IHK-Geschäftsführer Jürgen Steinmetz Kann man Ungeimpften leichter kündigen?

Interview | Krefeld · Wir sprachen mit IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz über Corona in den Betrieben, Ausbildung und Wahlprüfsteine. Und über die Frage, ob das Arbeitsrecht gegenüber Ungeimpft verschärft wird.

 „Es kann nicht richtig sein, dass von den Arbeitgebern weiterhin verlangt wird, Tests kostenlos zur Verfügung zu stellen“: IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz im RP-Interview.

„Es kann nicht richtig sein, dass von den Arbeitgebern weiterhin verlangt wird, Tests kostenlos zur Verfügung zu stellen“: IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz im RP-Interview.

Foto: Andreas Bischof

Eine Frage vorab zu Corona: Gibt es in den Betrieben eigentlich Probleme im Miteinander von Geimpften und Ungeimpften? Wie soll es mit Tests gehandhabt werden? Zahlen die Arbeitnehmer selbst ihre Tests oder die Firma?

Steinmetz Das ist in der Tat nicht ganz einfach. Ab dem 11. Oktober gibt es bekanntlich keine kostenlosen Bürgertests mehr; noch ist allerdings nicht festgelegt, ob auch die Arbeitgeber keine Tests mehr anbieten müssen. Es kann nicht richtig sein, dass der allgemeine Druck zum Impfen erhöht wird, indem Tests künftig bezahlt werden müssen, von den Arbeitgebern aber weiterhin verlangt wird, Tests kostenlos zur Verfügung zu stellen.

 Jürgen Steinmetz überreicht  Krefelds RP-Redaktionsleiter Jens Voß eine Glückwunschurkunde zum 75-jährigen Bestehen der Rheinischen Post.

Jürgen Steinmetz überreicht  Krefelds RP-Redaktionsleiter Jens Voß eine Glückwunschurkunde zum 75-jährigen Bestehen der Rheinischen Post.

Foto: Jens Voss

Glauben Sie, dass es zu arbeitsrechtlichen Verschärfungen gegenüber Ungeimpften kommt und es leichter wird, Impfverweigerer zu kündigen?

Steinmetz Nein, das glaube ich nicht. Sinnvoll ist es, den Anreiz, sich impfen zu lassen, über 2- und 3-G-Regelungen bei Veranstaltungen und im öffentlichen Leben beizubehalten. Schließlich darf es keinen Lockdown mehr geben. Unsere Aufgabe sehe ich jetzt vor allem darin, die Impfmöglichkeiten weiter auszuweiten, also: motivieren, motivieren, motivieren.

Stichwort Bundestagswahl: Was sind die Top-Themen der regionalen Wirtschaft für die Bundestagswahl, was müssen unsere künftigen Bundestagsabgeordneten anpacken?

Steinmetz Diese Fragen haben wir auch unseren Mitgliedsunternehmen gestellt. Den größten Handlungsbedarf sehen die Unternehmen bei den Themen Bürokratieabbau, Digitalisierung und Bildungspolitik, letztere mit dem Ziel, den Fachkräftemangel zu beheben.

Bürokratieabbau hat sich auch die schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Armin Laschet auf die Fahnen geschrieben. Sind Sie zufrieden mit dem, was die Regierung umsetzt?

Steinmetz Es ist über die Entfesselungspakete eine Reihe von guten Maßnahmen umgesetzt worden. Aber es gibt auch noch viel zu tun. Derzeit tauschen wir uns mit der Landesregierung darüber aus, wie Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller, effizienter und digitaler werden können. 

Stoßen Sie bei der Landesregierung auf offene Ohren?

Steinmetz Ja. Wir sind mit der Landesregierung in einem stetigen und guten Austausch. Es geht gut voran.

Wo hakt es in der Bildungspolitik?

Steinmetz Unsere Sorge gilt weiter dem Ausbildungsmarkt. Auch die duale Ausbildung hat unter Corona stark gelitten. Wir hoffen nun, wieder mehr junge Menschen durch verschiedene Angebote – etwa Aktionen wie „Check In Berufswelt“ und Azubi-Speed-Dating – von dem Weg der dualen Ausbildung überzeugen zu können. Darüber hinaus ist auch die Politik gefordert, die Bedingungen zu verbessern.

Wie?

Steinmetz Das fängt beim Schulfach Wirtschaft an, um Kinder und Jugendliche frühzeitig mit diesen Themen vertraut zu machen, und reicht bis zur Ausstattung der Berufskollegs, etwa bei der Digitalisierung.

Was wünschen Sie sich zum Thema Digitalisierung allgemein?

Steinmetz Es geht um Fortschritte bei der Infrastruktur, es geht aber auch zunehmend um die Erwartung, dass bürokratische Prozesse in der Verwaltung digitalisiert werden – von der Beantragung des Personalausweises über Kfz-Zulassungen bis hin zu Baugenehmigungen.

Wie ist die Lage auf dem Ausbildungsmarkt?

Steinmetz Zum 1. August lagen wir bei den Ausbildungsverhältnissen 2,1 Prozent über der Vorjahreszahl. In absoluten Zahlen sind 2.853 Ausbildungsverhältnisse eingetragen, 2020 waren es 2.794. Das ist zunächst erfreulich. Allerdings waren die Zahlen vor Corona mit 3.444 Ausbildungsverhältnissen im Jahr 2019 höher. Da wollen wir wieder hin.

Haben die Betriebe nicht ausgebildet, weil das Geschäft zurückgegangen ist?

Steinmetz Der Gedanke liegt nahe, ist aber nicht richtig. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist konstant geblieben. Es gibt einfach zu wenige Bewerber in den Betrieben. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, die Jugendlichen für die duale Ausbildung zu begeistern. Als erste IHK in NRW haben wir eine Azubi-Card eingeführt, also eine Rabattkarte für junge Leute mit Ausbildungsvertrag, um die Attraktivität einer Ausbildung als Karriereeinstieg zu unterstreichen.

Die Amtsperiode der IHK-Vollversammlung geht zu Ende. Wie weit sind die Vorbereitungen für die Wahlen zur Vollversammlung, ist die Beteiligung zufriedenstellend?

Steinmetz Ja, wir sind sehr zufrieden. Alle fünf Jahre sind die 76.000 Mitgliedsbetriebe aufgerufen, ihre neue Vollversammlung zu wählen. Die Wahl ist für uns sehr bedeutend, weil die Vollversammlung das wichtigste Organ der IHK ist. Sie bestimmt die IHK-Richtlinien und legt die Schwerpunkte ihrer Arbeit fest. Außerdem entscheiden die Mitglieder der Vollversammlung über den Wirtschaftsplan und damit über die Höhe der Beiträge und Gebühren. In der Vollversammlung engagieren sich 70 Unternehmerinnen und Unternehmer. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, 105 Kandidatinnen und Kandidaten zu gewinnen.  Nachdem die Unternehmen die Wahlunterlagen erhalten haben, können sie zwischen dem 1. und 22. September wählen. Zum ersten Mal ist es eine hybride Wahl, so dass per Brief oder online gewählt werden kann.

Wie viele Kandidaten kommen aus Krefeld? Und repräsentieren sie das Wirtschaftsleben?

Steinmetz 24 Kandidaten kommen aus Krefeld. Insgesamt repräsentieren die Kandidaten ausgewogen die Teilregionen des Kammerbezirks und die Größen der Unternehmen. Der Einzelunternehmer stellt sich genauso zur Wahl wie der Konzernvorstand. Das ist ein gutes Abbild der Wirtschaft in der Region.

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