Krefeld Ist der Flachsmarkt in der Krise?

Krefeld · Der Vorsitzende der Linner Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt, Alexander Raitz von Frentz, spricht über das Image der Traditionsveranstaltung, die Entwicklung der Besucherzahlen und die finanziellen Auswirkungen für seinen Verein.

Flachsmarkt 2013: Viel Spaß, wenige Besucher
32 Bilder

Flachsmarkt 2013: Viel Spaß, wenige Besucher

32 Bilder

Herr Raitz von Frentz, nur 40.000 Besucher kamen in diesem Jahr zum Flachsmarkt. Die Polizei hatte im Vorfeld mitgeteilt, dass Veranstalter und Polizei mit 100.000 Besuchern rechnen. Ist der Flachsmarkt in der Besucherkrise?

Alexander Raitz von Frentz Das sind Zahlen der Polizei, mit denen wir nicht kalkulieren. Schon genehmigungstechnisch wäre das ein Problem, weil wir immer nur 24.000 Personen auf das Gelände lassen dürfen. Wir erreichen bei 50.000 Besuchern unser Ziel. Wir liegen zwar mit 40.000 Besuchern in diesem Jahr weit darunter, aber bei weitem nicht so schlecht. In guten Jahren hatten wir mal 60 000 Besucher, einmal sogar 70.000. Eine Flachsmarkt-Krise gibt es jetzt aber nicht.

Bringt dieses Besucherergebnis die Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt in finanzielle Schwierigkeiten?

Raitz von Frentz Zu Zahlen kann ich jetzt noch nichts sagen, das müssen wir sehen. Wir müssen noch einige größere Rechnungen begleichen. Ich bin aber nicht besorgt.

Schon im vergangenen Jahr war der Flachsmarkt nicht so gut besucht. Woran liegt es?

Raitz von Frentz Unsere Veranstaltung ist einfach extrem wetterabhängig; außer dem Innenbereich der Burg und einem Zelt findet alles draußen statt. Das Wetter war zwar in diesem Jahr besser als vorausgesagt; am Sonntag hatten wir mit 24.000 Besuchern einen sehr guten Besucherschnitt. Allerdings war der Himmel sowohl am Samstagmorgen als auch am Montagmorgen zuerst bedeckt; erst später wurde es schön. Besonders Leute, die von weither nach Linn kommen müssen und morgens aus dem Fenster gesehen haben, werden von einem Besuch abgesehen haben. Das hat man an beiden Tagen gemerkt.

Der Flachsmarkt hat im weiten Umland immer noch den Ruf, eine Massenveranstaltung zu sein, zu der Hunderttausende von Besuchern kommen. Leiden Sie unter diesem Image?

Raitz von Frentz Situationen wie in den Neunzigern, in denen es hier tatsächlich brechend voll war, haben wir längst nicht mehr. Das können wir auch belegen: Vor zwei Jahren haben wir Luftbilder zur besucherintensivsten Zeit machen lassen. Da sieht man, dass sich die Besucher gut über das Gelände verteilen. Natürlich stehen vor den Handwerkerständen manchmal Menschenmengen. Aber generell verteilen sich die Besucher über unser weitläufiges Gelände sehr gut.

Wie zählen Sie die Besucher eigentlich, messen Sie allein die verkauften Karten?

Raitz von Frentz Genehmigungstechnisch sind wir gezwungen, an bestimmten Stellen per Zähler den Besucherstrom zu messen, um nicht zu viele Leute auf das Gelände zu lassen. So können wir auch die Besucherzahl der einzelnen Tage feststellen.

Wie fällt denn das erste Feedback der Handwerker aus?

Raitz von Frentz Die haben natürlich die schwächere Besucherzahl auch gemerkt. Viele zeigten sich aber auch begeistert davon, dass sie mit Besuchern intensiver über ihr Handwerk sprechen konnten. Den meisten Handwerkern hat es, so haben es meine Gespräche ergeben, gut gefallen.

