Krefeld Gestatten, Banchus crefeldensis — die Krefelder Wespe

Krefeld · Ein großer Insektenschatz an der Marktstraße in Krefeld ist am Tag der Museen am Sonntag für Besucher geöffnet. Der Entomologische Verein öffnet nur an diesem Tag für Besucher seine Pforten.

Die Krefelder Wespe und andere Insektenschätze
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Die Krefelder Wespe und andere Insektenschätze

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Zu sehen ist dort auch ein ganz spezielles Krefelder Insekt. Die Schlupfwespe Banchus crefeldensis hat den Namen der Stadt Krefeld erhalten. Der Krefelder Entomologe Albert Ulbricht (1865 - 1927) hat dieses Tier in Krefeld im Bruch entdeckt und es als neue Art beschrieben. Die Wespenart legt ihre Eier mit einem Legebohrer in Raupen, die sie am Boden findet. Dort entwickelt sich dann neue Insekten, indem sie die Raupe von innen auffressen.

Dreijähriger probiert Insektenlarven
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Es ist immer gut, einen Entomologen im Haus zu haben, wie das vorbereitende Gespräch dieses Artikels zeigt: Eine "Musca domestica" (dt. Stubenfliege) summt beim Interviewtermin mit Werner Stenmans nimmermüde durch den Raum, während er über seinen Entomologischen Verein und die Begeisterung für das Kleinsttier spricht. "Stört es Sie, wenn ich die Fliege töte?", fragt der Redakteur den Experten. Stenmans empfiehlt: "Öffnen Sie einfach Fenster und Türe. Bei Durchzug fliegt die raus." Der Hinweis zeigt Wirkung, kurze Zeit später summt es nicht mehr.

Es ist noch nicht allzu lange her, dass Insekten ausnahmslos als störend empfunden wurden. Werner Stenmans (59) hat aber das Gefühl, dass sich das Bewusstsein für Insekten wandelt. Das Bienensterben und die Folgen für Flora und Fauna machen deutlich, wie wichtig Insekten auch für den Menschen sind. "Ich habe das Gefühl, dass sich da etwas tut", sagt der gelernte Fernmeldetechniker, der sich zum Hobby als Entomologe mit Wespen befasst — und so zum Entomologischen Verein kam.

50 Mitglieder hat der Entomologische Verein in Krefeld heute. "In unserer Stadt gibt es aus historischer Tradition heraus eine große Zahl an Insektenliebhabern", sagt Stenmans. "Wir haben an der Marktstraße eine der größten entomologischen Sammlungen im Land."

Dass die Ausstellung morgen öffnet, ist etwas Besonderes: Da die Sammlungen buchstäblich im Licht "verblassen" würden — und es sich um wissenschaftlich wertvolle Objekte handelt — werden diese der Öffentlichkeit nur zum Anlass des Museumstages gezeigt. "Diese Sammlungen sind nicht nur ein Teil des kulturellen Gedächtnisses — sie belegen auch die Artenvielfalt unserer Natur während der vergangenen 150 Jahre. Sie beinhalten daher auch viele hunderte der heute bereits hier ausgestorbenen Arten."

Das Motto des Internationalen Museumstages 2014 "Sammeln verbindet — museum collections make connections!" nehmen die Entomologischen Sammlungen zum Anlass, auch Insektenarten aus fernen Ländern zu zeigen. Diese Exponate sind teils im Rahmen lange zurück liegender Expeditionen Krefelder Naturforscher, teils durch deren internationaler Verbindungen nach Krefeld gelangt, um hier in Krefeld durch Spezialisten bearbeitet zu werden.

