Pflegenotstand in Krefeld Pflegedienstinhaber schlägt Alarm

Krefeld · Stefan Kaepernick ist Inhaber des „Pflegeteam Krefeld“. Der Mangel an Fachkräften besorgt ihn. Es sei kaum noch möglich, qualifiziere Bewerber zu finden. In der Folge könne die Pflege bald nicht mehr gewährleistet werden.

 Pflegedienstinhaber Stefan Kaepernick sorgt sich um die Zukunft der Pflege nicht nur in Krefeld.

Pflegedienstinhaber Stefan Kaepernick sorgt sich um die Zukunft der Pflege nicht nur in Krefeld.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die Zukunft der Pflege in Krefeld ist ernstlich bedroht. Davon ist Stefan Kaepernick, Inhaber des ambulanten Pflegedienstes „Pflegeteam Krefeld“ überzeugt. Grund für diese Einschätzung ist der sich immer mehr verschärfende Fachkräftemangel. „Wir haben derzeit eine hochbrisante Situation. Einerseits wird der Pflegeberuf weithin als einer angesehen, den Menschen ergreifen können und müssen, die in anderen Bereichen keine Chancen haben. Doch das könnte kaum falscher sein. Die Anforderungen sind enorm. Nicht nur psychisch und physisch. Auch die Ausbildung und die Prüfungen sind komplex. Darum brauchen wir hochqualifizierte Bewerber“, beschreibt der Inhaber des Unternehmens mit einem guten Dutzend Angestellten.

Das zweite Problem sind laut seiner Aussage die extrem geringen Leistungssätze der Kassen. „Ich bin eigentlich überzeugt, dass ein Angestellter in diesem Bereich mindestens 3.300 Euro monatlich verdienen müsste. Aber das ist mit den derzeitigen Kassensätzen nicht darstellbar. Darum ist es heute fast unmöglich, neue Mitarbeiter zu bekommen. Entsprechend groß sind die Anstrengungen, die bestehenden Mitarbeiter zu halten. Wir tun, was wir können, um eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. So hatte zum Beispiel gut die Hälfte des Teams über Weihnachten frei, obwohl wir eigentlich extrem viel zu tun hatten“, sagt er. Doch der Wettbewerb um die wenigen qualifizierten Fachkräfte sei groß.

Verschärft werde dies durch eine neue Ausbildungsordnung. „Zukünftig ist die Ausbildung für alle Pflegeberufe in den ersten beiden Jahren gleich. Erst im dritten Jahr wird auf Bereiche wie Alten- oder Krankenpflege spezialisiert. Darum dürfen Auszubildende bis dahin künftig nicht nur gar nichts allein machen, sie stehen dem Unternehmen in dieser Zeit auch nur insgesamt zehn Monate zur Verfügung“, erzählt er. Darum habe er derzeit die Ausbildung zurückgefahren. „Wir hatten immer vier Azubis. Aber wir wissen aktuell nicht, wie es läuft. Darum gehen wir erst einmal die Zahl halbiert. Auch, weil es ohnehin an passenden Bewerbern mangelt“, sagt er.

Das betreffe nicht nur sein Unternehmen. „Wir haben unter den 36 Pflegeanbietern in Krefeld einen sehr intensiven Austausch. Es geht jedem einzelnen ähnlich. Bei mir gehen einige Angestellte in den kommenden zwei Jahren in Rente. Ich suche schon heute Ersatz“, erzählt Kaepernick. Das Resultat sei, dass es bald ernsthafte Pflegeengpässe gebe. „Fast jeder Anbieter ist voll. Noch heute Vormittag hatte ich ein Gespräch mit einem Arzt, der Pflege für eine Patientin suchte. Eigentlich hätte ich ihm absagen müssen. Dann haben wir uns aber auf eine eher unattraktive Zeit geeinigt, die auch am Rande medizinischen Indikation liegt. Trotzdem war er dankbar. Er sagte, ich sei bereits der Achte, den er angerufen habe und er sei kurz vor dem Aufgeben gewesen.“

Solche Situationen würden in der Zukunft zunehmen. Zumal sehr zurückhaltende Kostenübernahme durch die Kassen dafür sorge, dass er bei manchen Kunden draufzahle. „Ich habe heute auf jeder Route mindestens einen Kunden, den ich aus betriebswirtschaftlichen Gründen eigentlich ablehnen müsste. Aber wir machen den Beruf aus Überzeugung. Darum finanzieren wir diese Menschen quer. Aber klar ist: Wenn es zu viele werden, dann geht das irgendwann nicht mehr“, moniert er. In der Folge könne es dazu kommen, dass viele Menschen zukünftig keine Pflege mehr fänden.

Eine Lösung für das Problem sieht er vor allem in mehr Investitionen. „So lange wir bereit sind, jemandem, der unser Auto repariert, deutlich höhere Stundensätze zu zahlen, als jemandem, der unser Eltern pflegt, wird sich nichts ändern“, sagt er plakativ. Lösungen könnten seiner Ansicht nach Modelle wie in den Niederlanden oder Schweden sein. Insgesamt aber müsse mehr investeiert werden. „Wir müssen einfach Geld in die Hand nehmen. Dabei geht es gar nicht darum, dass wir als Unternehmen viel Gewinn machen. Ich könnte meinen Gewinn auch durch mehr Auswahl der Kunden mit weniger Angestellten steigern“, sagt Kapernick, „Aber ich fürchte um die Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Unsere Gesellschaft läuft auf ein riesiges Problem zu.“

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