Wechsel bei der Regionalstelle des Bistums Als Krefelder Rocker dem Papst schrieben

Krefeld · Nach 30 Jahren im Dienst geht Johannes Nienhaus, Öffentlichkeitsreferent der katholischen Regionalstelle Krefeld-Viersen, in Pension. Er hat Heiteres und Ernstes zu erzählen – und kennt den wahren katholischen Schatz der Region.

 Johannes Nienhaus (64, r.), Öffentlichkeitsreferent der Regionalstelle Krefeld-Viersen, geht im Februar in den Ruhestand; sein Nachfolger ist Lars-Erik Nier (34, l.). Nienhaus hat köstliche Anekdoten zu erzählen – unter anderem von dem rätselhaften Brief einer Krefelder Rockergruppe an den Papst im Vatikan.

Johannes Nienhaus (64, r.), Öffentlichkeitsreferent der Regionalstelle Krefeld-Viersen, geht im Februar in den Ruhestand; sein Nachfolger ist Lars-Erik Nier (34, l.). Nienhaus hat köstliche Anekdoten zu erzählen – unter anderem von dem rätselhaften Brief einer Krefelder Rockergruppe an den Papst im Vatikan.

Foto: Jens Voss

Sein lustigstes Erlebnis? Johannes Nienhaus zögert nicht mit der Antwort. Mitte der 90er Jahre erreichte das katholische Regionalbüro in Krefeld ein seltsamer Brief aus dem Vatikan: Eine Rockergruppe aus Krefeld hatte den Papst um eine Audienz gebeten und das aus Rockersicht wohl unfassbar verlockende Angebot gemacht, in voller Montur auf selbstredend hochglanzgewienerten Harley Davidsons zu Ehren von Seiner Heiligkeit eine Runde über den Petersplatz zu donnern. Der Brief ging aus Rom mit der Bitte um Aufklärung an das Krefelder Büro, wo der damalige Regionaldekan Nienhaus zu sich rief: „Er gab mir den Auftrag: Nienhaus, Sie müssen undercover rauskriegen, wer dahintersteckt.“ Nienhaus lacht heute noch herzlich, wenn er den Begriff „undercover“ zitiert.

Die Nase des Dekans trog nicht; der Brief war, wie man heute Facebook-gestählt sagt: Fake. Analog gesprochen: Es war ein Spaß, der Satire-Versuch eines Krefelders, der allerlei solcher Briefe an hohe Stellen schickte, um zu sehen, wie man dort reagiert. Nun, der Papst verpasste den Harley-Davidson-Auftritt.

Nienhaus ist seit 30 Jahren für die Öffentlichkeitsarbeit des Regionalbüros des Bistums Aachen zuständig, das heute Regionalstelle heißt. Im Februar geht er in Pension, zurzeit arbeitet er seinen Nachfolger Lars-Erik Nier ein.

Nienhaus stammt aus Duisburg-Meiderich, hat eine Kaufmannslehre, über den zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht und Sozialarbeit studiert. Die Nähe zur katholischen Kirche wurde ihm quasi in die Wiege gelegt – er kommt aus einem gut katholischen Elternhaus, wobei dazu ein Schuss Herz-Jesu-Marxismus gehörte, jedenfalls wenn man die Leidenschaft für das Gewerkschaftslager so benennen darf. Nienhaus’ Vater war Betriebsratsvorsitzender in einem Konzern, eng befreundet mit dem legendären ÖTV-Boss Heinz Kluncker und dem ebenso legendären Pater Leppich, der in den 50er und 60er Jahren mit wütenden Straßenpredigten berühmt wurde und sich als „Maschinengewehr Gottes“ in die bundesrepublikanische Geschichte einschrieb. „Der dicke Kluncker“, so erinnert sich Nienhaus heute, saß schon mal beim Bier und einer Zigarre in der Küche der Familie; und wenn Vater Nienhaus am Wochenende nicht mit zum Fußballspiel des kleinen Johannes mitkam, war meistens Pater Leppich der Grund. „Mein Vater sagte mir dann: Jung, du musst allein zum Fußballplatz, Pater Leppich predigt und hat mich gebeten zu kommen.“

Die Prägung hielt lebenslang. Johannes Nienhaus war früh als Ehrenamtler in der katholischen Jugendarbeit engagiert, hat für die Caritas Jugendreisen organisiert und begleitet. Seine erste Stelle führte ihn zum BDKJ (Bund der deutschen katholischen Jugend) nach Düsseldorf, wo er sich um den Bereich Jugendreisen kümmerte. 1989 kam er dann nach Krefeld ins damalige Regionalbüro des Bistums.

Die bittersten Monate in seiner Amtszeit fielen in die Zeit Ende 2004, Anfang 2005, als das Bistum bekanntgab, die acht Regionalbüros im Bistum zu schließen und Hunderte Arbeitsstellen abzubauen. „Es gab Proteste, Demonstrationen, Aufruhr und Empörung“, berichtet Nienhaus. Die Gemeinden vor Ort haben den Schnitt auch als dramatischen Verlust von Sachkompetenz erlebt, denn viele Referate verschwanden. Auch Nienhaus entging nur knapp der Entlassung. Übrig blieben vier Regionalstellen mit „Mini-Mannschaften“ (Nienhaus).

Und was war und ist Nienhaus das Wichtigste in Krefeld und der Region? „Viele haupt- und ehrenamtliche Katholiken in Krefeld pflegen ein außerordentliches Maß an Unterstützung für Menschen am Rande der Gesellschaft“, sagt Nienhaus, „das war in all den Jahrzehnten hier unheimlich ausgeprägt. Bei allen Protesten und Konflikten um Reformen im Bistum ist das nie verlorengegangen, und es wird auch nicht verlorengehen“, sagt er fest. Für ihn ist das der wahre Schatz der katholischen Kirche in Krefeld.

Sein Nachfolger Lars-Erik Nier (34) kam ähnlich wie Nienhaus zum beruflichen Engagement in der Kirche: Er stammt aus einem gut katholischen Elternhaus in Osnabrück und hat sich schon früh ehrenamtlich engagiert, beim BDKJ etwa. In Osnabrück absolvierte er dann ein Studium der sozialen Arbeit. Sein Anerkennungsjahr verbrachte er an einer berühmten Institution in Hamburg: dem „Rauhen Haus“. Gegründet wurde es 1833 von einem Mann, der evangelische Kirchengeschichte geschrieben hat: von dem Theologen Johann Hinrich Wichern (1808 –1881). Er gehörte zu den Helden der Inneren Mission: Die Kirche antwortete damit auf die Herausforderungen der Industriellen Revolution und schuf Vorbilder für die moderne Sozialarbeit.

Nier war in Hamburg in der Sozialpsychiatrie tätig; er hat also mit Menschen gearbeitet, denen geholfen wurde, den Weg zurück in ein geordnetes Leben mit festem Tagesablauf und Arbeitsstelle zu finden. Er blieb bei diesem Thema: Seine erste Stelle führte ihn zum DRK nach Düsseldorf, wo er auch die sozialpsychiatrische Arbeit betreute; später war er in der Jugendarbeit der Stadt Dormagen tätig und 2018 in der „AG offene Türen“ in Düsseldorf, die Ansprechpartner für offene Jugendeinrichtungen vom Jugendheim bis zum Abenteuerspielplatz ist.

Nun also wird er für die Regionalstelle Krefeld-Viersen wirken. Auch er möchte, dass jener Schatz der katholischen Kirche wahrgenommen und nicht von Konflikten und Skandalen überdeckt wird.

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