Vorfall in Krefeld Kampfsporterfahrene Frau wehrt Räuber ab

Krefeld · Eine 54-jährige Frau hat in der Sparkasse einen Räuber abgewehrt. Uns berichtet sie, wie es dazu kam – sie hat früher Kampfsport betrieben; die Reflexe saßen noch. Die Polizei empfiehlt die Teilnahme an Selbstbehauptungskursen.

 Das Blaulicht eines Polizeiwagens. (Symbolbild)

Das Blaulicht eines Polizeiwagens. (Symbolbild)

Foto: dpa/Friso Gentsch

Donnerstag, Sparkasse in Krefeld. Die 54-jährige Frau, die wir hier Luise nennen, weil sie anonym bleiben will, verlässt die Sparkasse. In dem Moment rechnet sie noch nicht damit, was ihr wenige Augenblicke später passieren wird: ein Überfall. Es ist viel Betrieb an dem Tag. Sie ist noch keine fünf Meter von der Sparkasse entfernt, da fasst sie jemand von hinten am rechten Oberarm. „Geld her“, sagt eine Männerstimme. Luise reagiert instinktiv: Sie dreht sich um und schreit, so laut sie kann. Der Täter lässt sofort von ihr ab und läuft davon. Luise ist schockiert und zur selben Zeit euphorisch: Sie hat den Täter tatsächlich in die Flucht geschlagen. Ein Gedanke schießt ihr sofort in den Kopf: „Ich kann es noch!“

Sie hat früher 16 Jahre lang Taekwondo gemacht und vor 22 Jahren aufgehört. „Aber in dem Moment haben sich die Jahre Kampfsport ausgezahlt. Ich wusste sofort, wie ich reagieren soll, vollkommen instinktiv. Das war richtig cool.“

Luise hat ein Szenario wie dieses damals beim Training immer und immer wieder durchgespielt. Sechs Jahre lang hat sie selber Jugendliche trainiert. „Ich habe den Kids immer gesagt: Erst Distanz schaffen zum Täter. Weglaufen. Hilfe und Schutz suchen“, berichtet sie. „Und erst wenn gar nichts mehr geht: abwehren und angreifen, wie wir es gelernt haben.“ So weit ist es bei ihr zum Glück nicht gekommen. Das Wichtigste sei es, Passanten auf sich aufmerksam zu machen. „In unserer Gesellschaft ist es zwar leider so, dass die Leute nur gucken und niemals eingreifen würden. Aber das schockiert den Täter schon genug, denn dann gäbe es Zeugen. Das wichtigste ist: Werdet laut!“ Nach dem Übergriff war Luise vor allem begeistert und stolz, dass das Gelernte von früher noch hängen geblieben war. „Später habe ich dann aber natürlich trotzdem weiche Knie bekommen“, sagte sie.

Eine Sparkassenmitarbeiterin, die das Geschehen beobachtet hatte, informierte die Polizei. Luise musste eine Zeugenaussage machen. Zwei Stunden später war der Täter gefasst, er hatte nach dem ersten Überfall noch einen Gemüseladen überfallen wollen. Auch die Verkäuferin dort hatte sich gewehrt. „Der Täter ist zu seinem Pech an zwei sehr streitbare Frauen geraten“, sagt die 54-Jährige lachend.

Luise kann jeder Frau nur empfehlen, auf solche Situationen vorbereitet zu sein. „Dabei muss man nicht zwangsläufig 16 Jahre lang Kampfsport gemacht haben“, findet sie. „Ein bis zwei Jahre oder regelmäßiges Selbstverteidigungstraining reichen auch.“ Besonders toll am Kampfsport sei, dass das Selbstbewusstsein gestärkt werde. Man gewinne ein besseres Körpergefühl und werde fit.

Ute Nöten vom Landeskriminalamt kümmert sich vor allem um die Prävention solcher Übergriffe. Sie sieht die wichtigsten Schritte nicht im Absolvieren eines Selbstverteidigungskurses. „Wir empfehlen eher Selbstbehauptungskurse“, erzählt sie. „Dabei geht es darum, zu lernen, selbstbewusst aufzutreten. Täter suchen sich ihre Opfer vorher nach dem Erscheinungsbild aus, und wenn eine Frau taff aussieht und den Kopf nicht einzieht, wird es womöglich gar nicht erst zu einem körperlichen Übergriff kommen.“ In solchen Kursen sollen sich die Frauen dann selber reflektieren und darüber nachdenken, welche Signale sie aussenden. Wichtig ist aber: Egal, wie die Frau sich präsentiert, schuld ist immer der Täter! In Kombination mit einem solchen Kurs kann ein Selbstverteidigungskurs sinnvoll sein. „Dann ist aber wiederum darauf zu achten, ob der Kurs gut ist“, erklärt Nöthen. „Es gibt leider auch Kurse, die mit der Angst der Menschen Geld verdienen wollen.“ Worauf man bei der Wahl der Kurse achten soll, verrät ein Faltblatt auf der Webseite krefeld.polizei.nrw. „Wir raten zum Beispiel von simulierten Live-Übergriffen im Training ab“, sagt Ute Nöthen. „Die können sehr traumatisierend sein, auch, wenn sie nur simuliert sind. Und dann hat das eher einen schwächenden Effekt als einen stärkenden.“ Ute Nöthen findet es schwierig, das Thema zu verallgemeinern. Es gebe viele Formen der Opfergruppen und Übergriffe – und entsprechend viele verschiedene Möglichkeiten, zu handeln. Wichtig sei, dass sich jeder informiert. „Wir finden es gut, wenn Leute anrufen und Fragen stellen“, erzählt sie. „Zwar kann man nichts mit Sicherheit verhindern, aber wir können es dem Täter schwerer machen!“

„Die Frauen leben selbstbestimmter, wenn sie wissen, was sie zu tun haben“, erzählt Luise. „Sie können dann in so einer Situation sagen: Das will ich nicht. Bis hier und nicht weiter.“ Wer weiß, wie er sich schützen kann, ist vor allem eins, findet Luise: mutig.

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