Kultur in Krefeld Franz Schuberts Winterreise – ein Liederabend mit und ohne Ballett

Krefeld · Die Winterreise umfasst 24 Lieder, in denen das lyrische Ich seine seelischen Zustände während einer einsamen Wanderung beschreibt, durchzogen von Todesahnung.

 Liederabend mit Ballett „Winterreise“, fotografiert von Matthias Stutte. „Winterreise“ mit Choreografien von Robert North feiert am Samstag, den 20. November um 18 Uhr Premiere im Theater Krefeld.

Liederabend mit Ballett „Winterreise“, fotografiert von Matthias Stutte. „Winterreise“ mit Choreografien von Robert North feiert am Samstag, den 20. November um 18 Uhr Premiere im Theater Krefeld.

Foto: Matthias Stutte

Piano, Gesang und Tanz waren die Elemente, für die sich das Publikum bei der Uraufführung von „Winterreise“ mit sehr viel Begeisterung bedankte. Choreograf Robert North hat sechs Tänzer Stimmungen und Erinnerungen aus dem berühmten Liederzyklus verkörpern lassen. Der österreichische Komponist Franz Schubert (1797-1828) hat in seinem kurzen Leben viel Musik geschaffen. Sein 1827 entstandener Liederzyklus „Die Winterreise“ gilt als Höhepunkt der Liedgattung im 19. Jahrhundert. Schubert bezeichnete seinen Freunden die Komposition als „schauerlichste Lieder“. Die Gedichte stammen von Johann Ludwig Wilhelm Müller (1794-1827), der auch „Die schöne Müllerin“ schrieb, gleichfalls von Schubert vertont.

Die Winterreise umfasst 24 unterschiedlich lange Lieder, in denen das lyrische Ich seine seelischen Zustände während einer einsamen Wanderung beschreibt, durchzogen von Todesahnung. Isolierung und Entfremdung bewegen den Erzähler, heitere Erinnerungen verwandeln sich in tiefe Melancholie. „Am Brunnen vor dem Tore“ und „Der Leiermann“ gehören wohl zu den bekanntesten Teilen des Zyklus und beide gehen wie das gesamte Werk weit über das persönliche Fühlen hinaus, sind Spiegel menschlichen Empfindens überhaupt.

Um dieses romantische Werk tänzerisch darzustellen, lässt die Choreografie den „Fremden“ (Alessandro Borghesani) und seinen „Doppelgänger“ (Marco A. Carlucci) tanzen. Letzterer in einem dunkelblauen Gewand: Beim sehr gelungenen Pas de deux der beiden Männer ist der eine Schatten des anderen.

Der Fremde wiederum trägt dieselbe Kleidung wie der herausragende Sänger des Abends (Rafael Bruck): Frühes 19. Jahrhundert – so könnte auch Schubert sich gekleidet haben. Die Geliebte (Flávia Harada) bewegt sich in flammendem Rot als unerreichbare und immer wieder entweichende Geliebte. Julianne Cederstam und Alice Franchini verkörpern in Hellgrün und lichtem Blau Natur und Hoffnung zu den eher heiteren musikalischen Partien. Die „Lebensfrohe“ tanzt Teresa Levrini. Mit diesen konkreten Figuren hat Robert North sich den Stoff auf eine überraschende Weise anverwandelt.

Romantisches Sehnen und Traurigkeit greift Udo Hesse (Kostüme und Bühne) mit dem Maler Caspar David Friedrich auf: Wie Fahnen werden Ausschnitte aus seinen Gemälden wechselweise heruntergelassen und hochgezogen. Manchmal fungieren sie in wechselnder Beleuchtung zudem als Raumteiler vor einer asymmetrisch platzierten Rampe im linken Hintergrund. 

Das Herz der Aufführung allerdings ist der Gesang von Bariton Rafael Bruck, vortrefflich begleitet vom Pianisten André Parfenov. Bruck bekommt den Raum vor der Bühne, steht mal vor dem Flügel, sitzt auf der Bühnenkante, liest etwas an seinem Biedermeier-Schreibtisch oder tritt sogar ganz auf die Bühne. Bruck meistert die Stimmungen des Liederzyklus auf eindrucksvolle Weise. Sein Gesang enthält die gesamte Melancholie der Winterreise und überträgt den Weltschmerz auf den Zuhörer. Das ist besonders eindringlich, wenn ihm die Bühne allein gehört. Denn North hat nicht jedes Lied in Tanz umgesetzt. Bleibt die Frage: Braucht der Schubertsche Liederzyklus „Die Winterreise“ diese individualisierte Übersetzung in den Tanz?

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