Arno Schönfeld-Simon "Friederike wäre im Sommer schlimmer gewesen"

Krefeld · Nach dem Sturm zieht Stadtförster Arno Schönfeld-Simon Bilanz und erklärt, wieso Krefeld besonders gut gerüstet war. Mit dem Holz, das in den Wäldern der Seidenstadt zu Boden ging, hätten mehr als 300 Familien durch den Winter kommen können.

 Arno Schönfeld-Simon ist Förster bei der Stadt Krefeld. Der 65-Jährige ist seit zwölf Jahren verantwortlich für die kommunalen Wälder in Krefeld.

Arno Schönfeld-Simon ist Förster bei der Stadt Krefeld. Der 65-Jährige ist seit zwölf Jahren verantwortlich für die kommunalen Wälder in Krefeld.

Foto: Thomas Lammertz

Herr Schönfeld-Simon, wie stressig war die vergangene Woche für Sie?

Arno Schönfeld-Simon Also es war nicht ganz so kräftezehrend wie 2007, als Orkan "Kyrill" über Deutschland gefegt hat. Aber trotzdem: Wir mussten nach "Friederike" erstmal entsprechende Sondierungen vornehmen und schauen, was der Sturm in den Krefelder Wäldern überhaupt angerichtet hat.

Das heißt, die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt?

Schönfeld-Simon Ja, das kann man so sagen. Unsere Mitarbeiter haben sich zunächst einmal auf die Waldwege gestürzt und die dort liegenden Stämme durchgeschnitten oder so genannte Hänger, also schief stehende Bäume, beseitigt. Das sind die Hauptarbeiten, die momentan laufen. Danach werden die im Inneren der Wälder durch den Orkan beeinträchtigten Bäume aufgearbeitet. Diese Arbeiten werden allerdings noch einige Wochen bis Monate andauern.

Windgeschwindigkeiten von Orkan "Friederike" 2018 in NRW
Infos

Diese Windgeschwindigkeiten erreichte "Friederike"

Infos
Foto: Bretz, Andreas

Gibt es eine erste Bilanz, wie schwer "Friederike" die Wälder getroffen hat?

Schönfeld-Simon Im gesamten Stadtgebiet sind Bäume gefallen - und das von unterschiedlichster Art. Sowohl Buchen, Eichen, Eschen, Kirschen, als auch Fichten und Tannen sind betroffen. Der gesamte Schaden in Krefeld ist zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer zu beziffern, aber ich schätze mal, wir können von ungefähr 800 Festmetern Holz sprechen (Anm. d. Red. Zum Vergleich: Im Schnitt verbraucht eine Familie rund zweieinhalb Festmeter Holz, also etwas mehr als drei Raummeter, im gesamten Winter, um damit zu heizen. Somit könnten rund 320 Familien ihre Heizkosten für den Winter damit abdecken).

Wo war es besonders schlimm?

Schönfeld-Simon Das kann man so generell nicht sagen. Es hat den Stadtwald genauso getroffen wie den Forstwald mit dem Südpark, den Hülser Bruch und den Hülser Berg. Überall sind einzelne Bäume zum Teil stark beschädigt und Äste aus den Kronen gebrochen. Krefeld hat zwar relativ wenig Nadelbäume - noch ungefähr drei Prozent - aber im Stadtwald haben wir einen kleinen Bereich aus Fichten, den hat es sehr arg gebeutelt. Dort müssen wir umgehend Maßnahmen ergreifen, weil Gefahr im Verzug ist: Bäume hängen schräg, Wurzeln sind gelockert, manche Stämme abgetrennt.

Also sind Fichten besonders anfällig für Stürme?

Schönfeld-Simon Da muss man grundsätzlich differenzieren zwischen Laub- und Nadelbäumen. Wenn der Sturm, wie jetzt im Winter kommt, wo noch kein Blattaustrieb bei den Bäumen da ist, sind die Laubbäume natürlich nicht so anfällig, wie die Nadelbäume, die auch im Januar Nadeln tragen. Wäre dieser Orkan im Sommer gekommen, hätte das viel gravierendere Folgen gehabt. Durch das Laub hat der Wind dann eine ganz andere Angriffsfläche. Im Fall von "Friederike" kommt hinzu, dass wir in den Tagen vor dem Orkan sehr viel Niederschlag hatten, der den Boden sehr aufgeweicht hat. Das hat dazu geführt, dass die Wurzeln den Stamm nicht mehr so gut halten konnten.

Gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit, die Wälder "sturmfest" zu machen?

Schönfeld-Simon Nein, aber wir sind in Krefeld ganz gut gerüstet. Wir können natürlich an einigen Stellen einfach keine Nadelbäume pflanzen, klar. Aber davon sind wir hier gar nicht betroffen. Wir haben seit vielen Jahrzehnten einen sehr hohen Laubholzbestand und leben nicht in Mittelgebirgslagen, sondern im Niederrheinischen Tiefland. Das ist gegenüber einem Orkan ein Segen.

Sie können den Kahlschlag also nun nutzen, um andere Bäume zu pflanzen?

Schönfeld-Simon Sofern es kleine Kahlschläge sind, kann man diese Flächen neu bepflanzen oder versucht, über Naturverjüngung die Saat umstehender Bäume zu nutzen. Aber jetzt geht es erstmal darum, sich einen genauen Überblick über die Schäden zu verschaffen. Danach entscheiden wir, ob und wie wir die Flächen neu bewalden.

Kontrollieren Sie die Bäume regelmäßig auf ihre Standfestigkeit?

Schönfeld-Simon Selbstverständlich, das machen wir jedes Jahr. Das ist unsere Pflicht - aufgrund der Verkehrssicherung. Wir haben einen zertifizierten Baumkontrolleur. Der hat die Aufgabe, an den Randgebieten die Bäume in der Nähe von Wegen, Straßen, Wohn-, Gewerbe- und Industriegebieten zu überprüfen. Und sollte ein Baum eine Gefahr darstellen, wird er entfernt.

Woran erkennt der Baumkontrolleur diese Gefahr?

Schönfeld-Simon Das zeigt die Vitalität der Krone, oder die Tatsache, ob sich ein Pilzkörper im Bereich der Wurzeln oder am Stamm angesiedelt hat. Der Kontrolleur klopft auch die Stämme mit einem speziellen Hammer ab. Ein hohler Baum gibt einen völlig anderen Klang ab, als ein Baum, der noch voller Holzmasse ist.

"Friederike" hat auch auf privaten Grundstücken Bäume entwurzelt. Haben Sie einen Tipp für Hausbesitzer, wie sie ihren Garten etwas sicherer machen können?

Schönfeld-Simon (lacht) Nein, also wenn ich diese Tipps hätte, wäre ich ein reicher Mann. Das ist höhere Gewalt, da sind Sie völlig machtlos.

(atrie)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort