Aus Estland beispielsweise stammen beeindruckende Silberfibeln, aus Nordfriesland Schmuckstücke mit dem typischen Silber-Filigran oder fein gearbeitete Knöpfe. Textilien aus Skandinavien oder dem Baltikum zählen auch zu den Schaustücken.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Besonders auffällig sind zwei Bückeburger Halsbänder, um 1870, mit dicken geschliffenen und goldbraunen Bernsteinkugeln und reich verzierten Kugeln. Sie wurden in einer Gegend, aus der auch Textilien in der Sammlung sind: Niedersachsen. „Breiten Raum nehmen der Balkan und Südosteuropa ein“, sagt Annette Schieck, „die Schnittmenge beginnt bei Hamburg.“

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Etwa bei einem der wenige Exponate von männlicher Kleidung. Am Anfang der Schau begrüßt den Besucher ein dunkler Männeranzug mit reichlich Silberknöpfen. Das trug der Bauer aus den Vierlanden bei Hamburg, der damit gleichzeitig für die Güte von Obst und Gemüse warb. Ein frühes Marketing sozusagen.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Ein Stückchen weiter fällt der Blick des Besuchers auf mehrere kunstvoll besticke Brustlätze, die als Einsatz in Miedern dienten. An diesen Miedern kann man sehr gut sehen, woher der Ausdruck ‚Mit Haken und Ösen‘ stammt – die Stücke werden genau damit verschlossen und manches Mal noch mit dekorativen Ketten verziert.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Ebenso reich an Details sind die Kopfbedeckungen. Große, flache, goldbestickte Hauben, solche mit langen Bändern und sehr kleine, die den hoch auf dem Kopf aufgesteckten Dutt zierten, sind hier zu sehen.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

An dieser kleinen Schilderung der herrlichen Exponate wird ein gemeinsames Merkmal deutlich: „Sie sind alle von hoher Qualität“, sagen die drei Damen. Und zwar zum einen in der Zeit ihrer Herkunft: „Die meisten Stücke stammen aus dem 19. Jahrhundert; es gibt keines nach 1920.“ Womit auch eine sensible Frage geklärt werden konnte: „Wir können davon ausgehen, dass es sich nicht um Raubkunst handelt“, sagte Annette Schieck.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Das wohl älteste Exponat ist ein hellblaues Reitkostüm von etwa 1750-1770 – man kann es als Beispiel für die wechselseitige Beeinflussung von Trachten und Mode in dieser Sammlung sehen.

 Die Ausstellung „Tracht oder Mode – Die europäische Sammlung Paul Prött“ im Deutschen Textilmuseum zeigt eine Fülle von Schaustücken und Details. Es laden ein (v. l.): Annette Schieck, Hermann-Victor Johnen, Uta-Christiane Bergemann und Isa Fleischmann-Heck.

Die Ausstellung „Tracht oder Mode – Die europäische Sammlung Paul Prött“ im Deutschen Textilmuseum zeigt eine Fülle von Schaustücken und Details. Es laden ein (v. l.): Annette Schieck, Hermann-Victor Johnen, Uta-Christiane Bergemann und Isa Fleischmann-Heck.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist die außerordentliche Fülle von Materialien und deren Verarbeitung, die für die Ausstellung penibel untersucht wurden. „Es ist eine einmalige Sammlung“, sagt Annette Schieck.

Krefeld: Das Deutsche Textilmuseum zeigt ab Sonntag die Ausstellung "Tracht und Mode".
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Es konnte nicht herausgefunden werden, woher die beachtliche Summe von 120.000 Reichsmark stammte, mit der das Konvolut angekauft wurde. Aber zur Absicht wurde eine Hypothese entwickelt: „Möglicherweise wurde die Idee von Johannes Itten aufgegriffen, auf der Grundlage dieser Stücke eine Mode- und Entwerferschule einrichten zu können“, sagt Isa Fleischmann-Heck. Sieben Fotografien von Corina Gertz „Das abgewandte Porträt“ ergänzen die Ausstellung.

Dankbar ist man im Deutschen Textilmuseum ganz besonders der Sparkassen-Kulturstiftung, die mit ihrer Förderung diese Untersuchung und Präsentation überhaupt erst möglich gemacht hat: „Ohne das Projekt ‚Ans Licht‘ hätten wir diese wissenschaftliche Leistung nicht erbringen können“, sagt Leiterin Annette Schieck zu dem ersten Teil der auf fünf Jahre angelegten Förderung.

Dazu zählen auch neue Erkenntnisse über den Grafiker und Maler Paul Prött. „Wir wissen jetzt, dass er 1881 in Hagen geboren wurde und 1964 in Mülheim an der Ruhr starb“, sagt Uta-Christiane Bergemann. Sie hat in zahlreichen Archiven geforscht und dabei einiges Neues erfahren.

Hilfreich war ihr auch der Kontakt zu einem Nachfahren der Stieftochter Prötts. Hermann-Victor Johnen nämlich hatte zufälligerweise ein paar Tage nach Erscheinen des ersten Artikels zum Thema in dieser Zeitung im Internet nach Paul Prött gesucht. Er nahm die Verbindung nach Krefeld auf und hat einige Originalradierungen für den Raum zu Prött ausgeliehen.

Nach einer Vorabführung durch die Ausstellung sagte Johnen erfreut: „Prött hatte den Blick für das Detail und für das Schöne.“

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