Krefeld Herongen - erst gekauft, bald gespart?

Krefeld · Viele Krefelder befürchten die Schließung des Schullandheims - ein Blick in die Chronik liefert erhellende Erkenntnisse.

 Aufnahme aus dem Schlafsaal aus dem Jahr 1960.

Aufnahme aus dem Schlafsaal aus dem Jahr 1960.

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Es ist ein Stück Krefelder Historie - seit 64 Jahren gibt es das Schullandheim in Herongen, tausende Krefelder haben seitdem die Häuser im Waldgebiet zwischen Herongen und Venlo besucht. Und wie immer, wenn eine Geschichte zu enden droht, wird es sentimental.

 Schülerinnen der Volksschule Mariannenstraße kamen als erste Gäste in das

Schülerinnen der Volksschule Mariannenstraße kamen als erste Gäste in das

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Am Donnerstag berichtete unsere Zeitung darüber, dass dem Schullandheim Herongen die Schließung droht. Gestern bestätigte die Stadtverwaltung dies indirekt. Stadtsprecher Timo Bauermeister teilte auf Anfrage mit, dass die Stadt wegen des Nothaushalts und möglicher Einsparmaßnahmen der Leitung des Schullandheimes mitgeteilt habe, Reservierungsanfragen für das Schuljahr 2015/2016 nur unter Vorbehalt anzunehmen. Im Klartext: Das Heim steht auf der Liste der Einsparungen. Noch aber hat die Politik nicht entschieden: Letztlich obliegt dem Stadtrat die Entscheidung, ob er dem Sparvorschlag des Kämmerers zustimmt.

 Das schmucke Haus Krähennest ist eines von vier Gebäuden.

Das schmucke Haus Krähennest ist eines von vier Gebäuden.

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Nach der Nachricht folgten im Internet die Trauerreden: "Ich möchte, dass meine Töchter auch noch dahin dürfen. Warum muss man denn mit Traditionen brechen?", schreibt eine Krefelderin bei Facebook. "Ich schwelge so gerne in den Erinnerungen. Marterpfahl, Spielplatz, Seilbahn, Amandus, Krähennest, Bienenstock", schreibt eine andere. Diese Krefelder sehen angesichts der drohenden Schließung jetzt einen Teil ihrer schönen Kindheit schwinden. Es ist aber auch die Verzweiflung über eine Sparpolitik, die manchmal unbarmherzig sein kann. Mehr noch: Der Blick in die Chronik des Heims zeigt manchem Facebook-Kommentoren gar, dass die Sparpolitik auf gerade erst erfolgte Investitionen keine Rücksicht nimmt. In der Kurzchronik nämlich liest man: Vor 19 Jahren kaufte die Stadt das Heim, investierte kräftig. Nun merkt sie, dass sie den Zuschuss nicht mehr gewähren kann.

 Eintrag in das Gästebuch des Jugendheims.

Eintrag in das Gästebuch des Jugendheims.

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Die Geschichte des Schullandheims Herongen im Zeitraffer: Im Jahr 1948 wird es auf dem ehemaligen Gelände des Flughafens zwischen Venlo vom damaligen Oberstadtdirektor Dr. Stepkes, Erziehungsdirektor Janßen und Schulrat Heckmanns geplant. In den Jahren 1948 bis 1950 werden die vier im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Häuser - Krähennest, Bienenstock, Greifenhorst und ein Wirtschaftsgebäude - wieder aufgebaut. Am 9. Mai 1950 schließlich wird das Schullandheim Herongen eröffnet. Hunderte Schüler fahren per Bus hier an, verbringen fünf fröhliche Tage, kommen dann nach nur 30 Minuten Busfahrt wieder in Krefeld an.

Krefeld: Herongen - erst gekauft, bald gespart?
Foto: Anneliese Strauchmann und Mitschüler.

1982 gerät das Schullandheim zum ersten Mal in den Fokus der Sparpolitik. Ein Förderverein gründet sich daraufhin, die Sparmaßnahme wird abgewendet. 1987 erhält die Einrichtung den Namen Dr.-Isidor-Hirschfelder-Schullandheim, im Gedenken an den jüdischen Kinderarzt, der sich bis zu seinem Freitod im September 1941 unter der Gewaltherrschaft der Nazis in Krefeld mit großer Hingabe seinen kleinen Patienten widmete.

Erst 1995 - also vor 19 Jahren - wird das Heim vollends städtisch. Die Stadt Krefeld kauft es der Bundesvermögensverwaltung ab. Von nun an investiert die Stadt dort jährlich kräftig: die Häuser Krähennest und Bienenstock werden saniert, eine vollbiologische Kläranlage wird eingebaut, die Betreuerzimmer im Haus Greifenhorst werden erneuert, ebenso kommen Brandschutztreppen an alle Häusern. 2008 werden Kühlhaus und Küche neu gebaut, Fußböden und Dekoration folgen. 2009 werden Fernwärmeleitungen, Brandmeldeanlage, funkgesteuerte Rauchmeldeanlage und Anschlüsse für PC eingerichtet. Im Jahr 2010 erfahren alle Betten im Haus Krähennest eine Runderneuerung. Ab 2011 führt schließlich eine breite und trittsichere Treppe hinab zum Abenteuerspielplatz.

Endet die Serie von Investitionen bald mit der Schließung? Es bleibt immerhin die Option, die Preise von derzeit 95 Euro Vollpension für fünf Tage zu erhöhen. Günter Hawlik aber, Vorsitzender des Fördervereins, glaubt nicht, dass sich allein so das Heim wird finanzieren können.

(RP)
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