Kunst in Krefeld Top-Künstler im Kaiser-Wilhelm-Museum

Krefeld · Gerhard Richter, Andreas Gursky, Sigmar Polke, Richard Artschwager: Große Namen finden sich in der Sammlung der Kunstmuseen. Eine neue Ausstellung präsentiert die Highlights aus den Jahren 1965 bis 2017.

 Wer nachzählt, kommt auf 1024 verschiedenfarbige Quatrate. Das wandfüllende Gemälde „1024 Farben“ von Gerhard Richter ist eines der Weltklasse-Exponate aus der Sammlung der Kunstmuseen.

Wer nachzählt, kommt auf 1024 verschiedenfarbige Quatrate. Das wandfüllende Gemälde „1024 Farben“ von Gerhard Richter ist eines der Weltklasse-Exponate aus der Sammlung der Kunstmuseen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Gerhard Richters Kosmos hat 1024 Farben – zumindest im Jahr 1973. Da verfügt er bereits über  Erfahrung mit Farbtafeln, hat die Idee, die den Farbmusterkarten der Industrie nachempfundenen kleinen Farbformate zu einem wandfüllenden Bild zusammenzustellen, bereits umgesetzt. Für „1024 Farben“ bringt er exakt diese Zahl unterschiedlicher Töne auf eine 2,99 mal 2,99 Meter große Leinwand. Dafür hat er „drei Grundfarben plus Grau“ nach dem Zufallsprinzip per Los gemischt, bis es 1024 waren. Jedes Quadrat unterscheidet sich von allen anderen in der Farbe, die Form bleibt immer gleich. In ihrer Summe bilden sie  eine spannungsvolle, wie zufällig entstandene Farblandschaft. Doch wenn der Blick nach Strukturen sucht, ergeben sich Bahnen, Treppen, harmonische und kontrastreiche Verläufe.

1977 haben die Krefelder Kunstmuseen das Bild mit Unterstützung des Landes NRW erworben. Es ist eines der Highlights in der Sammlung und ab sofort im zweiten Obergeschoss zu sehen. Für die Reihe der „Sammlungssatelliten“ hat Constanze Zawadzky „Highlights 1965-2017“ zusammengestellt. Der Rundgang durch die obere Etage ist ein Streifzug durch wichtige Kapitel der Kunstgeschichte, entlang an Namen, die Weltruf haben: Richter, Gursky, Artschwager. Und es gibt manche Wiederentdeckung: Während Richters Druck „Mao“ gelegentlich im Museum zu sehen war, haben die Offsetlithografie „Schiff“ (1972) und der Siebdruck „Flugzeug II“ von 1966 lange im Magazin geschlummert. „Wir haben großartige Namen in der Sammlung. Aber bei 18.000 Werken können wir immer nur einen kleinen Teil zeigen“, sagt Zawadzky. Sie hat deshalb Künstlerräume eingerichtet, in denen verschiedene Stile  oder Ausschnitte aus dem Werk einer Künstlerpersönlichkeit zu sehen sind, und Räume, die eine Strömung beleuchten.

 Naufus Ramirez-Figueroa schuf die „Fettered Flamingos“ 2017 als Mies-Stipendiat für Krefeld.

Naufus Ramirez-Figueroa schuf die „Fettered Flamingos“ 2017 als Mies-Stipendiat für Krefeld.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Zum Beispiel die Düsseldorfer Fotoschule mit Arbeiten von Andreas Gursky, Thomas Ruff, Candida Höfer und Thomas Struth. Vergleiche mit dem Krefelder Volker Döhne, der mit ihnen gemeinsam in der Becher-Klasse war, bieten sich an. Seine Arbeiten sind eine Etage tiefer bis zum 5. Mai zu sehen.

Wie unterschiedlich sich das Thema „Porträt“ fassen lässt, zeigen Thomas Ruffs in den 80er Jahren entstandenen Großformate: Frontalansichten von Kommilitoninnen – wie Pia Fries – und die narrativen Familienszenen von Thomas Struth. Während bei Ruff alle ohne Kulisse in die Kamera blicken, hat Struth seine Protagonisten im heimischen Umfeld fotografiert und so einen Teil ihrer Geschichte eingefangen: Eleanor und Giles Robertson sitzen einander gegenüber, getrennt durch die Tischplatte. Sie blicken nicht in dieselbe Richtung, aber über der Szene liegt Harmonie: Distanz und Nähe. Der Begleittext liefert die Erklärung: Beide leben seit 50 Jahren miteinander, aber jeder hat sein eigenes Zimmer.

 Eine poetische Installation von Bethan Huws: „Boats“ hat sie aus Binsengräsern gebaut.

Eine poetische Installation von Bethan Huws: „Boats“ hat sie aus Binsengräsern gebaut.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Es gibt vieles zu entdecken: Neben den Klassikern der deutschen Malerei, Richter und Polke, auch den Mies-Stipendiaten von 2017: Naufus Ramirez-Figueroa, der pinkfarbene Styropor-Flamingos als Installation an die Kette legte. „Wir folgen der Tradition Wembers und versuchen, aus den Ausstellungen Werke zu erwerben. So wächst die Sammlung stetig“, berichtet die Kuratorin. Es gibt zauberhafte Detailarbeiten wie die „Schiffchen“ der Waliserin Bethan Huws, die sie aus Binsengräsern gebaut hat, und Subtiles wie die Arbeiten des britischen Fußballfans Alan Uglow, die wie Spielfelder nur an der Wand lehnen – auf Holtklötzchen, die mit den gemalten Farbstreifen korrespondieren.

Zvi Goldsteins Arbeiten sind eine Herausforderung: für den, der sie hängt, aber auch für den, der sie betrachtet. Der rumänische Künstler, der in Israel aufgewachsen ist, gibt gerne philosophische Texte bei, die allerdings mehr Fragen aufwerfen als entschlüsseln. Seine Black Box ist so ein Geheimnisfall: Spazierstöcke, Schirme und Winkeleisen hat er nach einem Konzept angebracht, das er schriftlich festgehalten und dann in der Black Box für alle unzugänglich aufbewahrt: Die Kunst will akzeptiert werden, ohne dass der Betrachter sich über die Richtigkeit seiner Deutung rückversichern kann. – Keine Gewähr gibt es auch für den Videofilm „Love“ von Tracey Moffat und Gary Hillberg. Im Jahr 2003 haben sie Szenen aus Hollywoodfilmen zusammengeschnitten, in denen Männer und Frauen sich handfest miteinander streiten. Es ist ein Crescendo von Gewalt, ironisch, satirisch, aber in der Bündelung heftig. Ein Schildchen warnt sensible Gemüter vor dem Anschauen.

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