Krefeld Hoffnung trotz TKN-Verkaufs

Krefeld · Nach dem Dienstagabend beschlossenen Verkauf der ThyssenKrupp-Edelstahlsparte Inoxum an den finnischen Konzern Outokumpu herrscht in Krefeld weiter Angst. Von ThyssenKrupp sind viele Stahlarbeiter enttäuscht. Das Krefelder Werk hat jedoch noch eine Bewährungschance.

Inoxum-Verkauf: Das sagen die Arbeiter
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Inoxum-Verkauf: Das sagen die Arbeiter

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Nach 100 Jahren Nirosta soll in Krefeld ab Ende 2013 kein Stahl mehr geschmolzen werden. Die sogenannte Flüssigphase soll dicht gemacht werden. Dies ist die traurige Nachricht nach dem Verkauf der ThyssenKrupp-Edelstahlsparte Inoxum an das finnische Unternehmen Outokumpu. Die neuen Eigentümer wollen Krefeld jedoch noch nicht aufgeben, stattdessen die Veredelung des Stahls im späteren Produktionsprozess stärken. Für die Krefelder Belegschaft stellt sich die Frage: Wie ernst meint es Outokumpu mit der neuen Chance für das Krefelder Stahlwerk?

"Besser als befürchtet"

Die Vertragsdetails: 2100 Arbeiter sind derzeit in Krefeld tätig, 400 Arbeitsplätze in Krefeld fallen weg, 450 in Bochum. ThyssenKrupp will 600 Arbeitsplätze für Krefeld und Bochum intern auffangen. Über 55-Jährige sollen die Möglichkeit zum Vorruhestand haben. Betriebsbedingte Kündigungen sollen so bis zum 31. Dezember 2015 ausgeschlossen werden, bis zum 31. Dezember 2015 gibt es eine Standortgarantie für das Krefelder, bis Ende 2016 für das Bochumer Nirosta-Werk. "Das ist besser, als wir vor einer Woche befürchtet haben", sagt Norbert Kalwa, Betriebsratsmitglied von TKN.

Krefelds Chance: Die neue Bandgießanlage wird weitergeführt und im Jahr 2013 auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft. Dort wird Edelstahl zur rostfreien Nutzung hergestellt. Das Verfahren ermöglicht es, unmittelbar aus der Schmelze — unter Umgehung mehrerer Prozessschritte — Bänder zu gießen. Wenn diese CO2-arme Technologie sich bewährt, hat Krefeld noch die Chance, eine kleine Flüssigphase zu erhalten.

Weiterhin bleibt das Kaltwalzwerk, dafür sollen 20 Millionen Euro in ein Forschungszentrum investiert werden. Auch soll das Werk Düsseldorf-Benrath weiterhin nach Krefeld verlegt werden: Dafür bleibt die versprochene Investition von 244 Millionen Euro garantiert. Positiv ist auch, dass Krefeld Sitz der Nirosta-Hauptverwaltung bleibt. "Der Umzug nach Duisburg ist vom Tisch", sagt Norbert Kalwa: "Diese Gewerbesteuern werden jetzt in Krefeld gezahlt."

Die Einigung über das Vertragswerk wurde gestern Morgen um 4.10 Uhr im Essener Atlantic-Hotel getroffen. Um 5.15 Uhr sendeten die Krefelder Brüder Norbert und Bernd Kalwa, die als Arbeitnehmervertreter mitverhandelten, eine SMS an die Gewerkschaftskollegen. Für TKN-Betriebsratschef Bernd Kalwa ist der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für vier Jahre der wichtigste Punkt der vertraglichen Einigung: "Das ist eine 1a-Sicherung per Tarifvertrag." Mit Bruder Norbert trat Bernd Kalwa wenige Stunden nach Verhandlungsende im Werk an der Oberschlesienstraße vor die Belegschaft. "Da waren 200 Kollegen versammelt, manche haben geweint, viele waren wütend. Auch ich fühle mich von ThyssenKrupp im Stich gelassen", berichtet Norbert Kalwa.

Der ThyssenKrupp-Aufsichtsrat hat die Vertragsinhalte gestern Abend noch förmlich bestätigt. Gesamtbetriebsratschef Bernd Kalwa teilte nachher unserer Zeitung mit, dass er gegen die Einigung gestimmt habe. Bruder Norbert Kalwa redet jedoch auch von einem "Durchbruch" — "Die Marke Nirosta bleibt erhalten. Wir haben jetzt die Chance, mit der Bandgießanlage zu zeigen, was wir können." Auf dieser Anlage wird Stahl veredelt. Zuletzt haben das Land NRW und der Bund Fördermittel in Höhe von 8,8 Millionen Euro für den Bereich der Bandgießanlage genehmigt. Angesichts dieser Investition sagte der Krefelder SPD-Landtagsabgeordnete Ulrich Hahnen: "Dass diese Förderung nicht ausreicht, um am Standort Krefeld auch über das Jahr 2013 hinaus konkurrenzfähig Stahl zu produzieren, verdeutlicht, dass zusätzliche Fördermillionen alleine nicht ausreichen werden."

Die Gewerkschafter sehen die Verhandlungsergebnisse positiv: "Dieser Erfolg in letzter Sekunde war nur durch den massiven Protest der Beschäftigten zu erreichen", sagt der Krefelder DGB-Chef Ralf Köpke. Ursprünglich sollten die Flüssigphasen in Krefeld und Bochum sofort geschlossen werden.

In Krefeld bleibt die Solidarität mit den Stahlarbeitern weiter groß: CDU- und SPD-Ratsfraktion sendeten Resolutionen für den Erhalt von Werk und Arbeitsplätzen. Oberbürgermeister Gregor Kathstede (CDU) sprach angesichts des Schließungsplans für die Flüssigphase von einer "wirklich schlechten Nachricht für Krefeld", setzt jetzt auf das Engagement der Gewerkschaften. IHK-Chef Dieter Porschen hingegen hätte mit größeren Einschnitten gerechnet; er sprach von einem "guten Tag für Krefeld".

(RP/rl/anch)
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