Buntes Treiben auf dem Flachsmarkt Altes Handwerk — neu in Linn

Krefeld · Der Flachsmarkt wirbt jedes Jahr mit neuen Angeboten. 19 Handwerker präsentierten dieses Jahr erstmalig ihr Schaffen auf dem traditionellen Mittelaltermarkt und ergänzten so das ohnehin bunte Programm am Pfingstwochenende.

 Ein von Margit Klammer gravierter Gartenstecker aus Glas. Die Glasveredlermeisterin präsentierte ihr Handwerk auf dem Großen Lindenberg des Flachsmarktes in Linn.

Ein von Margit Klammer gravierter Gartenstecker aus Glas. Die Glasveredlermeisterin präsentierte ihr Handwerk auf dem Großen Lindenberg des Flachsmarktes in Linn.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Es ist oftmals ein Handwerk, weit älter als jeder Besucher – und dennoch haben die meisten es noch nie gesehen. Auf dem Linner Flachsmarkt treten Berufsgruppen in die Öffentlichkeit, die tot geglaubt oder in ihrer Form vom Aussterben bedroht sind. Den engagierten Schaustellern ist es ein Herzenswunsch, den interessierten Besuchern die Kunst hinter ihrem vergessenen Handwerken zu vermitteln.

Mit einer Verbindung von Holzwerken und Musik präsentierten sich Judith Marie Huppertz und Christoph Verstraeten erstmals auf dem Flachsmarkt. Die Aachener Geigenbauer und -restaurierer stellten ihr uraltes Handwerk, welches noch heute vollständige Handarbeit ist, zur Schau. An ihrem Stand versuchten sie ein Verständnis für die Komplexität ihres Schaffens zu vermitteln. „Das macht Spaß, wenn die Leute echtes Interesse zeigen und ich ihre Fragen beantworten kann“, berichtete Huppertz begeistert. Das milde Wetter spielte den Geigenbauern in die Karten: Das Holz müsse sich für den Bau bis zu zehn Jahre akklimatisieren. Daher sei die Verarbeitung teurer Teile auch in einem Zelt unter freiem Himmel unpassend – besonders Hitze und Regen bringen Probleme mit sich. Über das Pfingstwochenende restaurierte das Paar der „Vitula Geigenbauwerkstatt“ ein Tiroler Cello aus dem späten 18. Jahrhundert und begann den Neubau zweier Violinen. Der Geigenbau dauere 150 bis 200 Stunden, erklärte Huppertz. Dabei sei es egal, ob das Endprodukt eine verhältnismäßig teure oder billige, eine große oder kleine Geige sei – der Aufwand bleibe immer gleich. Eine Geige besteht aus 79 Einzelteilen, deren Verarbeitung unterschiedlich kompliziert sei, berichtete sie weiter. Daher seien manche Arbeitsschritte besser für einen Marktstand geeignet als andere. Fehleranfällige Arbeiten wie das Zargen-Biegen oder F-Löcher-Schneiden fielen für die Handwerksvorführung weg. Andere Schritte, bei denen kleine Fehler wieder ausgebessert werden können, zum Beispiel das Schnitzen der Schnecke, seien für die Präsentation besser geeignet, erklärte die erfahrene Geigenbauerin.

Ein paar Stände weiter arbeitete Margit Klammer mit gleicher Feinmotorik an einem zerbrechlichen Material: Die Glasveredlermeisterin gastierte ebenfalls das erste Jahr auf dem Flachsmarkt. Zusammen mit ihrem Mann verkaufte sie an ihrem Stand die in der heimischen Werkstatt geschaffenen Stücke: Gebrauchsgegenstände, veredelt mit Glasgravur. Zu dem breiten Sortiment zählen unter anderem Trinkgläser, Schalen und Teller für den Alltagsgebrauch, sowie Vintagegläser und Gartenstecker für die Außendekoration. Die Glasveredlung sei ein altes und aussterbendes Handwerk, schilderte Thomas Klammer. Die Handarbeit sei sehr filigran. Seine Frau schaffe es, Motive mit unglaublicher Plastizität zu schaffen, berichtete er weiter. Für die Gravur nutze sie oftmals alle drei verschiedenen Schnitträder der Glasveredlung (Kupfer, Stein und Diamant), die jeweils verschiedene Strukturen auf dem Glas ermöglichen.

 Christoph Verstraeten und Judith Marie Huppert restaurierten in Linn ein Cello aus dem späten 18. Jahrhundert.

Christoph Verstraeten und Judith Marie Huppert restaurierten in Linn ein Cello aus dem späten 18. Jahrhundert.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)
 Stuckateurmeister Wieylly Wichers aus den Niederlanden modellierte mit Gips auf der Ritterwiese.

Stuckateurmeister Wieylly Wichers aus den Niederlanden modellierte mit Gips auf der Ritterwiese.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Nicht vergessen, aber heute anders gefordert als früher, ist der Beruf des Stuckateurs. Heutzutage sind Stuckateure primär für den Estrich und den Verputz von Außen- und Innenfassaden verantwortlich. Mit Wim Nijkamp und Wieylly Wichers waren auf dem Flachsmarkt zwei Vertreter der alten Stuckateur-Zunft zu Gast. Mit über 50 Jahren Berufserfahrung blicken die beiden auf die ehemaligen Arbeiten der Stuckateure zurück. Zusammen mit ihren Frauen präsentierten die 71-jährigen Niederländer die geschickte Modellierung mit Gips, sowie das Gießen von Ornamenten aus Silikon. „Wir haben immer Spaß auf diesen Märkten“, berichtete Nijkamp, der aus seinem ehemaligen Beruf ein Hobby für die Pension machte. „Und besonders schön ist, wenn die Leute unsere Arbeit schätzen und verstehen, dass dieses alte Handwerk noch heute seinen Platz hat.“

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