Krefeld Holocaust-Mahnmal enthüllt

Krefeld · In einer bewegenden Feierstunde wurde gestern im Beisein von NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann im Ricarda-Huch-Gymnasium ein Mahnmal zum Gedenken an 50 jüdische Schülerinnen enthüllt.

 Zu den bewegendsten Momenten der Feierstunde gehörte es, als das Orchester des Ricarda-Huch-Gymnasiums Musik aus dem Film "Schindlers Liste" spielte.

Zu den bewegendsten Momenten der Feierstunde gehörte es, als das Orchester des Ricarda-Huch-Gymnasiums Musik aus dem Film "Schindlers Liste" spielte.

Foto: Lammertz, Thomas

Die wohl stärksten Worte bei dieser Einweihungsfeier fand der kommissarische Leiter des Ricarda-Huch-Gymnasiums, Udo Rademacher, indem er ein Gedicht von Ricarda Huch zitierte — es war ein Plädoyer, Hassenswertes wirklich zu hassen: "Mein Herz, mein Löwe, hält seine Beute fest,/ Sein Geliebtes fest in den Fängen,/ Aber Gehasstes gibt es auch,/ Das er niemals entlässt/ Bis zum letzten Hauch". Rademacher sagte dazu "Keiner soll den Verfluchten vom Fluch lösen" — und er meinte den Hass auf den Nationalsozialismus und seine Verbrechen.

 Kurz nach der Enthüllung im Foyer des Ricarda-Huch-Gymnasiums (v.l.): Karina Blommen, Bürgermeisterin Karin Meincke, NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann, Vize-Schulleiter Udo Rademacher und Chiara Arens. Karina und Chiara haben Entstehungsgeschichte und Intention des Denkmals erläutert.

Kurz nach der Enthüllung im Foyer des Ricarda-Huch-Gymnasiums (v.l.): Karina Blommen, Bürgermeisterin Karin Meincke, NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann, Vize-Schulleiter Udo Rademacher und Chiara Arens. Karina und Chiara haben Entstehungsgeschichte und Intention des Denkmals erläutert.

Foto: Thomas lammertz

Gestern wurde an dem Gymnasium im Beisein von NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann ein Denkmal zur Erinnerung an 51 jüdische Mädchen enthüllt, die zur Nazi-Zeit die Schule verlassen mussten und teils ermordet wurden.

 Manfred Milkau, Vorsitzender des Fördervereins, hat den Kontakt zu TKN geknüpft.

Manfred Milkau, Vorsitzender des Fördervereins, hat den Kontakt zu TKN geknüpft.

Foto: Lammertz, Thomas

Die Schule hatte im Zuge der Holocaust-Gedenkveranstaltung 2011 einen Wettbewerb für ein Mahnmal zur Erinnerung an die jüdischen Schülerinnen ausgeschrieben. Gewonnen hatte schließlich der Entwurf von Tina Kouhsari, einer Abiturientin der Stufe 13. Sie entwarf einen Block mit einem ausgesparten Keil. Der Block repräsentiert die Schulgemeinschaft, der Keil die Schülerinnen, die aus der Mitte der Schülerschaft gerissen wurden — die Zahl 50 weist auf die Zahl der jüdischen Mädchen, die die Schule verlassen mussten. Das Mahnmal steht im Foyer der Schule — neben einer Tafel, in die 51 Namen eingraviert sind. Zu den 50 Mädchen, die zum Zeitpunkt der Ausschreibung bekannt gewesen sind, ist mittlerweile ein Name dazugekommen.

 Sie trugen die Schicksale von 18 jüdischen Schülerinnen im Holocaust vor: Giulia Clarkson, Daniel Friesen, Katharina Mosch und Elisa Kähler.

Sie trugen die Schicksale von 18 jüdischen Schülerinnen im Holocaust vor: Giulia Clarkson, Daniel Friesen, Katharina Mosch und Elisa Kähler.

Foto: Lammertz, Thomas

Schulleiter Rademacher plädierte in seiner Ansprache für ein Erinnern, das nicht nur seelenlos Fakten festhält. Erinnern heiße, den Weg nach innen zu suchen, etwas voller Mitgefühl innerlich zu machen: "Wichtig ist, dass Erinnern in unserem Innersten, im Herzen stattfindet."

Ministerin Löhrmann würdigte den Einsatz der Schulfamilie und sagte an die Adresse der Schüler: "Ihr seid mit euren Lehrern zusammen weit über das hinausgegangen, was im Lehrplan steht." Der Besuch in Krefeld sei für sie ein besonderer Schulbesuch, sagte die Grünen-Politikerin; es gehe auch darum zu zeigen, dass es in den Schulen eine stark ausgeprägte Kultur des Erinnerns gebe: "Ihr stellt euch gemeinsam mit den Auszubildenden von ThyssenKruppNirosta gegen das Vergessen."

Ausdrücklich lobte sie die Fertigung des Mahnmals, das aus Edelstahl besteht, als "handwerkliche Meisterleistung". In Deutschland habe es im ersten Halbjahr 2012 täglich 34 neonazistische Übergriffe gegeben, sagte Löhrmann weiter und rief mit Blick auf diese Zahl dazu auf, sich für ein "respektvolles, wertschätzendes, friedvolles Miteinander" einzusetzen.

Bewegende Minuten brachte der Beitrag von Schülern der ehemaligen 9 e mit sich, als sie die Schicksale von 18 Mädchen skizzierten, zu deren Leben und Sterben die Schüler Informationen finden konnten. Sie nannten Namen wie Ellen Anhalt, die 1939 nach Großbritannien floh und überlebte, oder Edith Lindenbaum, die mit ihrer Mutter im Vernichtungslager Sobibor umgebracht wurde, oder Anneliese Leib, die 1941 ins Ghetto nach Riga und später ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde, wo sie einen Tag nach ihrer Ankunft umgebracht wurde.

"Anneliese ist da gerade 21 Jahre alt; ihr Cousin unterschrieb 2011 ihr Opferdatenblatt", heißt es — die Opferdatenblätter werden in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gesammelt. Dort haben die Schüler recherchiert.

Auch für die Auszubildenden von ThyssenKruppNirosta (TKN), die das Denkmal hergestellt haben, war die Fertigung nicht nur Handwerk und Beruf. "Unsere Auszubildenden haben sich mit der Skulptur, ihrer Bedeutung und der Geschichte auseinandergesetzt", sagt TKN-Ausbildungsleiter Matthias Dix. Das Unternehmen organisiere für seine jungen Leute jährlich Studienfahrten nach Auschwitz.

Auschwitz — jener Ort, an dem Edith Lindenbaums Vater Kurt ermordet wurde. Aus der Familie überlebte nur Ediths Schwester Lore. Sie verließ das Gymnasium 1935 — zwei Jahre vor Edith — und entkam nach Großbritannien. 1977 unterschrieb sie das Opferdatenblatt für ihre Schwester.

(RP/rl)
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