Die Handwerker müssen doch Standgebühren zahlen; gab es keine Enttäuschung über ausgebliebene Umsätze?

Raitz von Frentz Unsere Struktur ist ja nicht so, dass jeder Handwerker zahlt; wir machen ja keinen Trödelmarkt mit Standmetern. Es gibt bei uns einerseits Handwerker, denen wir Geld zahlen, weil sie ein Handwerk zeigen, für das es heute keine Käufer mehr gibt. Die Sensenhersteller zum Beispiel, die zu uns kommen, erhalten von uns eine Gage — die verkaufen ja heute keine Sensen mehr. Auch die Waschfrauen aus dem Emsland, die Kindern zeigen, wie vor 100 Jahren Kleidung gereinigt wurde, erhalten von uns Geld. Kunsthandwerker, die ihre Ware verkaufen, müssen Standgebühren zahlen. Der Flachsmarkt soll niemals eine reine Verkaufsveranstaltung werden. Wir verpflichten also die Handwerker, den Produktionsprozess zu demonstrieren. Dies erfordert mehr Personal, mindestens zwei Personen an einem Stand. Wir können deshalb auch keine so hohen Standgebühren nehmen.

Sorgen Sie eigentlich für einen Wechsel der Handwerker, dass für die Besucher, die in diesem Jahr da waren, auch im kommenden Jahr Neues zu entdecken ist?

Raitz von Frentz Wir haben eine natürliche Fluktuation von 15 Prozent — außerdem entwickeln sich auch die Handwerker, die zu uns kommen, weiter; mit neuen Produktionen, neuen Techniken, neuen Ideen. Also gibt es in jedem Jahr viele neue Dinge zu entdecken.

Was hat in diesem Jahr organisatorisch besonders gut geklappt, was weniger?

Raitz von Frentz Gut funktioniert seit Jahren die Zusammenarbeit mit Stadtverwaltung, Ehrenamtlern und den Rettungsdiensten. Ein langjähriger Wunsch ist es, mehr Besucher in die Burg zu bringen. Das ist aber genehmigungstechnisch ein Problem. Mehr als 300 Leute dürfen aus Brandschutzgründen nicht hinein. Die Handwerker, die oben in der Burg ausstellen, merken das. Sie haben deshalb weniger Besucher als die an anderen Ständen. Ich verstehe aber, dass die Auflagen so sinnvoll und nötig sind.

Ist es für Sie ein Risiko, den besucherintensiven Flachsmarkt mit den heutigen Sicherheitsauflagen noch zu veranstalten?

Raitz von Frentz Natürlich sind die Auflagen gestiegen. Man muss sehen: Die Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt ist ein gemeinnütziger Verein. Mit den Erlösen dieses Marktes ist vieles in Linn verschönert worden: Jüngst haben wir das Kurfürsten-Denkmal aufgestellt. In früheren Jahren ist die Brücke der Burg Linn saniert worden. Alle beteiligten Vereine machen also zusammen was für ihren Stadtteil. Diesen Geist und die gemeinnützige Funktion will ich weiter erhalten.

Sie sind in diesem Jahr erstmals Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt, folgen ihrem Vater Helmer. Wie fällt Ihre Bilanz des ersten Jahres aus?

Raitz von Frentz Schon in den vergangenen Jahren habe ich ja mitgemacht — als Vorsitzender hat man aber noch einmal andere Funktionen und vertritt den Flachsmarkt in der Öffentlichkeit. Eigentlich bin ich beruflich in der IT-Branche unterwegs, arbeite für ein IT-Unternehmen in Oberhausen. Für eineinhalb Wochen habe ich jetzt im Urlaub den Schreibtisch gegen das Burgambiente am Flachsmarkt getauscht. Kein Kunde, der per Handy angerufen hat. Das war eine gute Erfahrung.

SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP/ac)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort