Krefeld Im Burger-Restaurant werden fiese Klischees ausgebrütet

Krefeld · In einem Burger-Restaurant findet man beim Aufräumen nach Ladenschluss ein verlassenes Neugeborenes - so die Ausgangssituation des Stücks "Phantom - (Ein Spiel)", das in der Fabrik Heeder seine Krefelder Premiere feierte.

 Das Team vom Burger-Shop hechelt alle Plattitüden und Vorurteile über Balkanvölker durch: (v.l.) Christopher Wintgens, Denise Matthey, Eva Spott, Paul Steinbach und Helen Wendt.

Das Team vom Burger-Shop hechelt alle Plattitüden und Vorurteile über Balkanvölker durch: (v.l.) Christopher Wintgens, Denise Matthey, Eva Spott, Paul Steinbach und Helen Wendt.

Foto: Matthias Stutte

Das Baby wird in polizeiliche Obhut gegeben, doch wer könnte es ausgesetzt haben? In Verdacht steht eine junge Frau, die man am späten Abend nur kurz im Lokal gesehen hat. Irgendwo vom Balkan stammte sie wohl, vielleicht war sie sogar eine Roma-Frau. Man gibt ihr den Namen Blanca, weiß aber nichts über sie. Da lassen die Autoren Sarah Nemitz und Lutz Hübner diese Blanca selbst auf der Bühne erscheinen und malen aus, wer sie sein könnte und welchen Charakters: Zum Beispiel eine Roma-Frau, die aus dem Elend ihrer bulgarischen Heimat nach Deutschland kommt, um sich hier ein besseres Leben aufzubauen und dabei zugleich ihre Sippe zu unterstützen.

Damit ist das Layout perfekt für die gängigen Klischees und Vorurteile über die Balkanvölker, und einige treffen manchmal ebenso zu wie das Klischee vom Deutschen als Ausbeuter und/oder gar Nazi. Blanca legt aber ein erstaunliches Beharrungsvermögen an den Tag, lässt sich von teuren, aber miesen Nachtquartieren, ebenso miesen Jobs und ausländerfeindlichen Sprüchen nicht von ihrer hochsympathischen Linie abbringen.

Ganz anders die im Wortsinne asoziale Annika, ein deutscher Teenager, schlampig bis an die Ekelgrenze, hochschwanger und ständig auf der Suche nach anderen, die für sie die Verantwortung übernehmen. Als die beiden aufeinandertreffen, geht die gemeinhin festgefügte Sortierung von angeblich deutschen und angeblich undeutschen Verhaltensweisen endgültig in die Binsen.

Denise Matthey, Eva Spott und Helen Wendt spielen in ständigem Rollenwechsel die Großmutter und die imaginäre Blanca, die dreifach - mit unterschiedlich viel Lebenserfahrung - auftritt, und gestalten sie ganz unaufgeregt, lebensnah und glaubwürdig. Nicht minder realistisch gelingen ihnen die zugleich schrille und wehleidige werdende Mutter, eine drogengepuschte Disco-Maus und die Mädels vom Burger-Team. Paul Steinbach und Christopher Wintgens bewähren sich als Burger-Verkäufer, Polizist, Zwerge und allerlei schräge Gestalten, den Kindsvater inbegriffen. Gemeinsam werden sie unter der Leitung von Sascha Mey dem Begriff Spiel aus dem Titel gerecht, denn sie spielen nicht nur mit Klischees, sondern geben dem Stück der Thematik zum Trotz eine gewisse spielerische Leichtigkeit und vermeiden den sozialpädagogischen Zeigefinger.

Weitere Aufführungen: 30. April, 4. Mai, 2. und 3. Juni, 2. Juli, Fabrik Heeder. Aufführungsdauer: 1 Std. 40 Min., keine Pause. Kartentel. 02151 805125.

(RP)
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