Krefeld Wie Mies ein Meister wurde
Krefeld · Eine spannende Ausstellung würdigt im kommenden Jahr die Spuren von Mies van der Rohe im Westen.
Irgendwann fällt dieser Satz, in dem sich alles ballt: Er hat es von der Pike auf gelernt. In diesen Worten scheint auf, was Talent auch auszeichnet (Fleiß), wie jemand ein Meister wird (durch Übung) und dass ein kreativer Sprung immer auch ein Rätsel bleibt – unabsehbar (durch Genialität).
Mies van der Rohe (1886 - 1969) wurde als 19-Jähriger eingestellt, um Ornamentik zu zeichnen. Er war da ein Niemand mit Zeichentalent, das in seiner Geburtsstadt Aachen auf der Gewerbeschule aufgefallen war, die er besuchte. Er wurde Maurerlehrling und bekam dann in einem Architekturbüro eine Anstellung zum Zeichnen. Und wie er zeichnete: das in Aachen bekannte Kaufhaus Tietz mit prachtvoller Fassade, die (heute würde man sagen: wahnsinnigerweise) in den 60er Jahren abgerissen wurde. Der junge Maria Ludwig Michael Mies, wie Mies vor der Annahme seines Künstlernamens hieß, lernte mit der Hand zu sehen.
Solchen Spuren zu folgen, hat sich eine Ausstellung zur Aufgabe gemacht, die zur Hälfte Forschungsprojekt ist. Titel: „Mies im Westen“. Es geht darum, den Spuren zu folgen, die Mies van der Rohe in NRW hinterlassen hat. Die Professoren Daniel Lohmann (TH Köln) und Norbert Hanenberg (THM Gießen) bereiten die Ausstellung mit ihren Studenten vor. Sie wird ab Mai 2019 an berufenem Ort zu sehen sein: im HE-Gebäude von Mies van der Rohe auf dem Gelände des „Mies van der Rohe Business Park“. Die Ausstellung ist je dreigeteilt: Sie folgt dem Lehrling Mies (1900-1905), dem Bauhaus-Mitstifter (1927-1938) und dem Weltarchitekten (50er und 60er Jahre) und dokumentiert ungebaute, gebaute und zerstörte Entwürfe.
Für die Professoren ist es auch Ausbildung der Studenten: Der Entwurf der Ausstellungen ist ein pädagogisch-didaktisches Programm. Die jungen Leute sollen üben, genau hinzusehen und – was beide Professoren als extrem wichtig einstufen – Kenntnisse über Architektur zu vermitteln. Wissen und Wertschätzung hängen eben eng zusammen. Ein schönes kleines Projekt im großen ist dann auch ein Architekturführer über Mies im Westen.
Die Ausstellung ist Teil der Projekte, mit denen im kommenden Jahr 100 Jahre Bauhaus gefeiert und zugleich des 50. Todestages von Mies van der Rohe gedacht wird, der am 17. August 1969 in Chicago gestorben ist. In NRW gibt es elf herausragende Punkte, an denen Mies Spuren hinterlassen hat: sechs in Krefeld, zwei in Essen und drei in Aachen.
Von der Pike auf: Mies van der Rohe hat als Zeichner angefangen und sich dabei mit einer ornamentalen Fülle auseinandergesetzt, die er als reifer Architekt aufs Äußerste reduzieren sollte. In Aachen wurde auch das erste Haus entdeckt, bei dem er sehr wahrscheinlich am Entwurf mitgearbeitet hat: Haus Oeben, 1905 errichtet; zugleich gilt das Haus als Beleg, dass Mies, so jung er war, von dem Architekten, für den er arbeitete, deutlich mehr Befugnisse bekam als ein normaler Lehrling. Das Gebäude war bereits relativ schlicht, Zeugnis neuer Sachlichkeit, mit leisen Anklängen an den Jugendstil.
Für Aachen, Krefeld und Essen werden Teil-Ausstellungen konzipiert, die dann später im Landeshaus des Landschaftsverbandes am Kölner Rheinufer auf Deutzer Seite zusammengeführt werden. Das Landeshaus ist nicht von Mies entworfen, gilt aber als herausragendes Beispiel für den Einfluss, den Mies ausgeübt hat.
Den Stilbegriff benutzen beide Professoren übrigens eher zurückhaltend: Er täuscht für ihren Geschmack eine Einheitlichkeit vor, die es in der Realität des Schaffens von Mies nicht gibt. Stilumschreibungen klingen vorsichtig, bei genauem Hinhören fast poetisch: Mies, so heißt es einmal, habe „einen möglichst universalen Raum“ schaffen wollen.
So lernt man: Konzentration auf kubische Formen siedelt an der Grenze zur Poesie. Dann erst wird Architektur zur Kunst.