Krefeld Geschichtsvergessen? Konflikt um Grabgebühr für Auschwitz-Opfer

Krefeld · Die Nichte einer Sinti- und Roma-Frau, die in Auschwitz inhaftiert war, kann die Grab-Gebühren nicht mehr bezahlen. Die Stadt erlässt die Gebühren nicht - der Bundesverband für NS-Verfolgte protestiert.

 Hauptfriedhof, Feld 13, Nummer 285: Das Grab von Frau Korpatsch ist verwahrlost. Sie gehörte zu den Sinti und Roma und war in Auschwitz inhaftiert. Ihre Nichte, die das Grab bis 2012 finanziert hat, war gestern nicht zu erreichen.

Hauptfriedhof, Feld 13, Nummer 285: Das Grab von Frau Korpatsch ist verwahrlost. Sie gehörte zu den Sinti und Roma und war in Auschwitz inhaftiert. Ihre Nichte, die das Grab bis 2012 finanziert hat, war gestern nicht zu erreichen.

Foto: T.L..

Mit scharfem Protest haben zwei Verbände - der NRW-Landesverband Deutscher Sinti und Roma sowie der Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte - dagegen protestiert, dass die Stadt nicht auf Gebühren für das Grab einer Frau verzichtet, die im NS-Vernichtungslager Auschwitz inhaftiert war. Es handelt sich um das Grab einer Sinti- und Roma-Frau namens Korpatsch. Deren Nichte hat über Jahrzehnte das Grab bezahlt, kann aber die Gebühren für eine Verlängerung nicht mehr tragen. Jost Rebentisch vom Bundesverband für NS-Verfolgte wirft der Stadt nun Geschichtsvergessenheit vor. Die Stadt weist die Kritik zurück: Man verzichte seit zwei Jahren auf Gebühren und plane keine Einebnung.

Die Stadt verzichte seit Ende 2012 auf Eintreibung der Gebühr, berichtet der zuständige Dezernent Thomas Visser. Für eine Fünf-Jahres-Verlängerung seien 590 Euro fällig. Er weist die Darstellung von Rebentisch zurück, die Stadt wolle das Grab räumen. "Wir planen keine Einebnung; wir sind uns der historischen Dimension bewusst." Aus rechtlichen Gründen sei es aber nicht möglich, formell - wie von Rebentischs Verband gefordert - auf die Gebühr zu verzichten. Zwar gebe es eine Initiative des Zentralrates der Deutschen Sinti und Roma, wonach Grabstätten von Kriegsverfolgten den Angehörigen kostenfrei überlassen werden sollen. Doch gebe es noch keine endgültige Regelung; deshalb müsse die Stadt formell auf die Zahlung der Gebühren bestehen.

Rebentisch betont, dass es in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg Vereinbarungen über den Erhalt solcher Gräber gebe. Besonders empört reagiert er darauf, dass die Stadt sich unter anderem auf eine Mitteilung der Deutschen Kriegsgräberfürsorge beruft, wonach private Gräber von den Angehörigen und nicht öffentlich zu pflegen seien. Dazu schreibt Rebentisch: "Der Volksbund kümmert sich in erster Linie um die Gräber toter deutscher Soldaten des Zweiten Weltkrieges, eines Vernichtungskrieges, angezettelt und erbarmungslos durchgeführt von Deutschen - es sind die Gräber der Täter, nicht die der Opfer." Gräber von Opfern des Nazi-Regimes seien Stätten des Gedenkens.

Sehen, ohne zu sehen: Der Alltag neben Auschwitz
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Sinti- und Romaverbände sind bemüht, Gräber von NS-Verfolgten zu bewahren, deren Verlängerung ansteht. Für die Sinti und Roma steht das Gedenken an das Schicksal ihres Volkes auf dem Spiel. Historiker gehen davon aus, dass die Nazis von den 40 000 deutschen und österreichischen Sinti und Roma mehr als 25 000 ermordet haben. Insgesamt fielen 220 000 bis 500 000 Sinti und Roma dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer (Angaben laut Deutschem Historischem Museum).

(RP)
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