Jahresbilanz 2022 in Krefeld vorgestellt Die Milchwirtschaft steht am Scheideweg
Krefeld · Gerade bei Trinkmilch werden im Lebensmitteleinzelhandel die Marktanteile der Ersatzprodukte wie Soja-, Mandel- oder Hafermilch immer größer. Gestiegene Rohstoff- und Energiepreise sorgen zusätzlich für erhöhten Kostendruck.
Die Milchwirtschaft in NRW sieht sich trotz deutlich gestiegener Preise nicht nur für Verbraucher, sondern auch für die Erzeuger im Jahr 2023 weiter schweren Zeiten gegenüber. Das betonten alle Beteiligten auf der Jahrespressekonferenz des Verbandes der Milchwirtschaft, die dieser in seiner Zentrale in Krefeld abhielt. „Dass trotz der sehr günstigen Preisentwicklung auf weitgehend deutlich über 50, Ende des Jahres gar über 60 Cent pro Liter auch für konventionelle Milch die Zahl der Betriebe in NRW im Trend der vergangenen Jahre zurückgegangen ist, ist alarmierend. Wenn die Preise wieder fallen, womit zu rechnen ist, wenn auch nicht auf das Niveau von vor ein, zwei Jahren, dann könnte sich dieser Trend noch verstärken“, fürchtet Rudolf Schmidt, Geschäftsführer des Verbands.
Insgesamt sei die Milchwirtschaft von verschiedenen Faktoren bedroht: Einerseits sorgen gestiegene Rohstoff- und Energiepreise für erhöhten Kostendruck. Weiterhin werden gerade bei Trinkmilch im Lebensmitteleinzelhandel die Marktanteile der Ersatzprodukte wie Soja-, Mandel- oder Hafermilch immer größer. Im Jahr 2022 erreichte der Absatz dieser Produkte rund 270 Millionen Liter und damit fast so viel wie Bio-Trinkmilch mit rund 320 Millionen Liter. Die Kurven laufen stark aufeinander zu. Und schließlich sorgten zunehmende Diskussionen über Haltungsbedingungen, Tierwohllabel und Inflation für Verunsicherung der Verbraucher und damit Absatzprobleme.
Das würde eine weitere Kontraktion der Zahl der Höfe bedingen. „Wir liegen jetzt schon bei einer Hofgröße von knapp 80 Tieren im Schnitt in NRW“, sagt Schmidt. Dabei gibt es aber große regionale Unterschiede, wie die Zahlen des Verbands bestätigen. Während in NRW gut 380.000 Milchkühe in 4985 Unternehmen leben (rund 78 Tiere pro Hof), sind es im Regierungsbezirk Düsseldorf 101.120 Rinder auf 926 Höfen (109) und in Krefeld gar 943 Kühe in nur sieben Betrieben. Das macht ganze 135 Tiere pro Betrieb. Hier ist die Kontraktion des Marktes, die NRW-weit noch zu erwarten ist, also bereits voll angekommen.
Ob diese Art der Tierhaltung ein Zukunftsmodell sein kann, da herrscht im Verband Uneinigkeit. Während Schmidt davon ausgeht, dass die sinkenden Preisunterschiede zwischen konventioneller und Biomilch dazu führen könnten, dass mehr Unternehmen wieder auf konventionelle Erzeugung umschwenken, sieht der Rheinische Vorsitzende der Landesvereinigung eher eine gegenteilige Entwicklung. „Wir sehen, dass die Milchimitate immer mehr verkauft werden. Die hohen Preise derzeit, die diese Produkte kaum mitgemacht haben, verstärken diesen Trend. Aber echte Milch ist immer das Premiumprodukt und als solches werden wir immer unsere Berechtigung haben“, ist er überzeugt. Ob sich ein solcher Trend hin zum Premiumprodukt mit einer vermehrten Erzeugung in Massentierhaltung und schlechteren Haltungsformen vereinbaren lässt, darf dabei durchaus bezweifelt werden.
Allerdings, so gibt Stöckers Kollege für Westfalen, Benedikt Langmeyer, zu bedenken, sei der deutsche Markt nicht alles. „30 Prozent der erzeugten Milch gehen in die Industrie. Ein weiterer großer Anteil in den Export. In vielen anderen Ländern ist die Ernährungslage aber ganz anders als hier. Dort liegt der Fokus vor allem darauf, eine ausreichende Versorgung herzustellen und da bietet Milch ein sehr hochwertiges Nahrungsmittel“, betont er.
Milchalternativen könnten in der Zukunft immer besser werden. „Ich bin überzeugt, dass man in einigen Jahren Milcheiweiß in Bioreaktoren ziemlich genau nachbauen kann. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Milch immer Substanzen erhalten wird, die wir nicht nachbauen können. Milch ist gesund und wird ein besonderes und hochwertiges Produkt bleiben“, betont Stöcker.
Weltweit sei die Produktion relativ konstant. „Hatten wir vor einigen Jahren noch hohe Steigerungsraten in Neuseeland oder Australien, sehen wir nun konstante Werte“, sagt Schmidt. Die Herausforderung für die Branche blieben aber auch in Zukunft hoch.