Heimatserie in Krefeld Das Leben als „Neu-Schrebergärtner“

Krefeld · Ursula Giebels und Keld Matthiesen haben ein neues Hobby. So oft es geht, werkelt das Paar nach der Arbeit in ihrem grünen Fleckchen mitten in Linn. Doch all das Sähen, Umtopfen, Ernten und Kochen braucht Zeit.

 Ursula Giebels mit Harke bewaffnet und Keld Matthiesen mit Chihuahua Tussy im Arm. Das Paar verbringt die Wochenenden mit Gartenarbeit in ihrem grünen Schrebergarten. Hinter dem kleinen Gartentörchen ist der Turm der Museum Burg Linn zu erspähen.

Ursula Giebels mit Harke bewaffnet und Keld Matthiesen mit Chihuahua Tussy im Arm. Das Paar verbringt die Wochenenden mit Gartenarbeit in ihrem grünen Schrebergarten. Hinter dem kleinen Gartentörchen ist der Turm der Museum Burg Linn zu erspähen.

Foto: Mark Mocnik

Wenn man den Schrebergarten von Ursula Giebels und Keld Matthiesen betritt, hat man das Gefühl ein kleines Goldstück entdeckt zu haben. Hier und da krabbeln ein paar Erdbienen, Frösche laichen und Tussy und Thor, die zwei Chihuahuas, suhlen sich auf dem langgewachsenen, saftigen Rasen. Mitten in Linn, eingezäunt von der historischen Stadtmauer und das Alte Zollhaus im Nacken liegend. Ein kleines rostiges Törchen mit der Nummer 101 öffnet den Weg auf 700 Quadratmeter neue Heimaterde einer Architektin und eines Kochs.

„Wir hängen mit der Gartenarbeit ein bisschen hinterher“, sagt Ursula Giebels leicht peinlich berührt. Sie und ihr Mann schaffen es neben Job und Haushalt ein- bis zweimal die Woche hier her. Zu wenig, wie beide finden. „Wir haben erst ein Drittel der Bäume beschnitten. Die Erde ist schon untergehoben, aber wir müssen noch sähen, bevor es zu spät wird“, sagt die Ur-Linnerin.

Das bisschen Gartenarbeit hat sich das Paar anfangs leichter vorgestellt. Mit dem Wunsch einer eigenen naturreinen Küche fing alles an. „Wir kochen sehr viel und gerne“, sagt Matthiesen. Der ursprünglich aus Dänemark stammende Koch experimentiert oft in der Küche herum. Da bot sich ein Schrebergarten zum Anbau und Ernten eigener Zutaten geradezu an. Doch ganz so einfach sollte es für die Reihenhaus-Bewohner nicht kommen, denn die Parzelle gehörte für Generationen der Familie des Vorbesitzers.

Zwei Jahre hat das Paar auf ihr dazugewonnenes Stück Heimat gewartet. „Wir wollten nur diesen Schrebergarten hier an der alten Stadtmauer“, erinnert sich Giebels. Als erster Schrebergarten der Siedlung liegt er nah am Geschehen des historischen Stadtkerns. Die Mauer dient gleichzeitig als Wärmespeicher – praktisch zum Anbau kälteempfindlicher Kost.

Am liebsten sitzen Giebels und Matthiesen auf einer kleinen grünen Holzbank in der Sonne und haben ihr gesamtes Habitat im Blick. Die Blüten zweier Pflaumenbäume sprießen, während die Magnolie allmählich einen weißen Teppich hinterlässt. Drei Felder und ein paar Beete sind ordentlich aneinandergereiht. Möhren, Radieschen, Kartoffeln, Rote Beete und Zuckererbsen sollen hier bald geerntet werden.

Matthiesen pflückt drei Blätter vom quietschgrünen Bärlauchstrauch, reibt sie aneinander und riecht an den Fingern den knoblauchartigen Duft. „Der Bärlauch ist schon zehn Zentimeter gewachsen!“, erkennt er begeistert. Bereit für die Verarbeitung zu Pesto. Vom Feld direkt ins Glas. „Man fiebert bei der Ernte richtig mit. Es ist, als würde man ein Kind groß ziehen“, findet Giebels.

Dafür hat sich die Gartenmutter eigens einen Ratgeber zugelegt – über das Einmachen von Lebensmitteln wie man es früher getan hat. Der moderne technologische Schnickschnack taugt ihnen nicht. „Wir benutzen nur naturbelassene, nicht genetisch veränderte Samen“, erklärt sie. Das ist beiden ganz wichtig. Außerdem graben sie nicht tief, um die natürlichen Nährstoffe zu erhalten und benutzen Kompost als biologischen Dünger. Neben Büchern erfahren die Selfmade-Gärtner auch Tipps von befreundeten Biobauern. „Aber man muss sich schon reindenken können, sonst hat es keinen Sinn“, sagt Giebels lachend.

Dabei hilft der Schrebergartenverein. Mit dem Bezug ihrer Laube ist das Paar automatisch Teil der Gemeinschaft geworden. Neben sozialem Austausch, wird Wissen und Saatgut geteilt. „Hier hilft man sich. Aber die Leute sind auch neugierig, was man macht“, sagt Giebels. Wie in jedem Verein gibt es auch hier Verpflichtungen. Ob Gemeinschaftsarbeit im Vereinsheim, Thekendienste oder Hecke schneiden; bei Missachtung der aufgetragenen Aufgaben, muss das Portmonee weichen. Für die berufstätigen Neu-Schrebergärtner, wie sich Giebels und Matthiesen nennen, ist das nicht immer einfach zu managen. „Ich musste schon mal Bußgeld zahlen“, sagt Matthiesen lachend. „Aber man bekommt auch viel zurück“, fügt Giebels hinzu. In der Schrebergarten-Gemeinschaft hilft man sich, ob bei Nacktschneckenplagen oder Erntefragen.

Das erlebte Gemeinschaftswohl im Garten brachte Giebels und Matthiesen auf die Idee eines Linner Bürgergartens. Ursula Giebels ist als erste Vorsitzende im Bürgerverein Linn seit Jahren aktiv. Und auch Keld Matthiesen engagiert sich im Historischen Feuerlöschzug. „Es wäre schön, das gemeinschaftlich zu machen. Säfte pressen, Kuchen backen und neue Gerichte ausprobieren. Vielleicht könnte uns ein professioneller Gärtner anleiten“, denkt Matthiesen laut nach.

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Foto: RP/Podtschaske , Alicia
 Das Alte Zollhaus ragt hinter dem Pflaumenbaum hervor. An der Stadtmauer steht eine kleine Hütte, in der es immer einen gekühlten Bio-Bier-Vorat gibt.

Das Alte Zollhaus ragt hinter dem Pflaumenbaum hervor. An der Stadtmauer steht eine kleine Hütte, in der es immer einen gekühlten Bio-Bier-Vorat gibt.

Foto: Mark Mocnik

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Zuerst muss der eigene Schrebergarten sommerfest gemacht werden. Dort müssen noch Kletterrosen hin, hier ein paar Weintrauben – das Paar will es sich richtig romantisch machen. „Das hier“, sagt Ursula Giebels und zeigt auf ihr brummendes, surrendes Reich, „ist nur für uns privat. Natürlich, schön und lecker.“ Und ohne einen einzigen Gartenzwerg.

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