Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld Reif zur Eröffnung

Krefeld · Es ist vollbracht: Das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld ist mit Kunst eingerichtet: Monet, Picasso, Mondrian, Richter und Schätze aus dem Mittelalter sind auf höchst spannende Weise präsentiert. Samstag ist die Eröffnung.

Das Abenteuer beginnt mit Thomas Ruff. Seine Porträtserie ist das erste, was dem Besucher in der 1. Ausstellungsetage des Kaiser-Wilhelm-Museums in den Blick fällt. Die Fotografien, die Durchschnittsgesichter so groß zeigen, dass jede Pore sichtbar ist, haben in den 1980er Jahren immenses Aufsehen erregt. Aus heutiger Sicht sind sie erstmal wenig aufregend. Es sei denn, man stellt sie in einen neuen Zusammenhang. Zum Beispiel mit den extremen Großformaten von Andreas Gursky, wie Ruff ein Becher-Schüler.

Und beiden gegenüber stehen die Fotografien des Niederländers Bert Teunissen, der quer durch Europa reiste, um Menschen in ihren einfachen, meist stromlosen Wohnungen abzulichten. Getrennt werden beide Bereiche durch Hermann Pitz' "Kammer": Lichtboxen mit Fototransparenten des Stadtbilds von Hannover. Die Vorderseite zeigt die Gegenwart, die Rückseite die zerstörte Stadt im Zweiten Weltkrieg. Vier Künstler der Gegenwart, vier Positionen: Das bietet Stoff, beim Betrachten immer neue Querverbindungen zu ziehen, Gemeinsamkeiten aufzuspüren. Ein Abenteuer, wie es sich Museumsdirektor Martin Hentschel wünscht.

"Das Abenteuer unserer Sammlung I" heißt die Eröffnungsausstellung im neuen KWM. Sie ist Hentschels Abschiedsvorstellung und zeigt in einem großen Aufschlag das Konzept seiner Arbeit in den Krefelder Häusern: Der Dialog von künstlerischen Positionen, die Erstellung neuer Zusammenhänge, die Konfrontation von Kunst hat ihn stets gereizt. In den beiden Museumsetagen erleben alle Sinne stetig neue Abenteuer - wenn sie auf Empfang sind. Eröffnung ist Samstag, 16 Uhr.

14.000 Werke gehören zur Sammlung, darunter etwa 4000 von Rang und Namen, um die andere Häuser Krefeld beneiden könnten. "Bei uns ist jede Künstlerdisziplin vertreten - von Tellern und Tassen der Angewandten Kunst bis zum Video", sagt Hentschel. Weil vier Museumsdirektoren gesammelt und mangels Geldes fast immer nur Einzelwerke erstanden haben, ist die Sammlung breit aufgestellt, und ein Abenteuer für sich.

"Wir zeigen zwei große Wiederentdeckungen", betont der Museums-chef. Er meint die beiden Beuys-Räume - ein unschätzbares Gut, weil Beuys selbst die sieben Werke 1984 zur Gruppe installiert hat - und den wieder freigelegten Thorn-Prikker-Raum mit dem imposanten Wandgemälde der Lebensalter. Ein Werk, das "eigentlich ins MoMA gehört, aber wir haben es", sagt Hentschel über Fabian Marcaccios "The Lynching of Mary Turner" von 2013. Mit Farbwülsten, handgeknüpften Seilen und Plastikteilen hat der in New York lebende Künstler die grausame Hinrichtung einer Schwangeren im Mai 1918 in Georgia dargestellt. "Das desaströs anmutende Patchwork des Gewebes ist das künstlerische Gegenstück zu der Katastrophe, die sich vor den Augen des Betrachters abspielt", sagt Hentschel.

Nur wenige Schritte weiter wird Marcaccios plastischer Umgang mit Farben als roter Faden weitergesponnen von Gerhard Richter (das berühmte 3-Meter-Lack-Gemälde 1024 Farben) und vier kleinen Ölbildern von Piet Mondrian (1926). "Neben dem Monet die teuersten Werke unserer Sammlung", erklärt der Museums-direktor. Monets "Houses of Parliament" hängt in einem Raum mit Arbeiten von Herbert Hamak. Gemeinsames Thema: das Licht. Während Monet (1840-1926) die Stimmung des Sonnenuntergangs mit Farbe auf Leinwand bannte, hat Hamak (geb. 1952) Farbe mit Hilfe von Kunstharz zur Form werden lassen. In einen Block hat er ein Landschaftsbild eingegossen, das ähnlich diffuses Lichtspiel zeigt wie Monet. Klanginstallationen, Videos, politische Arbeiten und Angewandte Kunst aus den ersten zehn Jahren der KWM-Geschichte, die auf Objekte von Michel Sauer (geb. 1949) trifft, die nur vorgeben, Nutzwert zu haben, gilt es zu entdecken; Landschaften von der Niederländischen Schule bis zum Expressionismus, Skulpturen vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert - alles sorgsam restauriert.

Der poetischste Raum umspannt fünf Jahrhunderte: Die deutsch-amerikanische Bildhauerin Kiki Smith (geb.1954) setzt sich intensiv mit dem Marienbild auseinander und übersetzt das christliche Motiv als Symbol der kreativen Frau. Zu den Aluminium-Holz-Skulpturen der Künstlerin hat Hentschel Holzbüsten von Heiligen (um 1520) und Gemälde mit biblischen Motiven kombiniert. Sein Stolz aber ist der Artschwager-Raum. Der 2013 verstorbene Objektkünstler aus USA hatte auf Hentschels Bitte einen Doppelstuhl ("Chairs") gefertigt, Replik eines Objekts von 1964, der zu den drei Artschwager-Wandarbeiten der Sammlung farblich passt.

(RP)
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