Jahresbilanz 2022 in Krefeld vorgestellt Die Milchwirtschaft steht am Scheideweg

Krefeld · Gerade bei Trinkmilch werden im Lebensmit­teleinzelhandel die Marktanteile der Ersatzprodukte wie Soja-, Man­del- oder Hafermilch immer größer. Gestiegene Roh­stoff- und Energiepreise sorgen zusätzlich für erhöh­ten Kostendruck.

 Milchwirtschaft auf Gut Steuwen in Hüls: In Krefeld gibt es derzeit 943 Kühe in nur sieben Betrieben.

Milchwirtschaft auf Gut Steuwen in Hüls: In Krefeld gibt es derzeit 943 Kühe in nur sieben Betrieben.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die Milchwirtschaft in NRW sieht sich trotz deutlich gestiegener Preise nicht nur für Verbraucher, sondern auch für die Erzeuger im Jahr 2023 weiter schweren Zeiten gegenüber. Das betonten alle Betei­ligten auf der Jahrespressekonfe­renz des Verbandes der Milchwirt­schaft, die dieser in seiner Zentrale in Krefeld ab­hielt. „Dass trotz der sehr günsti­gen Preisentwicklung auf weitgehend deutlich über 50, Ende des Jahres gar über 60 Cent pro Liter auch für konventionelle Milch die Zahl der Betriebe in NRW im Trend der ver­gangenen Jahre zurückgegangen ist, ist alarmierend. Wenn die Preise wieder fallen, womit zu rechnen ist, wenn auch nicht auf das Niveau von vor ein, zwei Jahren, dann könnte sich dieser Trend noch verstärken“, fürchtet Rudolf Schmidt, Geschäftsführer des Verbands.

Insgesamt sei die Milchwirtschaft von verschiedenen Faktoren bedroht: Einerseits sorgen gestiegene Roh­stoff- und Energiepreise für erhöh­ten Kostendruck. Weiterhin werden gerade bei Trinkmilch im Lebensmit­teleinzelhandel die Marktanteile der Ersatzprodukte wie Soja-, Man­del- oder Hafermilch immer größer. Im Jahr 2022 erreichte der Absatz dieser Produkte rund 270 Millionen Liter und damit fast so viel wie Bio-Trinkmilch mit rund 320 Millio­nen Liter. Die Kurven laufen stark aufeinander zu. Und schließlich sorgten zunehmende Diskussionen über Haltungsbedingungen, Tierwohl­label und Inflation für Verunsiche­rung der Verbraucher und damit Ab­satzprobleme.

30 Prozent der erzeugten Milch werden indus­triell verarbeitet.

30 Prozent der erzeugten Milch werden indus­triell verarbeitet.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Das würde eine weitere Kontraktion der Zahl der Höfe bedingen. „Wir liegen jetzt schon bei einer Hof­größe von knapp 80 Tieren im Schnitt in NRW“, sagt Schmidt. Dabei gibt es aber große regionale Unterschiede, wie die Zahlen des Verbands bestätigen. Während in NRW gut 380.000 Milchkühe in 4985 Un­ternehmen leben (rund 78 Tiere pro Hof), sind es im Regierungsbe­zirk Düsseldorf 101.120 Rinder auf 926 Höfen (109) und in Krefeld gar 943 Kühe in nur sieben Betrieben. Das macht ganze 135 Tiere pro Be­trieb. Hier ist die Kontraktion des Marktes, die NRW-weit noch zu er­warten ist, also bereits voll ange­kommen.

Ob diese Art der Tierhaltung ein Zukunftsmodell sein kann, da herrscht im Verband Uneinigkeit. Während Schmidt davon ausgeht, dass die sinkenden Preisunterschiede zwischen konventioneller und Bio­milch dazu führen könnten, dass mehr Unternehmen wieder auf konventio­nelle Erzeugung umschwenken, sieht der Rheinische Vorsitzende der Lan­desvereinigung eher eine gegentei­lige Entwicklung. „Wir sehen, dass die Milchimitate immer mehr ver­kauft werden. Die hohen Preise der­zeit, die diese Produkte kaum mit­gemacht haben, verstärken diesen Trend. Aber echte Milch ist immer das Premiumprodukt und als solches werden wir immer unsere Berechti­gung haben“, ist er überzeugt. Ob sich ein solcher Trend hin zum Pre­miumprodukt mit einer vermehrten Erzeugung in Massentierhaltung und schlechteren Haltungsformen verein­baren lässt, darf dabei durchaus bezweifelt werden.

 Geschäftsführer der NRW-Milchwirtschaft Rudolf Schmidt, die Vorsitzenden Benedikt Langmeyer und Hans Stöcker mit Sprecher Frank Maurer (v.l.)

Geschäftsführer der NRW-Milchwirtschaft Rudolf Schmidt, die Vorsitzenden Benedikt Langmeyer und Hans Stöcker mit Sprecher Frank Maurer (v.l.)

Foto: Sven Schalljo

Allerdings, so gibt Stöckers Kolle­ge für Westfalen, Benedikt Langmey­er, zu bedenken, sei der deutsche Markt nicht alles. „30 Prozent der erzeugten Milch gehen in die Indus­trie. Ein weiterer großer Anteil in den Export. In vielen anderen Län­dern ist die Ernährungslage aber ganz anders als hier. Dort liegt der Fokus vor allem darauf, eine ausreichende Versorgung herzustel­len und da bietet Milch ein sehr hochwertiges Nahrungsmittel“, be­tont er.

Milchalternativen könnten in der Zukunft immer besser werden. „Ich bin überzeugt, dass man in einigen Jahren Milcheiweiß in Bioreaktoren ziemlich genau nachbauen kann. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Milch immer Substanzen erhalten wird, die wir nicht nachbauen kön­nen. Milch ist gesund und wird ein besonderes und hochwertiges Produkt bleiben“, betont Stöcker.

Weltweit sei die Produktion relativ konstant. „Hatten wir vor einigen Jahren noch hohe Steigerungsraten in Neuseeland oder Australien, sehen wir nun konstante Werte“, sagt Schmidt. Die Herausforderung für die Branche blieben aber auch in Zukunft hoch.

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