Krefeld "Ich hatte selten schlaflose Nächte"

Krefeld · Der scheidende Kämmerer Manfred Abrahams spricht über seine schönste Entscheidung seiner Amtszeit, die Arbeit in Krisenzeiten und den schmerzhaften Sparprozess, der den Krefeldern in den nächsten Monaten droht.

60 Millionen im Haushalt der Stadt Krefeld sparen ist nicht schwer: Sie brauchen einfach nur alle Schulen schließen, die Kultur dichtmachen und den Sport abschaffen — schon haben Sie 60 Millionen gespart.

Abrahams Dann wäre diese Stadt nicht mehr lebenswert.

Im Ernst: Macht Ihnen der Beruf des Kämmerers überhaupt noch Spaß? Gegen solche Riesen-Schuldenlöcher anzusparen, ist doch kaum möglich.

Abrahams Natürlich ist die Arbeit mit Geld einfacher als ohne. Aber in Krisenzeiten mit knappen Mitteln auszukommen und doch Akzente zu setzen, ist eine Herausforderung. Entsprechend kann ich mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen als diesen Beruf auszuüben.

Es ist zu hören, dass Kommunen mit Land und Bund fast nur noch über Gerichte kommunizieren. Das heißt doch, dass unsere Gesetze nicht lebensdienlich sind, wenn immer gleich der Richter bemüht werden muss.

Abrahams Das gute Zusammenwirken von Bund, Ländern und kommunaler Familie hat in der letzten Zeit gelitten. Das ist dabei, sich zu ändern; die Dialogbereitschaft wächst wieder. Im Bund hat Bundesfinanzminister Schäuble eine Kommission zum Thema Gemeindefinanzen eingerichtet, und es gibt auch Gespräche im Land NRW.

Mit guten Gesetzen wäre es nicht nötig, mühsam andere Wege als Prozesse zu suchen.

Abrahams Aus meiner Sicht muss nicht nur das Finanzsystem muss auf den Prüfstand, sondern auch die Aufgabenverteilung der staatlichen Ebenen. Beispiel: Der Ausbau der U-3-Betreuung ist fachlich sicher geboten, und es ist auch sinnvoll, dass die Kommunen das organisieren; dann muss aber auch die Finanzierung sichergestellt sein, und zwar nicht nur die Investitions-, sondern auch die Betriebskosten. Krefeld wird in der Endstufe rund 23 Millionen Euro ausgeben müssen. Hier muss es einen fairen Ausgleich für die Kommunen geben.

Kann man ein 60-Millionen-Loch ohne radikale Schnitte schließen?

Abrahams Wir sind auch in der Vergangenheit bei der Haushaltskonsolidierung ohne Einschnitte ausgekommen, die das Stadtleben gänzlich verändert hätten. Das muss das Ziel bleiben. Wir werden einen Strauß von Einzelmaßnahmen vorschlagen, bei dem am Ende alle gleichermaßen zufrieden und unzufrieden sein werden (lacht).

Kommen Sie sich nicht wie Sisyphos vor?

Abrahams Nein; die Finanz- und Wirtschaftskrise ist so außergewöhnlich, dass man daraus nicht die Unmöglichkeit planbarer Haushalte ableiten darf. Weltweit war bei niemandem auf der Agenda, dass man einmal Rettungsschirme für Banken brauchen würde.

Wie katastrophal ist dieses 60-Millionen-Loch denn nun?

Abrahams Es ist ausgesprochen schade, dass der Konsolidierungserfolg in Krefeld durch die Weltfinanzkrise zunichte gemacht worden ist. Ich bin aber felsenfest davon überzeugt, wenn alle an einem Strang ziehen, ist das Defizit zu beheben. Es geht nur über ein Gesamtkonzept, das auch Positionen enthält, die schmerzhaft sind.

Also doch: Kultur weg, Schwimmbäder weg.

Abrahams Nein, das ist nicht die Philosophie. Eine Stadt muss lebens- und liebenswert bleiben. Sie braucht sowohl Kultur als auch Sport und vieles mehr.

Was war Ihre schwierigste Entscheidung in Krefeld?

Abrahams (schweigt lange, lächelt) Ich überlege, ob es eine Nacht gab, in der ich schlecht geschlafen habe, aber das kommt bei mir selten vor, deswegen kann ich mich da an nichts erinnern.

Und was war Ihre schönste Entscheidung?

Abrahams Zu den Erfolgen gehört sicher der Doppelhaushalt 2008/ 2009, der ausgeglichen war, und die Privatisierung des Hafens, die ich maßgeblich mit angestoßen habe.

Ihre Schlussphase in Krefeld ist überschattet von dem Wahlbetrugsvorwurf im Zusammenhang mit dem Haushalt. Hat Sie das unter Druck gesetzt?

Abrahams Da wiederhole ich ohne Wenn und Aber: Der Haushalt ist ausgeglichen, und wir haben keine Informationspflichten verletzt. Jeder, der weitergehende Informationen hätte haben wollen, hätte sie auch bekommen. Ich kann die Diskussion nicht nachvollziehen. Sie ist müßig.

Was nervt Sie an Krefeld?

Abrahams Dass manche Krefelder dazu neigen, schlecht über ihre Stadt zu reden.

Jens Voss und Martin Röse führten das Gespräch.

(RP)
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