Krefeld Forscher warnt vor Beuys-Platz

Krefeld · In einem Schreiben an Fraktionen und Oberbürgermeister warnt der Beuys-Forscher Ron Manheim die Stadt davor, einen Platz nach Joseph Beuys zu benennen. Beuys habe in seinem politischen Denken viele dunkle Seiten.

 Ron Manheim (68) vor einem Porträt von Joseph Beuys. Manheim war stellvertretender künstlerischer Leiter des Museums Schloss Moyland

Ron Manheim (68) vor einem Porträt von Joseph Beuys. Manheim war stellvertretender künstlerischer Leiter des Museums Schloss Moyland

Foto: Gottfried Evers

Der Beuys-Forscher und langjährige stellvertretende künstlerische Leiter des Museums Schloss Moyland, Ron Manheim, hat in einem Schreiben an die Krefelder Ratsfraktionen und Oberbürgermeister Gregor Kathstede davor gewarnt, den Künstler Joseph Beuys mit der Benennung eines Platzes nach seinem Namen zu ehren.

"Man darf meines Erachtens nicht eine Person in der beabsichtigten Form ehren, dessen Denken so viele dunkle Seiten gezeigt hat", schreibt Manheim. Er bezieht sich auf politische und geschichtliche Äußerungen von Beuys, die revanchistischen Charakter hätten und eine gewisse Nähe zu nazistischem Gedankengut erkennen ließen.

Als Beispiel führt Manheim ein Beuys-Interview von 1980 an, in dem Beuys behauptete, die deutsche Luftwaffe habe im Zweiten Weltkrieg keine zivilen Ziele angegriffen: "Städte wie die Amerikaner oder die Engländer haben wir nie angegriffen, sondern nur taktische Ziele." Beuys hatte sich 1941 als Abiturient freiwillig zur Luftwaffe gemeldet. Ein weiteres Beispiel: Gefragt nach dem Charakter des Unterrichts während der Nazi-Zeit, antwortete Beuys 1982: "Der Zugriff des Staats, wie er heute ist, war ja längst nicht so stark damals. Die Autonomie der Schule war relativ groß."

Und er fügte hinzu: "Heute ist die Schule viel stärker zentralisiert und in der Hand des Staates, und in der Schule ist sehr viel weniger Eigenverantwortlichkeit der Lehrenden und Lernenden möglich. Ist doch ein verstaatlichtes Unternehmen, ist doch kommunistisch-zentralistisch unser Schulwesen — unter dem Gesichtspunkt — ist es doch bolschewisiert."

"Ich verachte Beuys nicht, ich plädiere dafür, ihn differenziert zu sehen", sagte Manheim gestern im RP-Gespräch, "ich möchte Beuys als großen Künstler sehen, aber nicht als Heiligen." Joseph Beuys habe so in seinen geschichtlichen und politischen Äußerungen "viele entsetzliche und überholte Ideen" gehabt, die man nur als revanchistisch und braun gefärbt bezeichnen könne.

Für ihn sei es ein großes Problem, Beuys Denken mit seinem Kunstbegriff zu vereinbaren, in dem Kunst menschenfreundlich als "soziale Plastik" konzipiert sei und soziale Aspekte im Gemeinwesen betone. Manheim wolle, dass ein Gemeinwesen wie Krefeld sich darüber im Klaren sei. Die Benennung eines Platzes sei "etwas, das von der ganzen Stadt getragen werden soll"; er weise nun auf die dunklen Seiten von Beuys hin, "damit man weiß, was man entscheidet". Beuys befremdliche politische Äußerungen würde oft "von Künstler- und Kunsthistorikerseite beiseitegeschoben, wenn man denn darüber überhaupt Bescheid weiß", schreibt Manheim an den Stadtrat.

Er kündigte an, in absehbarer Zeit eine umfassende Arbeit über das Denken von Beuys und namentlich über seine Geschichtskonstruktionen vorzulegen. Die im oben genannten Schreiben angeführten Zitate seien nur wenige Beispiele aus einer umfangreichen Sammlung vergleichbarer Aussagen, die ihn dazu veranlasse, das Verhältnis zwischen Beuys' Geschichtsauffassung und seiner Kunsttheorie näher zu untersuchen.

(RP/rl)
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