Krefeld Hirschfelders Vorname - ein tragischer Fall

Krefeld · Es ist kaum bekannt: Der jüdische Arzt Isidor Hirschfelder hieß mit zweitem Vornamen Kurt – und so wollte er gerufen werden. Es waren die Nazis, die den Namen Kurt aus dem öffentlichen Gedächtnis gelöscht haben.

 Die Straßenschilder, die an Hirschfelder erinnern, vermeiden die Nennung eines Vornamens.

Die Straßenschilder, die an Hirschfelder erinnern, vermeiden die Nennung eines Vornamens.

Foto: T.l.

Es ist kaum bekannt: Der jüdische Arzt Isidor Hirschfelder hieß mit zweitem Vornamen Kurt — und so wollte er gerufen werden. Es waren die Nazis, die den Namen Kurt aus dem öffentlichen Gedächtnis gelöscht haben.

Die Geschichte des jüdischen Arztes Isidor Hirschfelder, der sich große Verdienste um Krefeld erworben hat und dann von den Nazis in den Selbstmord getrieben wurde, hat eine tragische Facette, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Die Geschichte seines Vornamens oder besser seiner Vornamen. Krefeld kennt und ehrt ihn heute als Isidor Hirschfelder — er selbst hätte sich eher mit einem zweiten Vornamen benannt. Und der war Kurt. Es waren die Nazis, die ihn zwangen, sich ausschließlich Isidor nennen. Tatsächlich hieß der 1878 geborene Arzt Isidor Kurt Hirschfelder. Er selbst bevorzugte als Rufnamen offenbar seinen Zweitnamen "Kurt". Dazu sagt Ingrid Schupetta, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer: "Wie mir berichtet wurde, hat Hirschfelder sich selber Kurt genannt." Sein Taufname sei tatsächlich Isidor gewesen, auf der Meldekarte sei er als Isidor Kurt registriert. Insofern ist es wohl amtlich korrekt, sämtliche Benennungen — etwa beim "Dr. Isidor-Hirschfelder-Schullandheim Herongen" — auf einen Vornamen zu konzentrieren. Diese Bezeichnungen seien "rechtens", betont Schupetta und sagt dennoch: "Doch so einfach ist es nicht."

Der Vorname Isidor identifizierte seinen Träger als jüdisch, berichtet sie weiter. "Für die emanzipierten Juden des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik war dieser Name peinlich, weil er nicht ihrem Selbstbild entsprach." So habe sich Hirschfelder mit seinem zweiten Vornamen Kurt rufen lassen. "Vielleicht nannte er sich deswegen immer Dr. Hirschfelder, zeichnete auch so — auch auf einem Rezept, das seit langem im Besitz der NS-Dokumentationsstelle ist", sagt Frau Schupetta weiter. Auch seine Doktorarbeit in Berlin habe er als "I. Hirschfelder" abgelegt.

Schupetta weist auf eine Episode aus der Weimarer Zeit, um zu erläutern, wie sehr der Name Isidor Inbegriff eines jüdisch klingenden Vornamens war: die Affäre Weiß in Berlin. Joseph Goebbels verhöhnte den Vize-Polizeipräsidenten Bernhard Weiß mit dem Namen Isidor Weiß und spielte so auf dessen jüdische Herkunft an. Weiß war für die Nazis eine Hassfigur, weil er sich rigoros für Recht und Ordnung einsetzte und entschlossen die Weimarer Republik verteidigte.

Hirschfelder ließ seinen Namen aber nie amtlich ändern — und ohne die Nazis, so darf man ergänzen, hätte es auch nie eine Rolle gespielt. Hirschfelder wäre als Kurt in Erinnerung geblieben. 1938 aber führten die Nazis Zwangsvornamen für Juden ein. Alle nicht eindeutig jüdischen Vornamen mussten mit den Zusatznamen Israel oder Sara ergänzt werden. "Isidor galt aber als so eindeutig jüdisch, dass hier auf den Zwangsvornamen verzichtet wurde", sagt Schupetta, "sein Titel wurde ihm aberkannt, so dass er in der Gestapo-Akte als Isidor Hirschfelder auftaucht". Und so, als Isidor Hirschfelder, wird er heute geehrt und in Erinnerung behalten. Eine zynische Pointe der Geschichte: Der Mann, der sich so sehr als Deutscher fühlte, dass er lieber Kurt als Isidor genannt werden wollte, ist durch den Rassenhass der Nazis als Isidor in die Geschichte Krefelds eingegangen. Frau Schupetta meint: "Meine ganz persönliche Meinung ist, dass man Dr. Hirschfelder mit dem Vornamen Isidor nicht ehren kann."

(RP)
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