Neue Zahlen der Statistiker „Hotel Mama“ hat in Krefeld keinen Reiz

Krefeld · Die Zahl der Haushalte in Krefeld, in denen Eltern und deren erwachsene Kinder in einer Wohnung leben, ist in den vergangenen zehn Jahren um 7000 gesunken. „Hotel Mama“, so scheint es, ist in der Seidenstadt wenig attraktiv. Das hat Gründe.

 Die Zimmervermietung „Hotel Mama“ hat geschlossen. Nach Forschungen der TU Braunschweig hat es dieses Phänomen nie gegeben.

Die Zimmervermietung „Hotel Mama“ hat geschlossen. Nach Forschungen der TU Braunschweig hat es dieses Phänomen nie gegeben.

Foto: VHS Moers

Die Generation der jungen Erwachsenen verlässt in Krefeld schneller die elterliche Wohnung als in anderen Städten Nordrhein-Westfalens. „Hotel Mama“ übt für die Seidenstädter offenbar kaum Anziehungskraft aus. Die Zahl derer, die mit Vater und Mutter oder sogar noch zusätzlich mit Großvater und Großmutter in den selben vier Wänden wohnen, ist in den zurückliegenden zehn Jahren in Krefeld deutlich um 7000 auf 29.000 Haushalte gesunken. Im Jahr 2007 betrug der Prozentsatz 32,3 Prozent von 110.000 Haushalten. 2017 waren es 24,3 Prozent von 119.000 Haushalten. Das teilte das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (IT.NRW) mit.

Dass Krefeld überproportional viele Single-Haushalte vor allem in der Innenstadt aufweise, dafür gebe es mehrere Erklärungen, sagte Michael Heß, Geschäftsführer von Haus und Grund am Freitag im Gespräch mit unserer Redaktion. Krefeld verfüge über bezahlbaren Wohnraum. In München oder auch Düsseldorf eine eigene Wohnung zu beziehen, gehe bei vielen jungen Leuten deutlich stärker ans Portemonnaie.

Ferner spiele die hohe Zahl der Studierenden eine Rolle. Krefeld bewege sich mit 24,3 Prozent auf dem Niveau anderer Universitäts- und Hochschulstandorte. Die niedrigsten Anteile gab es nämlich in den Universitätsstädten des Landes: In Aachen (27.000 Haushalte) war der Anteil mit 18,6 Prozent am niedrigsten, gefolgt von Düsseldorf (77.000; 22,7 Prozent) und Münster (38.000; 22,1 Prozent). Köln (24,4), Bochum (24,4) und Essen  (24,3Prozent) liegen gleichauf mit der Seidenstadt.

Die Stadt Krefeld fühlte sich 2015 gar bemüßigt, eine Zweitwohnsitzsteuer einzuführen, um vor allem Studierende dazu zu bewegen, sich ganz in Krefeld anzumelden. Dadurch würde die Kommune hinsichtlich Landeszuschüsse, die sich nach der Einwohnerzahl bemessen, finanziell profitieren.

Ein zweiter Grund für die hohe Single-Quote in Krefeld sei darin begründet, dass viele Bezieher von Transferleistungen in einer eigenen Wohnung zur Miete lebten. Diese Beobachtung konzentriere sich auf das Stadtgebiet innerhalb der Ringe. In den Stadtteilen wie etwa Bockum sei die Miete zu hoch, erklärte Heß.

Das so genannte Mehrgenerationenwohnen als moderner Trend habe nach seiner Einschätzung in Krefeld keinerlei Bedeutung. In südländischen Kulturen sei das womöglich mehr verbreitet. In Krefeld mit knapp 40.000 Einwohnern ausländischer Nationalität gebe es Beispiele, wo drei  Generationen einer Familie unter einem Dach lebten, aber jeder in seiner eigenen Wohnung im Mehrfamilienhaus. „Hotel Mama“ findet augenscheinlich auch dort in nennenswertem Umfang nicht statt.

Überhaupt halten Forscher der TU Braunschweig das angeblich Phänomen „Hotel Mama“ eher für ein Phantom. „Die Geschichte vom Nesthocker ist eine Erzählung, die sich wissenschaftlich nicht belegen lässt“, erklärte Soziologie-Professor Dirk Konietzka der Wissenschaftsredaktion des Mitteldeutschen Rundfunks. Eine Analyse von 30.000 Datensätzen aus 60 Jahren habe ergeben, dass es die Nachkriegsgeneration gewesen sei, die etwas länger im Elternhaus gewohnt habe. Danach lag das mittlere Auszugsalter stabil bei 22 bis 23 Jahren bei jungen Männern und 20 bis 21 Jahren bei jungen Frauen, so Konietzka.

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