Krefeld Greifvögel - zum Greifen nah im Seniorenheim

Krefeld · Die riesigen Augen von Eulenvögeln strahlen eine unglaubliche Ruhe aus. Niemand weiß das besser als Sabine Ehrmanns-Kramp, die mit ihrer mobilen Falknerei die Senioren des Gerhard-Tersteegen-Hauses besuchte.

 Sabine Ehrmanns-Kramp mit der sechsjährigen Schleiereule Charlotte. Die Schleiereule ist die einzige Eulenart, die ausschließlich nach Gehör jagt.

Sabine Ehrmanns-Kramp mit der sechsjährigen Schleiereule Charlotte. Die Schleiereule ist die einzige Eulenart, die ausschließlich nach Gehör jagt.

Foto: Otmar Sprothen

Für rund 40 alte Menschen des Gerhard-Tersteegen-Hauses des Neukirchener Erziehungsvereins ist dies ein ganz besonderer Nachmittag: Die fahrende Falknerin Sabine Ehrmanns-Kramp ist zu Besuch gekommen. "Hat jemand Angst vor Hunden?", fragt sie in die Runde; dann drängten ein hochgewachsener, strahlend weißer, acht Monate alter Königspudel und ein Deutsch-Drahthaar "Emil", den die Falknerin als ausgebildeten Therapiehund vorstellte, in die Mitte und begannen eine temperamentvolle Begrüßungsrunde, was vor allem bei den an einen Rollstuhl gebundenen Hausbewohnern echte Freude auslöste und möglicherweise verborgene Ängste vor Tieren rasch beseitigte. Schnell band Ehrmanns-Kramp die Hunde an einer Säule an, dann holt sie den drei Kilogramm schweren Uhu Fritz aus seiner Transportkiste. Geschlüpft 2011, ist Fritz noch ein Jungspund, denn Deutschlands größte Eulenart erreicht locker ein Durchschnittsalter von 50 Jahren bei einer Körperhöhe von 70 Zentimetern und einer Flügelspannweite von über 150 Zentimetern.

 Es war beeindruckend, als der noch junge Uhu Fritz seine Flügel ausbreitete. Uhus - die größte Eulenart - haben ausgewachsen eine Flügelspannweite von mehr als 1,50 Meter.

Es war beeindruckend, als der noch junge Uhu Fritz seine Flügel ausbreitete. Uhus - die größte Eulenart - haben ausgewachsen eine Flügelspannweite von mehr als 1,50 Meter.

Foto: Otmar Sprothen

Einheimische Greifvögel in freier Wildbahn genießen absoluten Schutz. Ihre Eulen und Greifvögel erwirbt die Falknerin von privaten Züchtern und übernimmt sie im Alter von wenigen Tagen. Sie füttert die Jungtiere mit der Pipette, was die Bindung zwischen Frauchen und Greifvogel festigt. "Bitte nicht anfassen", warnt Ehrmanns-Kramp, als sie den Uhu zur genauen Betrachtung herumträgt. "Kuscheln lässt er sich nur von mir gefallen." Männliche Uhus sind kleiner als die weiblichen und auch weniger aggressiv. Wie alle Eulenvögel sind sie nachtaktiv. Bis auf die Schleiereule, die nur nach ihrem Gehör fliegt, benötigen die anderen Eulenarten das Restlicht von Mond und Sternen, um erfolgreich jagen zu können. Neben kleineren Greifvögeln gehören Mäuse, Ratten, Kaninchen, junge Füchse und andere Kleinsäuger zur bevorzugten "Atzung" des Uhus.

 Eine Bewohnerin hat ein Frettchen auf dem Arm; das Tier saugt an einer Futtertube und ist daher nicht bissig.

Eine Bewohnerin hat ein Frettchen auf dem Arm; das Tier saugt an einer Futtertube und ist daher nicht bissig.

