Nach dem Großbrand in Krefeld "Ist der Rauch nun giftig oder nicht?"

Krefeld/Duisburg · Nach dem Großbrand in der Krefelder Lagerhalle für Düngemittel können die Behörden immer noch nicht mit Gewissheit sagen, ob die Rauchwolke unschädlich für die Gesundheit ist. Die betroffenen Anwohner in Duisburg sind deswegen beunruhigt. Die Landwirte warnen vor einer Panikmache.

 Diese Aufnahme zeigt den Brandort aus der Luft: Die Lagerhalle des Düngemittelherstellers ist komplett niedergebrannt.

Diese Aufnahme zeigt den Brandort aus der Luft: Die Lagerhalle des Düngemittelherstellers ist komplett niedergebrannt.

Foto: Stadt Krefeld

Was kann ich denn für Sie tun, fragt Hermann Blomenkamp die junge Frau, die gerade mit ihrem schwarzen BMW auf seinen Hof in Duisburg-Serm gebraust ist. Bevor sie etwas sagen kann, ruft der 52 Jahre alte Landwirt ihr schon zu, sie solle einfach mitkommen.

Die beiden verschwinden in einer Lagerhalle, mit einem Kürbis in der Hand kommt die Frau wenig später zurück. Auf dem Hof warten bereits weitere Kunden auf frisches Gemüse. "Heute ist die Hölle los", sagt Blomenkamp. Dabei liegen seine Anbauflächen nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt vom Krefelder Hafen, wo am Dienstagmorgen die Lagerstätte für Düngemittel abgebrannt ist.

Die Bezirksregierung Düsseldorf rät wegen der gigantischen Rauchwolke, die in der Folge über den Niederrhein und das Ruhrgebiet hinweggezogen ist und auch Donnerstag noch nicht vollständig abgezogen war, vom Verzehr von Obst und Gemüse aus Gärten und Feldern in der Umgebung ab. Panikmache nennen Blomenkamp und die anderen Landwirte im südlichsten Zipfel von Duisburg diese Warnung. Er habe, sagt Blomenkamp, bei der Stadt Duisburg angerufen und angeboten, Proben an seinem Gemüse nehmen zu lassen. "Die Stadt sagte mir aber, dass sei nicht nötig, bei mir sei alles in Ordnung."

Die Luft riecht seltsam verbrannt

Von Normalität ist am Donnerstag, dem dritten Tag nach dem verheerenden Brand in Krefeld und Duisburg, nicht viel zu spüren gewesen. Über den betroffenen Stadtteilen hängt nach wie vor eine Nebelglocke, die Luft riecht verbrannt und seltsam süßlich, im Westen und Süden von Duisburg sind die Schulen und Kindergärten geschlossen, aus Sicherheitsgründen.

Man weiß immer noch nicht genau, ob der Qualm nicht doch schädlich für die Gesundheit sein könnte. Immerhin scheint die Ursache für das Feuer gefunden zu sein. Ein technischer Defekt an einem Förderband habe mit "hoher Wahrscheinlichkeit" den Großbrand ausgelöst, sagt die Polizei. Das habe die Auswertung von Fotos ergeben, die eine Drohne in der ausgebrannten Lagerhalle gemacht habe, sagen die Ermittler.

Miriam Becker schiebt ihren Kinderwagen am Nachmittag durch Mündelheim, der am Schlimmsten von der Rauchwolke betroffenen Ortschaft in Duisburg. Den Kinderwagen hat die junge Mutter vorsorglich mit einer durchsichtigen Schutzhülle überzogen, damit ihre bald einjährige Tochter Maja die stickige Luft nicht ganz so stark abbekommt. Sie selbst hält sich ein weißes Taschentuch vor Nase und Mund. Ihr Rachen kratze, sagt sie. Und Husten hätte sie auch, wegen der Rauchwolke. "Seitdem habe ich die Beschwerden."

Heute will sie zum Arzt gehen, wegen ihrer Tochter sei sie dazu vorher nicht gekommen. Als sie das sagt, ruft eine ältere Frau aus einem geöffneten Fenster auf der anderen Straßenseite ihren Namen. "Frau Becker, weiß man jetzt schon mehr? Ist der Rauch nun giftig oder nicht?" Miriam Becker zuckt mit den Schultern. Nein, sie weiß auch nichts Neues.

Es ist diese Ungewissheit, die die betroffenen Anwohner belastet. Sie wollen endlich Klarheit haben. Einige meinen bereits, dass sie von den Behörden bewusst im Unklaren gehalten werden. "Die sagen uns bestimmt nicht die Wahrheit, das ist doch immer so, das kennt man doch", meint etwa Patrizia Langer (47), die in der Gärtnerei am Zentralfriedhof in Rheinhausen Blumengestecke bindet.

Das Geschäft liegt nicht weit weg vom Brandort. "Die Rauchwolke zog direkt über unsere Köpfe weg", sagt die Gärtnerin. Das sei apokalyptisch gewesen. Wer das miterlebt habe, sagt sie, könne nicht glauben, dass der Rauch ungiftig sei.

Landwirt Hermann Blomenkamp verlässt sich in diesen Tagen auf seinen Wetterhahn, der auf dem Dach seiner Lagerhalle montiert ist. Zeigt er nach Süden, ist alles in Ordnung. Schwenkt der Metallgockel nach Westen, droht die Wolke auf seine Felder zu wehen. "Bislang hat der Hahn seine Arbeit gut gemacht, er deutet stets nach Süden", sagt Blomenkamp, der auf seinem Hof jegliche Sorten an Gemüse anbaut.

Der 52-Jährige überprüft gerade seine Tomatenbestände, als seine Tochter aufgeregt zu ihm gerannt kommt: "Papa, Papa, der Hahn zeigt jetzt ein bisschen Richtung Westen, die Wolke kommt." Blomenkamp blickt auf das Dach seiner Lagerhalle. Tatsächlich zeigt der Gockel nach Süden, aber nur kurz. "Auf ihn ist eben Verlass."

(top/csr/rm/jco)
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