Umweltstreit des Jahres Der Kampf um den Surfpark als Lehrstück

Krefeld · Die Diskussionen um den geplanten Surfpark wollten in 2022 nicht abreißen. Dabei wurden die Stimmen der Gegner immer lauter. Ein Überblick.

So soll der geplante  Surfpark am Elfrather See aussehen.

So soll der geplante  Surfpark am Elfrather See aussehen.

Foto: Stadt Krefeld/Global Shots

(vo) Als der Plan bekannt wurde, herrschte Euphorie: Krefeld sollte mit einem Surfpark am Elfrather See ein herausragendes Freizeitangebot im boomenden Surfparkgeschäft  bekommen.  Die Zahlen waren beeindruckend: Ab 2023 sollen 200.000 Sport- und Freizeitbegeisterte jährlich den Surf-Park besuchen. 25 Millionen Euro will der Projektentwickler Elakari aus Monheim  mit Gastronomie, Camping, Naherholung und Events auf 90.000 Quadratmetern Fläche investieren. Die Verwaltung mit Oberbürgermeister Frank Meyer sah ein Infrastrukturprojekt, das den Elfrather See, am Ende Krefeld aufwerten sollte und das die Verwaltung von Anfang an stark unterstützte. Doch die Eurphorie verflog rasch. Mittlerweile herrscht ein zähes Ringen in der Öffentlichkeit um die rechtliche Zulässigkeit und überhaupt die Deutungshoheit über das Projekt: Ist es nun ein infrastruktureller Glücksfall oder eine Klimasünde samt Rechtsbruch gegen die Klimagesetzgebung?

Hauptkritikpunkt der Gegner: Der Surfpark verbrauche zu viel grüne Energie, die für die angestrebte Klimaneutralität der Stadt dringend gebraucht werde; so müsse die Allgemeinheit neue, teure Anstrengungen unternehmen, um noch mehr grüne Energie zu generieren – und zwar für ein relativ teures Freizeitprojekt weniger.

Der Fall zog auch politische Verwerfungen nach sich: Ratsfrau Björna Althoff, die parteilos auf dem Ticket der Grünen in den Rat gekommen war, trat aus der Grünen-Fraktion aus, weil sie das Bündnis mit der SPD, die den Surfpark klar befürwortete, nicht mehr mittragen wollte.

Auch die Befürworter haben sich öffentlich positioniert: Ein breites Bündnis aus Sportvereinen und Kulturinstitutionen sieht den Surfpark als Chance für eine lebendige Entwicklung am Elfrather See mit Impulsen für die Stadt.

Dennoch: Am lautesten getrommelt haben die Gegner. Von einer Unterschriftensammlung (in der sich mehr als 8000 Unterzeichner gegen den Surfpark aussprachen – bei rund 3500 Befürwortern) über Demonstrationen bis hin zum Pakt mit der bundesweit bekannten Klimaanwältin Roda Verheyen (die beim Bundesverfassungsgericht eine schärfere Klimagesetzgebung durchgesetzt hat): Die Gegner erschienen in der Öffentlichkeit als Treiber der Debatte. Und Ratsmitglied Althoff setzte auch im Rat der Verwaltung und der den Surfpark befürwortenden SPD mit Anfragen und Kritik zu. Das Ganze setzte Investor Elakari so zu, dass Geschäftsführer Niedergesäss einen Brief an die befürwortenden Fraktionen im Rat schrieb und fast flehentlich  um mehr öffentliche Unterstützung bat.

So ergab sich ein sehr widersprüchliches Bild:  In der öffentlichen Wahrnehmung waren die Kritiker des Surfparks deutlich präsenter als die Befürworter, faktisch aber haben die Gegner bislang nur Niederlagen eingesteckt und – abgesehen von ihrem Unterschriftensieg und dem Nachweis, dass die Zahl der für den Surfpark zu fällenden Bäumen in den städtische  Gutachten zu niedrig angesetzt war – keinen substanziellen Erfolg  landen können (den Fehler mit den Bäumen führte die Stadt auf einen Übertragungsfehler zurück; er wurde bereinigt und hat keinen Enfluss auf das Verfahren). Die Mehrheit im Rat für das Projekt ist bislang groß, und zuletzt hat die Bezirksregierung Düsseldorf eine Mängelrüge der Planung zurückgewiesen, die Althoff und andere gefordert hatten. Düsseldorf sah keine Mängel des Abwägungsvorgangs und Verletzungen der Vorschriften.

Es gibt Kritiker, die die Präsenz der Surfpark-Gegner als Medienversagen deuten: Die Gegner würden hochgeschrieben, die Befürworter kämen kaum vor. Dieser Vorwurf unterschätzt die Schwellensituation, in der wir uns befinden. Auch wenn die Gegner bisher nur den Wettlauf um Unterschriften gewonnen haben, hat sich die juristische Großwetterlage mit dem Spruch des Verfassungsgerichts doch geändert.  Die Frage ist, ob die alte Abwägungspraxis von Umweltbelangen nicht geändert werden muss. Die große Frage ist allerdings, ob die Verbindung zwischen Bundesverfassungsgericht und kommunalem Planungshandeln jetzt schon  juristisch greift. Und es gibt eine große Anfrage an die Logik der Surfpark-Gegner, die ja besagt: Wenn eine Kommune ein Großprojekt stützt, muss die Kommune in ihrer kommunalen Bilanz für den CO2-Ausgleich  sorgen. Mit dieser Logik stünde jedes größere Projekt auf der Kippe, auch dann, wenn man Allgemeinheitsinteressen zum Hauptkriterium macht – nach dem Motto: Ein Krankenhaus darf gebaut werden, ein Surfpark nicht. Dieses Feld ist juristisch noch völlig unbeackert. Wenn es Verheyen gelingt, hier Bewegung zu erzwingen, ist das der Auftakt für eine neue rechtlich Beurteilungspraxis für Deutschland. Darum ist dieser Kampf um den Surfpark so bedeutsam. Wir werden ihn auch 2023  verfolgen.

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