Krefeld Geschichte einer Teenie-Mutter

Krefeld · Die Arbeit von Jugendämtern wird von der Öffentlichkeit zumeist erst dann wahrgenommen, wenn etwas schief gelaufen ist. Dabei gibt es Erfolgsgeschichten. Eine davon ist die Geschichte von Jenny.

 Jenny bekam mit 17 ein Kind; heute ist sie 22 und hat ihr Leben im Griff. Das Jugendamt hat sie begleitet und sie gestützt. RP-Foto: Lothar Strücken

Jenny bekam mit 17 ein Kind; heute ist sie 22 und hat ihr Leben im Griff. Das Jugendamt hat sie begleitet und sie gestützt. RP-Foto: Lothar Strücken

Foto: Strücken, Lothar

Marianne Eikermann hat als Familienhelferin eine minderjährige Mutter betreut, die ihr Leben trotz größter Probleme in den Griff bekommen hat. Die junge Frau glaubt, dass sie "zweimal richtig Glück gehabt hat"; die Familienhelferin glaubt, dass zu dem Glück noch wesentlich mehr kam: nämlich "ungeheure Zielstrebigkeit und die Bereitschaft, sich helfen zu lassen".

Laut Marianne Eikermann hätten die "Startbedingungen von Jenny kaum schlechter seien können". Mit sechzehn zieht die junge Frau aus schwierigen Familienverhältnissen zu ihrem Freund. Beide wünschen sich eine intakte Mini-Familie. Mit siebzehn bringt Jenny die gemeinsame Tochter zur Welt. Zu dem Zeitpunkt hat die junge Mutter noch keinen Schulabschluss, der junge Vater ist ohne Einkommen. Rückhalt aus den Ursprungsfamilien gibt es nicht, auch zu ihnen hat das Jugendamt Kontakt.

Am Tag nach der Entbindung bekommt Jenny im Krankenhaus Besuch von einem Herrn. Er stellt sich ihr als der gesetzliche Vormund ihres Kindes vor. Bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr liegt in ihrem Fall das Sorgerecht beim Jugendamt. Für den Tag ihrer Entlassung kündigt das Jugendamt seinen Besuch an, um die häusliche Situation der jungen Familie zu überprüfen. "Ich hab sofort zu Hause angerufen, damit mein Freund die Wohnung aufräumt", berichtet Jenny.

Tatsächlich stehen eine Stunde nach ihrer Heimkehr Mitarbeiter des Jugendamtes in Begleitung einer Pädagogin und einer Hebamme in der kleinen Wohnung. "Die wollten wissen, ob wir Windeln und Babypuder haben. Außerdem haben sie in den Kühlschrank geguckt." Für Marianne Eikermann sind solche Besuche notwendig: "Es muss nicht wie im Bilderbuch aussehen, aber es muss alles für das Kind vorhanden sein." Beliebt sind solche Besuche bei den Familien meist nicht. "Es herrscht eine diffuse negative Vorstellung vom Jugendamt", sagt die Marianne Eikermann. Man fürchte Kontrolle, Druck und Fremdbestimmung.

So auch bei Jenny. Zwar lässt sie eine Besichtigung der Wohnung zu, aber schon nach wenigen Tagen verweigert sie der Hebamme den Zutritt, weil sie "nicht mit ihr klarkommt". Auch eine Kinderkrankenschwester lehnt sie ab: "Was soll die Frau hier. Das ist mein Kind. Ich bestimme selbst." Bei der Frau handelte es sich um Marianne Eikermann. Sie kann sich gut an die Ablehnung der jungen Frau erinnern. Sie erkennt aber auch sofort, dass es dem Baby an nichts mangelt: "Ein Kindesentzug stand nicht zur Debatte." Das nimmt den Druck aus den Gesprächen: "Wir konnten ihr sagen: Wenn du achtzehn bist, darfst du alles selbst entscheiden." Bis dahin waren es noch vier Monate, "da konnten wir die ersten Kompromisse mit ihr machen", erinnert sich die Familienhelferin.

In Hilfeplangesprächen stimmt sie sich mit dem Amt über eine engmaschige Betreuung ab. Engmaschig bedeutet: 15 Stunden pro Woche kommt Marianne Eikermann in die Familie, gibt Tipps, begleitet zu Arzt- und Ämterterminen, ist jederzeit erreichbar, auch am Wochenende. In dieser Zeit schafft sie ein Vertrauensverhältnis, da sie weiß: "In dem Moment, wo man als Kontrolle kommt, wird gemauert." Vier Monate nach Lisas Geburt wird Jenny achtzehn. Von nun an kann das Paar die Beaufsichtigung ablehnen.

Doch inzwischen ist die Unterstützung erwünscht. Jenny möchte ihren Schulabschluss machen. Marianne Eikermann sucht die passende Schule, und Jenny bemüht sich um einen Kita-Platz. "Die haben erst gedacht, dass ich ein Praktikum machen will", erinnert sich die junge Frau. Es gibt sehr wenige Plätze für Babys, aber die Leiterin reagiert umgehend. Für den folgenden Tag lädt sie Jenny samt Baby ein. "Und da hatte ich zum ersten Mal Glück. Als wir beide kamen, durfte ich den Vertrag sofort unterschreiben."

Täglich fährt Jenny morgens mit dem Bus zur Kita, geht zur Schule und holt ihre Tochter nachmittags pünktlich wieder ab. Nach ihrem Haupt- und Realschulabschluss hat sie im vergangenen Jahr ihre Ausbildung zur Arzthelferin begonnen. Die Betreuungszeiten der Kita reichen nicht mehr aus. "Montags habe ich Berufsschule, da muss ich kurz nach Sechs aus dem Haus", sagt Jenny. Sie braucht für ihr Kind zusätzlich eine Tagesmutter. Das Jugendamt macht ihr zwei Vorschläge, doch beide Tagesmütter kommen für Jenny nicht infrage: "Bei der einen war es mir zu unordentlich, und die andere sprach schlecht Deutsch."

Die junge Frau macht sich selbst auf die Suche, spricht eine ihr sympathische Frau an und hat "zum zweiten Mal richtig Glück." Marianne Eikermann sieht in Jenny weniger den Glückspilz als vielmehr "eine starke Persönlichkeit, die den Kampf aufgenommen hat". Eine Betreuung ist schon lange nicht mehr nötig. Vom Kindsvater hat sie sich inzwischen getrennt, aber der Kontakt ist gut und regelmäßig. Sie wohnt mit ihrer Tochter alleine in einer kleinen, hübschen Wohnung.

Vor einigen Wochen hat sie ihren Führerschein gemacht. "Ich habe zwei Jahre gespart und dann immer in 100-Euro-Raten bezahlt." Manchmal fragt sich Marianne Eikermann: "Woher hat Jenny die Kraft, und warum haben andere so viel weniger?" - und sie ergänzt: "Vielleicht liegt es daran, dass Jenny unbedingt ein Teil der Gesellschaft sein möchte."

Daher fand es Jenny auch notwendig, dass ihre inzwischen fünfjährige Tochter kürzlich getauft wurde. Und da zu einer Taufe nach Auffassung der 22-Jährigen auch ein entsprechendes Fest gehört, erstaunt es nicht, wenn sie erzählt: "Ich habe alles geplant, einen Raum gemietet, Essen besorgt, und wir waren alle schick."

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