„Mord ohne Leiche“ Frauenleiche aus Krefelder Keller ist die vermisste Gelsenkirchenerin Anna S.

Krefeld · In einem Keller in Krefeld ist eine eingemauerte Frauenleiche entdeckt worden. Nun steht fest: Es ist die seit 2019 vermisste Anna S. aus Gelsenkirchen, die der Krefelder Michael S. ermordet hat. Der Fall hat als „Mord ohne Leiche“ Schlagzeilen gemacht.

Die Leiche von Anna S. wird aus einem Haus in Krefeld transportiert.

Die Leiche von Anna S. wird aus einem Haus in Krefeld transportiert.

Foto: Samla Fotoagentur/samla.de

Bei der Frauenleiche, die am Montag, 14. März, im Keller eines Hauses in Krefeld entdeckt worden war, handelt es sich um  die seit Juni 2019 verschwundenen Gelsenkirchenerin Anna S. Dies habe die Obduktion zweifelsfrei ergeben, teilten die Staatsanwaltschaft Essen und die Polizei Gelsenkirchen am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung mit.  Anna S. ist ermordet worden; ihr Mörder, der Krefelder  Michael S., ist dafür im Dezember 2020 durch das Landgericht Essen  zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. S. hatte die Frau nach Überzeugung des Gerichts  aus Eifersucht umgebracht, weil er es nicht ertrug, dass sie nicht fest  mit ihm zusammenleben wollte. Der Fall hatte als „Mord ohne Leiche“ Schlagzeilen gemacht, da man den Leichnam der Frau nicht fand – bis Montag, 14. März 2022. Die Leiche war im Keller des Hauses entdeckt worden, in dem der Mörder in einer Wohnung gelebt hatte und in der wohl auch der Mord stattgefunden hatte.

Das  Gutachten der Rechtsmedizin ergab, dass die Gelsenkirchenerin vermutlich erstickt wurde.  Die nun ermittelte Todesursache deckt sich mit den Feststellungen des Landgerichts Essen in der Urteilsbegründung zu den Todesumständen der Frau. Die Ermittler hatten seinerzeit bei Michael S. Videoaufnahmen von der toten Frau entdeckt; daraus ging hervor, dass er sie wohl mit einer Tüte erstickt hat.

Es bleiben Fragen offen, zu denen Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag nichts sagen wollten. Die zuständige Essener Staatsanwältin gab sich auf Anfrage unserer Redaktion geradezu schmallippig zurückhaltend. Zu vermuten ist daher, dass der Fall noch nicht ausermittelt ist und die Umstände, unter denen die Leiche im Keller eingemauert wurde, noch geklärt werden. Die Fragen liegen auf der Hand: Wie konnte jemand in einem Keller eine Leiche einmauern, ohne dass niemand sonst diese „Bauarbeiten“ bemerkt hatte? Wann wurde die Leiche dort eingemauert – gleich nach dem Mord oder gar viel später durch Helfer? Warum hat die Polizei  15 Monate nach dem Schuldspruch den Keller durchsucht, obwohl das Haus im Zuge der ersten Ermittlungen bereits gründlich durchsucht worden war? Hat jemand der Polizei einen Tipp gegeben?

Fragen bleiben auch zum Verhalten der Justiz. Michael S. konnte den Mord an Anna S. begehen, weil sich ein Berufungsverfahren in einer anderen Sache, in der es ebenfalls um die schwere Misshandlung einer Frau ging, über Jahren hinausgezögert hatte. Hintergrund: Michael S. war 2015 vom Amtsgericht Krefeld zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden, weil er  seine damalige Lebensgefährtin angegriffen, gewürgt und  misshandelt  hatte. S. war in die Berufung gegangen – dieses Verfahren zog sich dann über Jahre hin, Michael S. blieb auf freiem Fuß bis zu seiner neuerlichen Verhaftung im Jahr 2019 nach dem Mord an der Gelsenkirchenerin  Anna S.. Dies geht aus eine vierteiligen, sehr sorgfältigen  Dokumentation hervor, die der WDR über den Fall unter dem Titel „Mehr als ein Mord“  gedreht hat.

Dabei war Michael S. einschlägig vorbestraft, seine Gefährlichkeit  gutachterlich belegt. Er war 1999 wegen Totschlags an einer Ex-Freundin  zu  elf Jahren Haft verurteilt worden; er hatte die Frau mit 126 Messerstichen regelrecht abgeschlachtet. Im Zuge dieses Verfahrens und seiner Haft ist er mehrfach begutachtet worden, auch weil er Anträge auf Haftentlassung gestellt hat.

Ein Gutachter, der dort zu Wort kommt und der Michael S. 2007 begutachtet hatte, sagt über Michael S., dessen Tötungsdelikt habe S. überhaupt nicht bekümmert; er habe problemlos damit leben können. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass S. gefährlich bleibt: „Es gibt eigentlich nur einen einzigen Faktor, der ihn von ähnlichen Taten abhalten kann, nämlich die Angst davor, dass er wieder geschnappt wird und einfährt. Andere Hemmungen hat er bei solchen Dingen  nicht.“

Die Angehörigen von Anna S. könne immerhin abschließen, weil sie nun Abschied nehmen können. Der Schwager  von Anna hatte dem WDR gesagt: „Sie beerdigen zu können – das ist ganz ganz wichtig.“

(mit dpa)
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