Krefeld Ein rheinischer Katholik wird Steckenpferd-Ritter

Krefeld · NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wird Steckenpferdritter. Porträt eines Politikers, dem die Gnade der linksrheinischen Geburt zuteil wurde.

 Armin Laschet, Jahrgang 1961, ist seit Juni 2017 Ministerpräsident von NRW. Er lebt mit seiner Familie in seinem Geburtsort Aachen-Burtscheid.

Armin Laschet, Jahrgang 1961, ist seit Juni 2017 Ministerpräsident von NRW. Er lebt mit seiner Familie in seinem Geburtsort Aachen-Burtscheid.

Foto: Jana Bauch

Humor und Politik sind bekanntlich Bereiche mit recht überschaubaren Schnittmengen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gehört zu den Politikern, denen immer wieder Humor bescheinigt wird. Dabei ist Laschet kein Witze-Erzähler wie Johannes Rau. Der Humorverdacht ist bei Laschet anders begründet. Vielleicht ist es sein gesamtes Profil: Laschet ist kein Scharfmacher, kein Polemiker, kein Ideologe. Er kennt Grenzen und Begrenztheit von Politik, und das ist nicht wenig für jemanden, dessen Leben tief von Politik geprägt ist. Zu den schönsten Zitaten, die dazu von ihm überliefert sind, gehört seine Antwort auf die Frage vor der jüngsten NRW-Landtagswahl, ob er für den Sieg beten würde. „Für sowas betet man nicht“, sagte er. Das ist, unterm Strich und in der Tiefe, ein wunderbarer Humoransatz – Humor verstanden als die Fähigkeit, auf Distanz zu etwas zu gehen. So geht das diesjährige Steckenpferd der Krefelder Prinzengarde an einen Ritter, der schon genetisch den Karneval in sich trägt und Humor auch ohne ständige Schenkelklopfer-Sprüche in seiner Weltsicht tief verankert hat.

Wieso genetisch? Nun ja, er ist ein Oecher Junge. Ihm wurde die Gnade der linksrheinischen Geburt zuteil, was er mit den Krefeldern und einer Herzkammer des Karnevals – dem linksrheinischen Köln, gegenüber der „schäl sick“ – teilt. Dass der Jurist jetzt von Düsseldorf aus das Land regiert, rundet das Bild umfassender karnevalistischer Grundausbildung ab. Es passt auch sonst. Karneval ist Laschet nichts Aufgesetztes. Karneval verbindet Menschen, und Verbindendes ist Laschet auch im politischen Leben wichtig.

Dabei hat Laschet Stehvermögen bewiesen und den Mut, eigene Positionen durchzuhalten. Innerparteiliche Gegner haben ihn als „Türken-Armin“ verspottet, weil er als erster Integrationsminister von NRW liberale ausländerpolitische Positionen vertrat. Andererseits hatte Laschet den Mut, Thilo Sarrazin 2010 gegen Kritik von Kanzlerin Angela Merkel in Schutz zu nehmen, als der Mut, auf die Kanzlerin zu schimpfen, in der CDU noch nicht sonderlich weit verbreitet war. Merkel hatte Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ als „nicht hilfreich“ bezeichnet und später eingeräumt, es nicht gelesen zu haben. Laschet hatte gekontert, es sei „nicht hilfreich“, ein Buch zu verurteilen, das man nicht gelesen habe.

Laschets Spitze gegen Merkel hätte auch böse schiefgehen können. Der CDU-Bundespolitiker Norbert Röttgen gewann 2010 bekanntlich den Zweikampf mit Laschet um den CDU-Parteivorsitz in NRW und wurde der Spitzenkandidat der Christdemokraten für die Landtagswahl 2012. Das war der Punkt, an dem Laschets Karriere auf der Kippe stand. Merkel hätte ihn in der Versenkung verschwinden lassen können. Es kam anders. Bekanntlich fuhr Röttgen, der Intellektuelle aus Berlin, dem man nie wirklich abgekauft hat, Kärrnerarbeit in Düsseldorf leisten zu wollen, 2012 eine grandiose Wahlniederlage ein. Merkel feuerte ihn als Bundesumweltminister. Laschet blieb, was auch damit zusammenhängt, dass Merkel die Fähigkeit hat, an der richtigen Stelle eben nicht nachtragend zu sein. Im Gegenteil: Sie ebnete Laschet den Weg an die Spitze der CDU-Fraktion im Landtag, indem sie den amtierenden Fraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann 2013 als Staatsekretär nach Berlin holte. Die Selbstlähmung der NRW-CDU durch Machtkämpfe hat die Kanzlerin so verhindert. Bekanntlich ist Merkel der Überzeugung, dass Fraktions- und Parteivorsitz in eine Hand gehören, wenn eine Partei erfolgreich sein will.

Aber was heißt das schon. Laschet übernahm, als er 2012 Vorsitzender der NRW-CDU und 2013 Chef der CDU-Landtagsfraktion wurde, eine gedemütigte, verzagte, am Boden liegende Partei. Sie glaubte zudem nicht recht an ihren neuen Spitzenmann: Laschet wurde bei einem Sonderparteitag im Krefelder Königpalast mit nur 80 Prozent zum Parteivorsitzenden gewählt – zog man die Enthaltungen ab, waren es sogar nur 77,6 Prozent, die wirklich für ihn stimmten.

Dazu passte irgendwie, dass es am Rande des Parteitages zu einem Unfall kam: Der Europapolitiker Elmar Brok rammte Laschets Privatwagen. Totalschaden. Das Schicksal ist eben manchmal ein kleiner feixender Drecksack. Man braucht sicher auch Humor, um in so einer Situation Oppositionsführer zu werden. Laschet hat den Crash mit Brok übrigens später als „Wachrüttler“ bezeichnet.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Laschet politische Erfahrungen, wie sie wenige vorweisen können. 1961 geboren; CDU-Politiker seit 1979, 1989 Ratsherr in Aachen (mit 28 Jahren, damals der jüngste Ratsherr Aachens), 1994 Bundestagsabgeordneter, 1999 Europaabgeordneter, 2005 Minister in NRW unter Jürgen Rüttgers, ab 2010 Landtagsabgeordneter in NRW. Laschet schaffte, was ihm keiner zugetraut hatte: Er führte die NRW-CDU zum Sieg gegen Hannelore Kraft und wurde 2017 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Er, der Nette, der Humorvolle, der Unideologische, der manchmal als zu sanft Belächelte, der so oft nur zweiter Sieger war, hat mehr Durchhaltevermögen bewiesen als mancher Lautsprecher. Was Laschet bei Rückschlägen immer geholfen haben mag, ist, dass er jenseits der Politik Kraftzentren hatte. Seine Familie zum Beispiel; Laschet ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er ist überzeugter rheinischer Katholik – und eben auch Karnevalist.

Nun also steht Laschet vor der Beförderung zum Steckenpferdritter. Linksrheinisch-karnevalistisch gesehen: Viel mehr kann er nicht mehr erreichen in seiner Humorausbildung.

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