Viele der Insektenforscher des letzten Jahrhunderts haben ihre Tätigkeit nicht nur auf das Rheinland beschränkt, sondern waren weit darüber hinaus aktiv. 1905 wurde der Verein von ca. 15 Entomologen gegründet — ursprüngliches Interesse des Vereins galt den Schmetterlingen, doch schon bald kam weiteres Wissen hinzu: Ein Schlupfwespenexperte schloss sich an, ein Bienenexperte, ein Wespenexperte. Das Vereinsziel war, Insekten aus wissenschaftlichen Gründen zu erkunden, nicht aus reinem Sammeltrieb.

Der erste Rückschlag im Jahr 1943: In der Bombennacht wird das Archiv des Entomologischen Vereins ebenso zerstört wie das Archiv des Naturwissenschaftlichen Museums. Dass einige Exponate dennoch den Krieg überdauerten, ist unter anderem dem Krefelder Entomologen Bruno Maixner zu verdanken. Er schaffte, bevor er zum Krieg eingezogen wurde, Teile der Sammlung des Naturwissenschatftlichen Museums in Sicherheit, darunter auch seine eigene Sammlung der Falter "Zygaenen" (Blutströpfchen). Gerettet wurde so auch die Krefelder Wespe "Banchus crefeldensis", die vom Krefelder Entomologen Albert Ulbricht (1865 - 1927) entdeckt worden war. Der Verein rappelte sich dann nach dem Krieg wieder auf.

Die normale Alltags-Arbeit des Entomologen sieht so aus: In bestimmten Naturgebieten werden Insektensammler aufgestellt; alle Insekten, die dort einfliegen, werden nach Arten sortiert und dann den jeweiligen Experten übergeben: Im Entomologischen Verein gibt es heute Experten für Tagfalter und Nachtfalter, für Kleinschmetterlinge, für Käfer, für Heuschrecken, Bienen und Wespen. Wespenexperte Stenmans betont, wie vielfältig die Artenlandschaft ist. "Insekt ist nicht gleich Insekt, der eine Experte kennt Laufkäfer, der andere Rüsselkäfer."

Oft handele es sich dabei um Insekten, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. "Die großen Käfer im Wald sieht man ja leicht, es gibt aber viele Käfer, die sind nur stecknadelkopfgroß und mit bloßem Auge kaum zu unterscheiden." Erst der Detailblick unter dem Mikroskop, die eigentliche Arbeit des Entomologen, ist das wahre Vergnügen. "Wir haben einen wissenschaftlichen Anspruch", sagt Stenmans, der für die Stadt auch zeitweise das Wespentelefon betreut — mit anderen im Team.

Bei den monatlichen Treffen der Entomologen in der Sammlung in den Räumlichkeiten der Marktstraße — eine ehemalige Volksschule, in die die Insektenfreunde 2004 einzogen — tauschen sich die Experten aus. So umfassend die Sammlung auf rund 300 Quadratmetern Fläche auch ist, das Interesse der Krefelder hält sich in Grenzen. Im vergangenen Jahr kamen 120 Besucher zum Museumstag. Stenmans, der durchaus mit Humor auf sein eigenes Hobby blickt, sagt lapidar: "Kein Wunder, dass so wenige kommen, sind ja auch nur tote Tiere."

Das aber ist, wenn man den 59-Jährigen reden hört, eine Untertreibung: Der Entomologe weiß durchaus mit Begeisterung für die Leidenschaft von Insekten zu berichten. Die wissenschaftliche Erforschung bringt durchaus Ergebnisse.

Der Fall des stark bedrohten Falters Ameisenbläuling im Latumer Bruch ist ein gutes Beispiel: Die Entomologen machten mit dem Fund darauf aufmerksam, wie wichtig das Flora-Fauna-Habitat Latumer Bruch für den seltenen Schmetterling ist — wie wichtig es also ist, diesen Naturraum als solchen zu erhalten; oder, wie Stenmans formuliert: "Wir haben das Ziel, dass Biotope so entwickelt werden, dass seltene und wichtige Arten dort leben können." So ist die Arbeit der Entomologen am winzig kleinen Insekt immer auch Arbeit am großen Ganzen.

(erer)
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