Tierheim Krefeld 80 Prozent der Hunde im Tierheim sind auffällig und brauchen kompetente Halter
Krefeld · Im Krefelder Tierheim sitzen manche der Bewohner schon seit Jahren. Vor allem Hunde, die schlechte Erfahrungen bei Vorbesitzern gemacht haben und entsprechend Beißvorfälle aufweisen, sind schwer vermittelbar. Was die Tiere wirklich brauchen.
Wer das Krefelder Tierheim betritt, wird von lautem Bellen und wedelnden Schwänzen begrüßt. 35 Hunde leben dort zurzeit– und das teilweise schon seit Jahren. Sechs Monate bis drei Jahre, so lange dauert es nach Angaben des Tierheims, bis ein Hund erfolgreich vermittelt werden kann. Übertroffen wird diese Zahl nur noch von den Reptilien: Schlangen und Schildkröten sitzen häufig bis zu vier Jahre im Tierheim. Während die lange Wartezeit bei den Reptilien vor allem an der geringen Nachfrage liege, handele es sich bei Hunden häufig um verhaltensauffällige Tiere, erläutert die stellvertretende Leiterin, Mona Schellscheidt. Sie kämen aus Sicherstellungen wegen schlechter Haltungsbedingungen oder würden abgegeben, da sie ihre Besitzer angegriffen haben. Meist, weil diese ungenügtend informiert gewesen seien.
„Viele Leute wählen Hunde danach aus, wie niedlich sie sind“, sagt Schellscheidt. Aus einem süßen Mischlingswelpen könne aber schnell ein dominanter Hütehund mit hohem Bewegungsdrang und starkem Besitzanspruch werden. Am Ende seien die Hunde unter-, die Halter überfordert. Es komme zu Problemverhalten, im schlimmsten Fall zur Traumatisierung der Tiere. So träfen die Hunde häufig in schlechtem Zustand, ungepflegt und unerzogen, im Tierheim ein.
Manche von ihnen dürfen aufgrund ihres Verhaltens noch nicht einmal von den ausgebildeten Mitarbeitern versorgt werden, seien auf eine Hundetrainerin angewiesen, die mit ihnen einzeln arbeitet.
„Man findet im Tierheim nur noch selten sehr einfache Hunde“, so Schellscheidt. Ungefähr 80 Prozent in Krefeld seien auffällig: Sie zeigten Beißvorfälle oder seien „Listenhunde“, vom Gesetzgeber als gefährliche Rasse eingestuft und umgangssprachlich als „Kampfhunde“ bezeichnet. Ihre Haltung ist durch zahlreiche Vorschriften geregelt, die je nach Bundesland variieren. So gibt es für einige Rassen zum Beispiel eine Maulkorbpflicht und häufig sind besondere Sachkenntnis oder eine Haltergenehmigung für die Anschaffung erforderlich. Zudem benötigen die Tiere viel Auslauf und Beschäftigung. Das perfekte Zuhause sei daher schwer zu finden. Hinzu komme, dass der schlechte Ruf der Rassen viele Menschen abschrecke. Dass dies oft unberechtigt ist, zeigt Toni, vom Tierheim als „einer der liebsten Hunde“ bezeichnet. Das Problem: Er ist ein Staffordshire Terrier, ein Listenhund, und als solcher müssen seine Halter Auflagen erfüllen. Seit fast drei Jahren sucht er mittlerweile nach einem neuen Zuhause.
„Kein Tier ist unvermittelbar“, betont Schellscheidt. Trotzdem gestalte sich die Suche nach dem richtigen Platz häufig schwierig. Immer wieder müsse das Tierheim schon am Telefon potenzielle Halter abweisen, weil die Tiere nicht passen. So sind Hunde, die Futter oder Spielzeug mit aggressivem Verhalten verteidigen, nichts für Haushalte mit kleinen Kindern. Das habe zur Folge, dass Anfängerhunde meist schnell vermittelt seien. Zurück blieben Dauergäste, die jahrelang nach einem Zuhause suchen. Einer von ihnen ist der Dalmatiner/Deutsch-Kurzhaar-Mischling Noah, der ursprünglich aus einem anderen Tierheim kam, und bereits vermittelt wurde.
Aufgrund von Beißvorfällen musste er nach einem Jahr zurück ins Heim, wo er nun seit mehreren Jahren lebt. „Wir haben mit ihm keinerlei Probleme, weil er bei uns Regeln hat“, erklärt Schellscheidt. Im Gegenteil: Er gilt als charmanter Hund, der vor allem gefallen will, sei aber nichts für Anfänger.
Die lange Wartezeit sieht Schellscheidt als Problem für die Tiere: Während einige der Hunde das Tierheim bereits als Zuhause ansehen, gebe es auch andere, die „ganz schlecht damit klarkommen“. In jedem Fall bedeute die Situation für sie Stress. Das Tierheim versucht, dem mit geregelten Tagesabläufen und Gruppenhaltung entgegenzuwirken. Futter gibt es immer um dieselben Zeiten, jeder Hund hat seinen eigenen Pfleger. Doch obwohl die Mitarbeiter ihr Bestes tun, können sie kein Zuhause ersetzen, so Schellscheidt.
Aber nicht nur die Anforderungen, sondern auch der Aufnahmeprozess für Hunde sei komplizierter als bei anderen Tierarten: Neben einem Fragebogen und einem Kennenlerngespräch gehören auch mehrere Besuche und Spaziergänge mit den Hunden dazu. Erst wenn alles gut läuft, würde vermittelt. Neben Zeit, brauche es auch Geld, denn die Kosten für den eigenen Vierbeiner seien häufig höher als gedacht. Neben den Anschaffungs- und Futtergebühren könnten hohe Tierarztkosten anfallen.
Vor allem über eines müssen sich potenzielle Halter laut Schellscheidt aber Gedanken machen: Was am besten zu ihrem Lebensalltag passt. Verfügbare Zeit, Haus, oder Wohnung, Garten oder nicht und die eigene Lebensgestaltung müssten beachtet werden. „Man muss letztendlich auch für das Tier Verantwortung tragen können“, sagt sie. Potenzielle Halter sollten darum diese und ähnliche Fragen ehrlich für sich beantworten.