Krefeld Guckloch ins 14. Jahrhundert

Linn · Zufällig sind Museumsleiter Christoph Reichmann bei Sanierungsmaßnahmen Balkenlöcher des ehemaligen Wehrganges aufgefallen. Die Mauer der Vorburg der Burg Linn muss bis zu zwei Meter höher gewesen sein.

 In diesem Loch war ein Balken des Wehrganges eingemauert.

In diesem Loch war ein Balken des Wehrganges eingemauert.

Foto: Lammertz, Thomas

Ein weiterer Mosaikstein einer interessanten Epoche ist entdeckt.

Die kleinen, quadratischen Löcher am oberen Rand der Mauer der Vorburg von Burg Linn sind so unscheinbar, dass sie vom Boden aus nur schwer zu erkennen sind. Aber sie bildeten einmal eine wichtige Funktion der Wehranlage. "Das sind Balkenlöcher des ehemaligen Wehrganges", erklärt Christoph Reichmann, Leiter des Museums Burg Linn.

Das bedeutet, dass an diesen Stellen einmal stabile Holzbalken eingemauert waren. Sie trugen auf der Innenseite den Wehrgang, auf dem die Verteidiger der Burg bei einem Angriff standen und mit Pfeilen schossen und mit Steinen warfen, um eine drohende Erstürmung abzuwehren.

Da diese Balkenlöcher sich heute am oberen Mauerrand befinden, folgert Reichmann, dass die ursprüngliche Mauer mit Brustwehren und Zinnen einmal deutlich höher gewesen sein muss, um die Verteidiger auf dem Wehrgang wirksam zu schützen. "Das ist eigentlich die einzige neue Erkenntnis", räumt Reichmann ein.

Über die Entdeckung der bislang zugemauerten Löcher, die nur zufällig bei Sanierungsarbeiten freigelegt wurden, freut er sich. Schließlich bedeutet die Neuentdeckung einen weiteren Mosaikstein auf dem Weg zum Verständnis der Geschichte der Burg Linn. Wie durch ein Guckloch in einer Bretterwand blickt der Historiker in die Vergangenheit zurück und ist froh über jedes zusätzliche Detail, das er erhaschen kann.

Diesmal fällt sein Blick zurück auf das 14. Jahrhundert, eine besonders spannende Zeit in der Geschichte der Burg Linn. Es war eine Zeit, die in der Region geprägt war vom Konflikt der Grafen von Kleve mit den Kurfürsten von Köln. Die Burg Linn war im kurfürstlichen Besitz, Lehnsmann war seit dem späten 13. Jahrhundert der jeweilige Graf von Kleve.

Im heutigen Sprachgebrauch würde man die Parteien vielleicht als Eigentümer und Verwalter beschreiben. Nach der Niederlage in der Schlacht von Worringen 1288 war die Position des Kölner Kurfürsten geschwächt. Dies versuchten die Klever auszunutzen und betrieben jahrzehntelang eine Politik gegen ihren eigenen Lehnsherrn.

Im Zuge dessen wurde auch die Burg Linn immer weiter ausgebaut und die Stadt Linn von den Klevern zur Verbesserung der eigenen Machtbasis gegründet. Aus Quellen, die belegen, dass im Jahr 1366 eine größere Menge von Ziegelsteinen gebrannt wurde, schließt Reichmann, dass die Stadtmauer etwa zwischen 1350 und 1375 errichtet worden sein muss.

Das Blatt wendete sich erst, als Mechthild von Geldern, die Witwe des Grafen von Kleve, in Geldnöte geriet. Ihr auf Burg Linn eingesetzter Amtmann Heinrich von Strünkede besserte daraufhin seine eigene Kasse durch Überfälle auf Kaufleute auf dem Rhein oder an einer alten Römerstraße, der heutigen B 222, auf. Linn war zu dieser Zeit als Raubritternest verrufen.

Die darauf 1377 angekündigte Belagerung von der Burg durch ein breites Bündnis, dem Landfriedensbund, wurde vorzeitig abgebrochen, da Heinrich wegen der Übermacht klein beigab. Elf Jahre später hatten die Kölner dann auf Burg Linn wieder das alleinige Sagen.

Die mächtigen Mauern verloren nach und nach an Bedeutung. Bereits 1477 wurde bei einer Belagerung deutlich, dass sie gegen moderne Kanonen auf Dauer nicht mehr viel ausrichten konnten. Dass Burg und Stadt Linn nie vollständig zerstört wurden, ist wohl nur dem Zufall zu verdanken. Noch heute geben sie immer wieder neue Details über das Mittelalter preis.

Die Bauphasen der Burg Linn:

um 1000 mutmaßliche Erbauung einer esten Holz-Erde-Burg.
um 1150 Errichtung des ersten steineren Burghauses.
um 1220 Fertigstellung der ersten Ringmauer.
um 1250 Erhöhung der Ringmauer und Erbauung des Batterieturmes.
um 1290 Fertigstellung des Bergfriedes (Butterturmes).
um 1300 Gründung der Stadt Linn durch den Grafen von Kleve.
um 1420 Errichtung des neuen Vorburgtores.
1478 Bau der äußeren Zwingermauer mit Schießscharten.
1488 Bau des neuen Back- und Brauhauses (heute Jagdschloss).
1558 Bau des neuen Küchen- und Wohnflügels an der Südseite.
1579 Errichtung einer Erdbefestigung mit weiterem Wassergraben.
1702 Im spanischen Erbfolgekrieg wird die Burg schwer beschädigt.
1704 Die Burg brennt ein zweites Mal und wird unbewohnbar.

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