Gebäude in Krefeld Orange setzt ein Zeichen gegen häusliche Gewalt

Krefeld · Seit Montagabend werden mehrere Gebäude orange angestrahlt: Krefeld beteiligt sich am weltweiten Orange Day gegen häusliche Gewalt, die vor allem Frauen und Kinder betrifft. Es gibt mehr von diesen Fällen als Einbrüche in Krefeld.

 Zum weltweiten Orange Day wird auch das Bootshaus im Stadtwald orange angestrahlt.

Zum weltweiten Orange Day wird auch das Bootshaus im Stadtwald orange angestrahlt.

Foto: Fabian Kamp

Eine schöne, warme Farbe steht für ein grässliches, weltweites Phänomen: häusliche Gewalt gegen Frauen. Seit gestern werden in Krefeld einige Gebäude orange angestrahlt – Zeichen der Teilnahme an dem weltweit begangenen Orange Day, mit dem auf diese Form der Gewalt aufmerksam gemacht wird. Krefeld beteiligt sich auf Initiative des Krefelder Zonta-Clubs in Kooperation mit dem „Krefelder Netzwerk gegen häusliche Gewalt“ an der Aktion. Das Thema ist nicht weit weg: Im laufenden Jahr sind bei der Polizei bis Oktober mehr als 500 Anzeigen wegen häuslicher Übergriffe eingegangen, erklärt die Polizei auf Anfrage. „Man kann also feststellen, dass es mehr Strafanzeigen häuslicher Gewalt gibt als Wohnungseinbrüche (555 waren es 2018)“, erklärte ein Polizeisprecherin. Auch das Krefelder Frauenhaus meldet einen ungebrochenen Hang zur Gewalt. „Es ist eher mehr geworden; wir erleben es, dass die Gewalt eher schlimmer wird“, berichtet Martina Müller-West, Leiterin des Frauen- und Kinderschutzhauses des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF).

Aus Gründen des Opferschutzes  berichtet die Polizei über solche Fälle nicht. Die Folge: „Diese Straftaten werden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Dennoch verstecken sich hinter diesen Zahlen viele Einzelschicksale, Menschen, die Hilfe brauchen“, so die Polizeisprecherin weiter.

Um welche Formen der Gewalt geht es? Bei dem Großteil der Anzeigen handelt es sich laut Polizeistatistik um die Straftatbestände der einfachen Körperverletzungen, etwa acht bis zehn Prozent der Fälle seien „gefährliche Körperverletzungen“, bei denen zur Gewaltausübung Gegenstände eingesetzt werden (Messer und anderes). „Außerdem registrieren wir auch, dass Opfer bedroht, erpresst und eingesperrt werden; Sachen werden beschädigt, oder der Täter stellt dem Opfer nach“, heißt es weiter.

Wie reagiert die Polizei? Grundsätzlich werde jeder Einsatz wegen häuslicher Gewalt von den Polizeibeamten ernstgenommen, betont die Krefelder Behörde. „In den allermeisten Fällen gehen die Polizisten von einem erhöhten Gewaltpotenzial aus“, heißt es;  Eigensicherung der Beamten spiele daher immer eine wichtige Rolle. In der Regel seien die Parteien emotionalisiert, was eine Befragung erschwere, nachdem die Parteien getrennt wurden. „Die Aufgabe der Polizei ist es also, die akute Gefahr zu erkennen (von wem geht aktuell welche Gefahr aus?), zu intervenieren (Grundsatz: der Täter geht, das Opfer bleibt, und zwar unabhängig vom Geschlecht) und immer ein Strafverfahren einzuleiten.“ Es gebe bei diesen Einsätzen kein Ermessen, „es wird immer eine Anzeige geschrieben“.

Wichtig sei zudem die Vermittlung von Hilfe; „die Beamten kennen die Beratungsstelle und händigen einen Flyer aus“. Sofern Kinder betroffen sind, erfolgt eine Meldung an das Jugendamt. Jeder Einzelfall ist anders und wird auch als solcher behandelt und bewertet.

Die Beamten werden stetig fortgebildet. Ihnen sei klar, dass es oftmals schwierig für das Opfer sei, sich zu lösen, erst recht, wenn Kinder da seien. Oftmals schämten sich Frauen, die Polizei zum wiederholten Male um Hilfe zu rufen. „Das ist unseren Beamten bewusst, und sie bewerten nicht, wenn sie mehrfach zur selben Familie gerufen werden“, sagt die Polizeisprecherin weiter. Polizeipräsident Rainer Furth betont, wie wichtig ihm diese Arbeit ist: „Die Polizei ist da, wenn Hilfe erforderlich ist. Gewalt im Nahraum zerstört. Es gibt dabei nur Verlierer, überwiegend trifft es Frauen, am schlimmsten trifft es Kinder. Deshalb schaut die Polizei Krefeld hin und hilft, immer“, erklärt er anlässlich des Orange Day auf Anfrage.

Das Krefelder Frauenhaus kann 19 bis 20 Frauen und Kinder aufnehmen. Es sind Frauen aus anderen Städten, damit sie sich hier unbehelligt von ihren Männern bewegen können. „Bei uns suchen Frauen Schutz, die geschlagen, psychisch unter Druck gesetzt, sexuell genötigt oder eingesperrt werden oder vor einer Zwangsverheiratung fliehen“, berichtet Frauenhaus-Leiterin Müller-West. Die Opfer kommen ihr zufolge aus allen Schichten. Sie betont, dass die Schutzmechanismen für Frauen wirksam sind. Seit dem 2002 verabschiedeten Gewaltschutzgesetz können Polizisten schlagende Männer für zehn Tage aus einer Wohnung verweisen; in dieser Zeit können die Frauen Hilfe und Beratung holen. Die Polizei kontrolliere wirksam, ob Männer den Verweis aus der Wohnung respektierten, betont Müller-West. Will eine Frau sich wirklich lösen, hat sie also auch eine reelle Chance, ihrem Mann zu entkommen, möglicherweise mit einer geschützten Adresse in einer anderen Stadt.

Das merken offenbar auch die Betroffenen: „Die Zahl der Frauen, die zurückgehen zu ihrem Mann, sinkt“, sagt Müller-West. Sie habe es nur selten erlebt, dass sich, kehrt eine Frau nach Hause zurück, die Lage dort tatsächlich bessert: „Vielleicht in einem Prozent der Fälle.“ Meist geht es weiter mit Schlägen, oft sogar schlimmer als vorher.

Bundesweit fehlen 13.000 Plätze in Frauenhäusern, beklagt Müller-West, erschwerend kommt die Wohnungsknappheit dazu. „Bei uns bleiben die Frauen mittlerweile bis zu mehreren Monaten“, sagt Müller-West. Grund: Die Betroffenen finden kaum bezahlbaren Wohnraum.

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