Textile Kunst in Krefeld Chinesisches Operngewand schmückt die Seidenstadt

Krefeld · Ab dem 11. Oktober ist das wertvolle Kleidungsstück in der Ausstellung „Drachen aus goldenen Fäden. Chinesische Textilien aus der Sammlung des Deutschen Textilmuseums“ auch vom Publikum zu bewundern.

 Museumsleiterin Annette Schieck und Kurator Walter Bruno Brix bereiten im Textilmuseum die Ausstellung „Drachen aus goldenen Fäden“ vor.

Museumsleiterin Annette Schieck und Kurator Walter Bruno Brix bereiten im Textilmuseum die Ausstellung „Drachen aus goldenen Fäden“ vor.

Foto: Stadt Krefeld/Dirk Jochmann

Bunt und fröhlich, jung und lebendig – so wirkt ein Gewand, das jetzt an das Textilmuseum gekommen ist und gleich in der nächsten Ausstellung am Andreasmarkt präsentiert wird. Das Geld für die Anschaffung kommt von Spendern, die dem Haus verbunden sind oder waren. Die Kranzspenden der 2019 verstorbenen Krefelderin Emilie Wefers kamen dem Haus zugute, das Künstlerehepaar Barbara Esser und Wolfgang Horn hat Geld gegeben und die Spendenbox im Ausstellungsraum wurde geleert. Mit diesem höheren dreistelligen Betrag, verwaltet von den Freunden und Förderern des Museums, konnte das Gewand erworben werden: „Da wir über keinen Anschaffungsetat verfügen, sind wir dankbar dafür, konkrete Spenden konkret verwenden zu können“, sagt Museumsleiterin Annette Schieck.

Vermittelt hat die Anschaffung der Ostasienexperte Walter Bruno Brix, der für die kommende Präsentation schon seit 2017 im Archiv und im Hause unterwegs ist: „Es ist ein beglückender Fund, da er so gut in das Ausstellungskonzept passt.“ Brix hat das schöne Stück von einem Privatsammler vermittelt, der es zusammen mit einem ganzen Nachlass erworben hatte. „Jetzt wird das Stück auch im Museum einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht“, sagt Brix. Zu dem bunten Gewand kann er Ausführliches berichten, denn er hat sich in die nicht nur textile Geschichte vertieft.

„Dieses Gewand wurde für einen Schauspieler der chinesischen Oper gefertigt“, ist er sich sicher, „etwa um 1900.“ Wer darin auftrat – immer nur Männer, wie bei Shakespeare – verkörperte eine Konkubine oder eine Prinzessin des fünften Rangs, so Brix. „Das hierarchische System war sehr kompliziert“, sagt Brix, der die Zuordnung anhand bestimmter Muster und Motive vornehmen kann.

Das festliche Tanzgewand erinnert an die Geschichte der Hofkonkubine Yang Gufei aus dem 8. Jahrhundert, um die sich zahlreiche Legenden ranken. Die schöne, sehr energische und äußerst machtbewusste Favoritin des Kaisers musste einmal auf ihn warten. In ihrer Ungeduld verlegte sie sich auf einen kraftvollen und starken Tanz. Der Schwung und die Bewegung finden ihren Niederschlag in Schnitt und Farben des Gewandes. Die Ärmel sind aus wellenförmigen Streifen in wechselnden und kräftigen Tönen symmetrisch zusammengesetzt; der Rock besteht aus Bändern mit aussagekräftigen Mustern und Tönen, die Schürzen verbergen wieder andere bunte Motive. Blumen und Blüten, Glückssymbole und Vögel sind überall zu finden. Eindrucksvoll: Der fantastische Vogel in seinem Medaillon, der sich aus vielerlei Elementen der Fauna zusammensetzt: Er hat einen Papageienschnabel, Kranichstelzen und ein Pfauenrad. Ein gestickter Vogel ist unter der Schürze des Kleides und zwei befinden sich rückseitig auf den Schultern. Wenn der Tänzer die Arme vor sich verschränkt und dem Publikum seinen Rücken zuwendet, sehen sie die Medaillons deutlich auf dem Rücken der Kurtisane.

Überhaupt ist die Rückseite des Gewandes in ihrer Farbigkeit deutlicher zu erkennen: „Es hat wahrscheinlich lange an einer Wand gehangen“, vermutet Brix. „Die Kostüme transportieren die Auskunft darüber, wen man vor sich hat.“ Die schwingenden Bänder und die Schürze stehen unter anderem für die Tänzerin.

Brix hat mehrere Besonderheiten ausgemacht: „Schwarz wird sehr selten als Stickfarbe eingesetzt.“ Auffällig an diesem Gewand: Die Stickerei ist auf Kontrast angelegt. Manche Elemente sind in Lila gefärbt: „Das könnten die um 1900 noch teuren importierten Chemiefarben sein, mit denen man besondere Teile hervorhebt.“ Mit dem Hinweise auf künstliche Farbstoffe schlägt Brix auch eine Brücke zur noch bis Sonntag laufenden Ausstellung „Zeitkolorit“. „Zu jener Zeit wurden die Farben aus Deutschland auch nach Asien transportiert“, ergänzt Annette Schieck. „Einige Stücke stammen aus der Sammlung Paul Prött, deren europäischer Teil im ersten Abschnitt des Förderprojekts analysiert und gezeigt wurde“, sagt Museumsleiterin Annette Schieck.

Bei dem neu ans Haus gekommenen chinesischen Opernkostüm fällt auch noch auf, dass es innen aus Baumwolle gearbeitet wurde. Das verleihe ihm Stabilität, meint Brix: „Von dem Schauspieler wird ja auch Akrobatik gefordert.“ Was fehlt, sind nach Einschätzung von Walter Bruno Brix: Der Rock darunter, der wahrscheinlich rot war; ein Kragen, die Kopfbedeckung – die Krone – und an jedem Ärmel zwei Meter weiße Seide, die der Schauspieler von sich werfen und um sich herum schwingen konnte.

Walter Bruno Brix ist begeistert von diesem einzigartigen Opernkostüm, das aus Südchina, vielleicht aus Hongkong stammt: „Es ist das erste dieser Art, was ich gesehen habe.“ Er kennt noch die Abbildung eines Vergleichsstückes im Metropolitan Museum in New York. Ab 11. Oktober auch vom Publikum zu bewundern in der Ausstellung „Drachen aus goldenen Fäden. Chinesische Textilien aus der Sammlung des Deutschen Textilmuseums.“

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