Interview Helen Schneider: "Ich möchte wissen, wie ich ticke"

Als Rock‘n‘Gypsy bekam Helen Schneider Bravo-Ottos, mit Brecht/Weill begeisterte sie Fans und Kritik. Am Mittwoch kommt sie mit Schätzen des "Great American Songbook” in die Friedenskirche. Im Interview erzählt sie von ihrer neuen CD und ihrem Wunsch nach Erkenntnissen aus der eigenen Vergangenheit.

Kannst du dir einen Tag ohne Musik vorstellen?

Helen Schneider Ja sicher. Solche Tage gibt es bei mir ständig. Aber länger als eine Woche würde ich das nicht aushalten. Aber ich kann auch gut einen ganzen Tag lang wandern, einen ganzen Tag malen oder einen ganzen Tag lesen.

Die neue CD heißt "Dream a little Dream” ­ bist du eine Träumerin?

Schneider So wie jeder Mensch, wir alle haben Träume. Aber diese CD ist für mich die Erfüllung eines Tagtraumes. Es ist Musik, die mich nachdenken lässt über meine Jugend und über meine Mutter. Sie sang diese Songs ständig in unserem Haus und hat sich dazu auf dem Klavier begleitet. Ich habe Gesang und Klavierbegleitung imitiert, und das war für mich die erste Möglichkeit, meine Gefühle in Liedern auszudrücken. Als Till Brönner mir vorschlug, diese CD aufzunehmen, bin ich gesprungen vor Freude. Es ist eine Reise, die mit "Like a Woman” begann und mit der ich zurückgehen möchte.

Was bringt der Blick zurück für die Zukunft?

Schneider Ab einem gewissen Alter möchte man mehr wissen über die eigene Innenarchitektur, die Vergangenheit spielt dabei eine große Rolle. Diese Gedanken habe ich erst seit einigen Jahren. Früher hat mich die Vergangenheit nicht interessiert. Heute möchte ich wissen, wie ich ticke, damit ich verstehe, wie ich weiter gehen soll.

Am Anfang eine klassische Musikausbildung, dann Rock, später Chanson, Musical und Jazz, dazwischen Schauspielerei. Das klingt nach einem Menschen, dem Dinge schnell langweilig werden, wenn er Erfolg damit hatte.

Schneider Ich bin sehr neugierig, besonders wenn es um Kunst geht. Ich bin eine Abenteurerin und brauche Herausforderungen. Aber für mich haben sich alle Projekte ganz organisch entwickelt, Eins hat zum anderen geführt, auch wenn es manchmal einen Telefonanruf gab, einen Vorschlag, an den ich überhaupt nicht gedacht hatte, zu dem ich aber nicht Nein sagen konnte. Mit interessanten Projekten kann man mich leicht verführen, da bin ich sehr flexibel in meinen Plänen. Ich bin Sängerin und Schauspielerin. Und als Sängerin ist mir das Genre egal, ob Rock, Blues oder Jazz: Da möchte ich mich nur als Sängerin präsentieren.

Was ist für dich gute Musik, die dich berührt?

Schneider Oh, da gibt es so vieles. Mein Geschmack ist da so vielfältig wie meine Karriere. In der Literatur fällt mir zuerst Haruki Murakami ein. Ich habe alles von ihm gelesen, was es in englischer Übersetzung gibt. Es hat mich mehr berührt als alles andere, was ich gelesen habe. Ich bin ein enormer Fan von Beethoven und von Chopins Klavierwerk. Ich mag Peggy Lee, Ella Fitzgerald und Billie Holiday, Debbie Harry. Ich finde die Beatles genial, ebenso John Cage. Dann mag ich sehr gerne Country Folk, ach, ich könnte noch ewig weiter aufzählen.

Was werden die Krefelder hören, nur Musik oder auch die Geschichten zu den persönlichen Songs?

Schneider Ich werde ein bisschen dazu erzählen. Aber die Musik wird für sich sprechen, ich komme mit einem virtuosen Trio und einer interessanten Fusion.

Petra Diederichs führte das Gespräch.

(dur)
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