Historische Straßenbahn In Linn fährt wieder eine Pferdebahn

Krefeld · Seit fast einem Jahrzehnt baut ein Linner Freundeskreis historische Kutschenfahrzeuge nach und geht damit auf große Fahrt. Diesmal ist es ein Wagen der historischen Crefelder Pferdebahn, der an die Entwicklung des Krefelder Straßenbahnwesens erinnern soll.

 Straßenbahn-Bauer in Linn: Falk Spörk, Reinhard Werkes, Uwe Girnd, Peter Deselaers und Thomas van de Sand, auf der Kutsche Peter Winkmann, Alexander Raitz von Frenz und Franz Fabeck.

Straßenbahn-Bauer in Linn: Falk Spörk, Reinhard Werkes, Uwe Girnd, Peter Deselaers und Thomas van de Sand, auf der Kutsche Peter Winkmann, Alexander Raitz von Frenz und Franz Fabeck.

Foto: Mark Mocnik

„Passagier Billett, 3. Klasse, einfache Fahrt, 10 Pfennige, Krefelder Pferdebahn“ steht auf dem Fahrschein, den der in eine klassische Uniform gekleidete Kondukteur Fahrgästen aushändigt, nachdem er das  aus dem vor dem Bauch hängenden klassischen Münzwechsler umständlich gewonnene Wechselgeld ausgehändigt hat. So stellen sich Peter Winkmann, Falk Spörk, Peter Deselaers, Reinhard Werkes, Thomas van de Sand und Peter Grindt aus Schaphuysen die Rundfahrten mit ihrer selbstgebauten Crefelder Pferdebahn vor, wenn sie am Zielort Weeze der dortigen Bevölkerung eine Fahrt durch den Ort anbieten.

 Blick ins Innere der Crefelder Pferdebahn.

Blick ins Innere der Crefelder Pferdebahn.

Foto: Mark Mocnik

In 400 Arbeitsstunden hat der Freundeskreis um Peter Winkmann, im Arbeitsleben Bäcker, Koch, Kraftwerker, Schäfer und Spediteur,  von alten Fotografien die Maße eines Pferdebahnwagens im Maßstab 1 : 1 übertragen und dann mit modernen Materialien originalgetreu nachgebaut. Den fertigen Aufbau verbanden die Linner Kutschenfreunde dann mit einem luftbereiften vierrädrigen Chassis und schmückten die Seitenwände mit den Namen der Sponsoren, Linner Betrieben wie die Gaststätte „Em Kontörke“, dem Autohaus Ypsilon, Bruns Die Maler, die Brille und der Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt. Die langen Sitzbänke aus Eschenholz lassen 10 Fahrgäste bequem sitzen. Zur Zeit der Pferdebahn war der Fahrgastraum oft genug mit mehr als 30 Passagieren überfüllt. Da diese Bahn auf Schienen rollte, konnte das davor gespannte Pferd auch mit diesem Gewicht leicht fertig werden. Die Pferdebahn war bei den Krefeldern beliebter als die damals übliche Dampfstraßenbahn mit ihrem Lärm und den Abgasen.

 So sah das historisches Vorbild der neuen Crefelder Pferdebahn aus. Sie war um 1910 auf Schienen unterwegs.

So sah das historisches Vorbild der neuen Crefelder Pferdebahn aus. Sie war um 1910 auf Schienen unterwegs.

Foto: Mark Mocnik

Den fertigen Pferdebahnwagen soll dann Peter Winkmanns Kaltblüter-Wallach „Milow“ ziehen, wenn die Fahrt kurz vor Ostern über ruhige Nebenwege nach Weeze geht. Mehr als 20 Kilometer am Tage sollen dem Zugpferd  nicht zugemutet werden, und so teilen sich die 80 Kilometer bis zum Ziel in die Etappen Linn – Schaphuysen, Schaphuysen – Issum. Issum – Sonsbeck und Sonsbeck  - Weeze auf. „Unser Wagen wirkt auf manchen wie ein aus dem Rahmen fallendes Biermobil“, wehrt Winkmann ab. „Solange das Pferd angespannt ist, wird kein Tropfen Alkohol getrunken.“ Erst wenn Pferd und Straßenbahn versorgt sind, kommen die Linner Kutschenfreunde in Stimmung.

 Mit dem Wirt Kevin von „Kevin´s Pub“  sind die Freunde seit Jahren herzlich verbunden. Wenn die Linner Pferdebahn am Samstag Weeze erreicht, improvisieren die Linner Kutschenfreunde ein Fest in der Kneipe. Neugierigen Ortsansässigen erklären sie Funktion und historisches Umfeld der historischen Pferdebahn und verabreden Rundfahrten für den nächsten Tag. Zwei weitere Linner Freunde verstärken die Musikband, mit der die Linner Freunde mit Reinhard Werkes am Akordeon, Peter Winkmann an der Tuba und Peter Deselaers am Bass („Einer spielt Bass, der andere besser“) am Abend in „Kevin`s Pub“ die Stimmung anheizen.

Die Fahrt mit einem historischen Pferdestraßenbahnwagen ist nicht die erste Fahrt, bei der sich die Linner Kutschenfreunde auf ein historisches Vorbild beziehen. 2014 lieh sich der Freundeskreis beim Museum Dorenburg eine historische Postkutsche aus und bevor die alte Kutschenroute nach Weeze. 2016 bastelten sie einen Schaustellerwagen zusammen und boten unterwegs regelrechte Vorstellungen in den Unterkünften, in denen sie übernachteten,  als bärtige Wahrsagerin, Zauberer, Preisboxer und Feuerspucker.

2018 gruben sie die historische Überführungsgeschichte einer Leiche ins niederrheinische Luisendorf aus. Als sie mit dem Leichenwagen durch die niederrheinischen Dörfer fuhren, bekreuzigten sich immer wieder die Passanten. Der Leichenwagen war dem historischen Vorbild so getreu nachgebaut, dass er vom Museum Burg Linn übernommen wurde. Seine Feuertaufe wird der Wagen der Pferdebahn am Karnevalssonntag auf dem Karnevalszug in Stratum haben, wenn er, allerdings von einem Trecker gezogen, im Zug mitzieht. Später, wenn die große Tour nach Weeze überstanden ist, soll die Linner Pferdebahn an Wochenenden Besucher durch Alt-Linn fahren und das Angebot an Kutschfahrten bereichern.

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