Internationale Tanzmesse Getanzte Poesie und eine explosive Reise

Krefeld · Zum ersten Mal ist Chile bei der internationalen Tanzmesse dabei. Die Kompanie Cia. Pe Mellado Danza zeigt mit „La Bailarina“ eine Hommage an die Dichterin Gabriela Mistral.

 Die chilenische Kompanie führte „La Bailarina“ auf. Das Stück ist eine Hommage an die chilenische Dichterin Gabriela Mistral, die 1945 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Die chilenische Kompanie führte „La Bailarina“ auf. Das Stück ist eine Hommage an die chilenische Dichterin Gabriela Mistral, die 1945 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Foto: Renato Mangolin

Es ist der zweite Tag der Internationalen Tanzmesse NRW. In der Fabrik Heeder herrscht reges Treiben vor dem Eingang der Studiobühne. Managerin Mariangela Ortiz der Kompanie spricht zu den Besuchern. Ihre Kompanie, Cia. Pe Mellado Danza aus Chile, freue sich, zum ersten Mal dabei zu sein, Fragen zum Stück beantworte sie gerne per E-Mail. Das Programm aus Performances, offenen Studios und Diskussionen ist voll in diesen drei Tagen Tanzmesse. Am liebsten wäre man an drei Orten gleichzeitig. Lateinamerika ist vier Mal vertreten: Mexiko, Peru, Uruguay und Chile. Die Tanzmesse noch internationaler zu machen lautete ein Versprechen des künstlerischen Leiters, Dieter Jaenicke. Dank einer Förderung durch die Kunststiftung NRW konnte Jaenicke sein Versprechen einlösen und Künstler aus Afrika und Südamerika einladen, die es aus eigenen finanziellen Mittel nicht hierher geschafft hätten.

Gespannt blickt das Publikum auf die acht Tänzer (sechs Frauen und zwei Männer), die auf der Studiobühne stehen. Sie stehen erhöht auf Tischen, tragen lange Wollröcke und enge Jackets, diese Kleidungsstücke sind der Garderobe Gabriela Mistrals nachempfunden, darunter tragen die Frauen schwarze BHs, die Männer zeigen ihre nackte Brust. Im Dunklen scheint einer dem anderen zu gleichen. Der Spot fällt auf eine Tänzerin, langsam bewegt sie sich in ihrem schweren Rock, ihre Arme und Beine wirken fremdgesteuert. Einzelne Wörter tönen aus den Lautsprechern - sie beginnen alle auf r: roto (kaputt), rastra (Egge), rapido (schnell) - in langer Wiederholungsschleife spricht die Stimme schnell und klar. Die anderen Tänzer beginnen sich ebenfalls im Rhythmus der Worte und Geräusche zu bewegen, sie springen von Tisch zu Tisch, kriechen darunter. Was oder wen suchen Sie? Vor wem oder was fliehen Sie? Wer oder was gibt Ihnen Schutz? Mal tanzen sie allein, mal zu zweit oder dritt, immer in Begleitung der Wörter von Gabriela Mistral.

Choreographin Paulina Mellado, ebenfalls als Tänzerin auf der Bühne, ließ sich von den Gedichten, vor allem von ‘La Bailarina‘, der chilenischen Lyrikerin inspirieren. Sie selbst benannte sich nach dem heftigen Mittelmeerwind, zeitlebens fühlte sie sich von den Kräften der Natur angezogen. Gabriela Mistrals (1889-1957) Gedichte handeln von Themen wie Liebe, Tod und Hoffnung. Den Künstlern gelingt es, diesen besonderen Sog von Mistrals Sprache auf die Bühne zu bringen. Mal korrespondiert der Tanz mit den Wörtern, mal machen die Tänzer genau das Gegenteil und bilden so einen wunderbaren Kontrast zum gesprochenen Wort. Die schauspielerischen Momente sind zahlreich und bieten dem Publikum ein leidenschaftliches Spiel. Schnell ist der Betrachter mittendrin, im mitreißenden Soundteppich aus digitalen Klängen, Stimmen und Geräuschen. Die Kompanie begibt sich mit ihrem Stück auf ein spannendes Themenfeld und fragt nach dem Weiterleben von Lyrik im zeitgenössischen Tanz.

Zukunftsvisionen, Utopien, Ideologien, und kulturelles Erbe haben die Kompanie Mouvoir von Stephanie Thiersch aus Köln am zweiten Teil des Festivalabends in Krefeld beschäftigt. Ihre Arbeit trägt den Titel ‘Chombotrope‘ und versteht sich als „surreales Fashion-Konzert“. Die Zusammenarbeit mit dem Jitta Kollektiv, ein Bund aus afrikanischen und europäischen Künstlern machen ‘Chombotrope‘ zu einem lauten, cross-medialen Gesamtkunstwerk, das vor Ideen zu explodieren scheint. Die Bühne wird zum Laufsteg, an der Stirnseite befinden sich die Musiker (Schlagzeuger, Drummerin, DJ, Rapper) und die Tänzer. Ihre heiteren und hübschen Kostüme sind aus Plastikmüll gefertigt, Schläuche, Schnüre und Haken ranken aus ihren Körpern heraus. Wer sich ihnen nähert, begibt sich in Gefahr. Und so bleibt das Publikum während der 60minütigen energiegeladenen und streckenweise sehr sperrigen Performance spürbar auf Distanz. Es sind viele schnell geschnittene Szenen durch die Stephanie Thiersch (ebenfalls auf der Bühne) mit ihren Künstlern fliegt. Beeindruckend ist die Vielseitigkeit der Tanzstile, die ‘Chombotrope‘ zu bieten hat. Vor einer schrillen und lärmenden Kulisse treffen urbane Tanzrichtungen wie Voguing, eine Art Workout auf High Heels, auf klare, zeitgenössische Tanzsprache und wunderbaren live Gesang (Marie Zoe).

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