Jüdische Geschichte in Krefeld Historische Datenbank: wichtigste Quelle über jüdische Krefelder

Krefeld · Die Schicksale der jüdischen Bürger, die zwischen 1800 und 1945 in Krefeld gelebt haben, sind über eine historische Datenbank abrufbar. 2800 Personen sind erfasst.

 Die Villa Merländer an der Friedrich-Ebert-Straße, war einst das Wohnhaus des jüdischen Kaufmanns Richard Merländer. Heute ist es Sitz der NS-Dokumentationsstelle. Hier wird an das Leben der jüdischen Krefelder erinnert. Die neue Historische Datenbank zur Familien- und wissenschaftlichen Forschung wurde von der Kulturstiftung der Sparkasse unterstützt.

Die Villa Merländer an der Friedrich-Ebert-Straße, war einst das Wohnhaus des jüdischen Kaufmanns Richard Merländer. Heute ist es Sitz der NS-Dokumentationsstelle. Hier wird an das Leben der jüdischen Krefelder erinnert. Die neue Historische Datenbank zur Familien- und wissenschaftlichen Forschung wurde von der Kulturstiftung der Sparkasse unterstützt.

Foto: Stadt Krefeld

Das Schicksal der Familie Finkelstein ist der Historikerin Claudia Flümann besonders ans Herz gegangen: Vater Hans Finkelstein war als promovierter Chemiker Leiter einer Forschungsabteilung der Chemischen Fabriken in Uerdingen (später IG Farben). Die Familie war evangelisch – und ist doch von den Nazis zerstört worden. „Evangelisch seit 1895, davor jüdisch“ stand in seiner Meldekarte. Obwohl Finkelsteins Geburt mit 1895 vermerkt und auch seine Frau evangelisch war, hat er seine Stellung verloren. „Er galt als Jude, wurde mit  Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Die Söhne hat man vom Moltke geschmissen. Das hat er nicht verkraftet. 1938 hat er sich das Leben genommen“, berichtet Flümann. Die Spur der Söhne verliert sich in Arbeitslagern.

Die Familie war eine von zahlreichen Überraschungen, sagt Flümann, die sie bei ihrer Forschungsarbeit erlebt hat: Sie hat die „Historische Datenbank Jüdische Krefelder“ bearbeitet, ein Verzeichnis das nicht nur die überarbeitete Auflistung der Opfer des Nationalsozialismus ist, die 1981 unter enormem Zeitdruck im Vorfeld des Besuchs der ehemaligen jüdischen Krefelder in der Seidenstadt entstanden war. „Diese Datenbank ist mehr als eine Opferliste“, betont Ingrid Schupetta, ehemalige Leiterin der NS-Dokumentationsstelle, die das langwierige Projekt auf den Weg gebracht hat, „damit kein Wissen verloren geht.“

2800 Einzelpersonen, die zwischen dem Beginn des 19. Jahrhunderts und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Krefeld gelebt haben, sind in der Datenbank erfasst. Nicht alle haben einer jüdischen Gemeinde angehört, auch anders- oder nichtgläubige Menschen jüdischer Abstammung sind von den Nazis verfolgt worden. Die Opfer, die bisher bekannt waren, hatten Geschwister, Eltern, Großeltern, die nicht umgekommen sind, die vielleicht emigriert oder untergetaucht oder in Krefeld begraben sind. Sie sind Teil der Stadtgeschichte. Flümann erlebt, dass die Enkelgeneration immer häufiger etwas über ihre Vorfahren wissen will.

 Eine typische Meldekarte für Krefelder Bürger. Solche Dokumente sind auch in der Datenbank gespeichert.

Eine typische Meldekarte für Krefelder Bürger. Solche Dokumente sind auch in der Datenbank gespeichert.

Foto: Petra Diederichs

Die Datenbank ist ein historisches Findbuch, in dem aus Datenschutzgründen nur Name/Geburtsname, Vorname, Geburtsort und -datum aufgeführt sind. Wer mehr wissen will, wendet sich an die NS-Dokumentationsstelle, dort wird sein Anliegen überprüft. Denn hinterlegt sind Lebensgeschichten, private Daten und berufliche Werdegänge: ganze Leben. „Ziel der Nazis war es, die Menschen nur noch als Nummer zu sehen. Ihre Geschichte wird ihnen hier wiedergegeben“, sagt NS-Dok-Leiterin Sandra Franz.

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