Foto: Otmar Sprothen

Als die Falknerin auf ihrem Greifvogelhandschuh ein Eintagsküken präsentierte, flog Fritz durch den Raum und griff die Beute, die er dann ohne langes Kauen schnell hinunterschluckte. Uhus besitzen keine Zähne. Später wird Fritz das "Gewölle" aus Federn und Knochen wieder ausspeien. Als Ehrmanns-Kramp den Vorgang wiederholte, übermannte die Hunde ihr Jagdinstinkt. Aber an die auf dem Handschuh hochgereckte Beute kamen sie nicht heran.

 Bruno ist eine afrikanische Büschel-ohr-Eule. Alle Tiere der Falknerin stammen vom Züchter.

Bruno ist eine afrikanische Büschel-ohr-Eule. Alle Tiere der Falknerin stammen vom Züchter.

Foto: Otmar Sprothen

Dank seiner an den Rändern kammartig gezackten Schwungfedern kann der Uhu nachts geräuschlos jagen, denn die Luft streicht beinahe unhörbar durch die Federn. Rund 4000 Eintagsküken, die sie zuvor tiefgefroren hat, verfüttert die Falknerin jährlich an ihre Tiere.

Die großen runden Augen der Eulenvögel mit den tagsüber weit geöffneten Pupillen wecken in uns Menschen Emotionen. Sie erscheinen uns majestätisch und unnahbar und strahlen eine unglaubliche Ruhe aus. Sein Lidschlag macht den Uhu irgendwie menschenähnlich. Der Uhu kann seinen Kopf um 270 Grad drehen. In der Antike galt die Eule als Freundin der Göttin Athene als Symbol der Weisheit, im Mittelalter war sie als Tier der Hexen und Zauberer verflucht, heutzutage wird die Eule oft auf Büchern sitzend dargestellt und ist ein Symbol der Wissenschaft.

Nach Uhu Fritz führte Ehrmanns-Kramp ihre Frettchen vor. Mit ihnen erklärte sie eine Variante der Jagd mit Greifvögeln. Die Frettchen dringen in den Kaninchenbau ein und treiben die Kaninchen an die Oberfläche, wo der Greifvogeljäger auf sie wartet.

Die Jagd ist aber nur ein Aspekt der Falknerei. Wer Greifvögel halten will, benötigt den Falkner-Schein. Dieser kann nur in Verbindung mit einem Jagdschein erworben werden. Ehrmanns-Kramp verweist auf weitere Eigenschaften, die ein angehender Falkner mitbringen sollte. Dazu gehören die Liebe zu Tieren, Geduld und viel Engagement, wozu auch der Verzicht auf geregelte Arbeitszeiten und Urlaub gehört.

Nachdem der Beruf in Deutschland fast ausgestorben war, lässt sich heute im Umfeld von Flughäfen oder angesichts der Taubenplage in Innenstädten mit der Falknerei wieder Geld verdienen. Die Oberhausenerin Ehrmanns-Kramp sieht sich als Sonderfall angesichts ihrer Biografie: Mit 17 Jahren nabelte sie sich aus dem Elternhaus ab, stromerte durch die Welt, verbrachte zwei Jahre in Indien, ein Jahr in einem galicischen Schweigekloster, arbeitete 27 Jahre in der Altenpflege, der sie heute noch als Dozentin an Altenpflegeschulen dient. Vor 10 Jahren faszinierte sie anlässlich eines Besuches von Burg Linn eine Greifvogelvorführung. Sie legte die notwendigen Prüfungen ab und richtete auf ihrem Gladbecker Bauernhof Volieren für das Halten von Greifvögeln ein. Seitdem ist sie eine leidenschaftliche Falknerin, die ihre Hauptdarsteller wie den Uhu Fritz, die afrikanische Büschelohreule Bruno, die Schleiereule Charlotte oder Lutz, ein aggressiver amerikanischer Wüstenbussard, in Kindergärten, Schulen, Senioreneinrichtungen oder auf Mittelaltermärkten Tuchfühlung zu Menschen nehmen lässt und so Wissenswertes über das Leben dieser Vögel, ihre Haltung und die Trainingsmethoden weitergibt. "Ich lege weniger Wert auf das Spektakuläre der Greifvögel als auf ihre therapierende Wirkung", sagt die Falknerin. "Der Mensch therapiert, nicht das Tier."

(RP)
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