Wirtschaft Flexible Arbeitsplätze – Krefeld Schlusslicht

Krefeld · Das Urteil ist niederschmetternd: Wenn es um die Attraktivität von Arbeitsplätzen geht, belegt Krefeld unter den 40 größten deutschen Städten den letzten Platz. Die WBS-Gruppe wertete für ihre Studie täglich mehr als 250.000 Stellenanzeigen aus. Außen vor blieben bei der Auswertung die Höhe von Lohn oder Gehalt.

 Die Arbeitsplätze in der Stadt sind laut einer aktuellen Studie im Vergleich zu anderen Großstädten nicht ausreichend flexibel hinsichtlich  Arbeitszeiten, Arbeitsort und  Zusatzleistungen.

Die Arbeitsplätze in der Stadt sind laut einer aktuellen Studie im Vergleich zu anderen Großstädten nicht ausreichend flexibel hinsichtlich  Arbeitszeiten, Arbeitsort und  Zusatzleistungen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Der Wettlauf der Unternehmen im Bemühen um gut ausgebildete und leistungsbereite Arbeitnehmer hat längst begonnen. Die Begriffe demografischer Wandel und Fachkräftemangel beherrschen die öffentliche Diskussion seit Jahren bis zum Überdruss. Mittlerweile bestimmen die Höhe des Lohns oder Gehalts nicht mehr allein die Attraktivität eines Job-Angebots. Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Zusatzleistungen wie Dienst-Smartphones und -Laptops spielen eine Rolle.

Die WBS-Gruppe analysierte täglich mehr als 250.000 Stellenanzeigen aus den 40 größten Städten Deutschlands auf die Möglichkeit hin, flexibel zu arbeiten. Krefeld landet auf dem letzten Platz. Für die Studie wurden Daten zu den Variablen Teilzeit, Gleitzeit, Work-Life-Balance, Homeoffice sowie Firmenhandy und -laptop untersucht. Pro Variable wurden jeweils ein bis 40 Punkte vergeben. Den ersten Platz des Rankings belegt Köln mit insgesamt 171 von 240 möglichen Punkten. Knapp dahinter reihen sich Karlsruhe und Düsseldorf mit 170 beziehungsweise 168 Punkten ein.

Köln erreicht pro Variable jeweils gute Werte mit 19 bis 39 Punkten. Karlsruher Arbeitgeber hingegen bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beispielsweise am häufigsten die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, doch am seltensten die Option auf eine Teilzeitstelle. Lübeck hat bei zwei Variablen die Nase vorn. Am häufigsten haben Lübecker Arbeitnehmer die Option, in Teilzeit arbeiten zu können. Lübecker Stellenanzeigen enthalten außerdem anteilig am meisten den Benefit eines Diensthandys. Damit gewinnt die norddeutsche Stadt, die insgesamt nur auf Platz 29 des Rankings landet, als einzige Stadt in zwei Kategorien. Von Gleitzeiten profitieren in Rostock Arbeitende am ehesten und mit einer positiven Work-Life-Balance werben vor allem Wiesbadener Arbeitgeber. Wer in Erfurt arbeitet, bekommt am häufigsten Laptops gestellt.

Krefeld, Gelsenkirchen und Chemnitz sind die Verlierer des Rankings. Auf dem letzten Platz rangiert die Seidenstadt. Die Kommune landet jeweils unter den letzten zehn Platzierungen, wenn es um die Kategorien Diensthandys oder -laptops, eine gute Work-Life-Balance oder die Option, in Teilzeit oder im Homeoffice arbeiten zu dürfen, geht. Insgesamt stehen am Ende 46 Punkte auf dem Konto von Krefeld.

Joachim Giese, Vorstand der WBS Gruppe, kommentiert die Analyse: „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es wichtig, als Arbeitgeber den potenziellen Mitarbeitern etwas zu bieten, das über ein gutes Gehalt hinausgeht. So können Unternehmen beispielsweise mit einer besonders guten Work-Life-Balance punkten. Unsere Analyse zeigt, dass Arbeitnehmer diesbezüglich bundesweit höchst unterschiedliche Möglichkeiten geboten werden. Als knapper Sieger unseres Rankings ging am Ende Köln hervor. Hier werden Arbeitenden insgesamt am häufigsten flexible Arbeitsmodelle offeriert.“

Petra Pigerl-Radtke, Geschäftsführerin Berufliche Bildung und Fachkräftesicherung der IHK Mittlerer Niederrhein mit Sitz in Krefeld, weist auf den Unterschied von Theorie und Praxis hin. Stellenanzeigen seien nicht ausreichend, um die Wirklichkeit in den Krefelder Firmen und Betrieben hinreichen d zu beschreiben. „Es wurde analysiert, was in Stellenanzeigen beworben wird. Was in der Praxis tatsächlich im Unternehmen gelebt wird – etwa in Bezug auf Gleitzeit – kann davon abweichen“, erklärte sie auf Anfrage unserer Redaktion.

Eine Erkenntnis könne man sicherlich aus der Untersuchung ziehen: Es lohne sich für Unternehmen, Leistungen die für sie selbstverständlich seien, besser zu vermarkten. Arbeitgeberattraktivität solle zumindest beispielhaft mit konkreten Angeboten wie Dienst-Smartphone, Homeoffice und anderes kommuniziert werden, damit sie bei potenziellen Bewerbern ankomme. Wichtig sei, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam gute Lösungen für die Wünsche und Möglichkeiten beider Seiten fänden, betonte Petra Pigerl-Radtke.

Flexibel sein bedeute, individuelle Lösungen zu entwickeln und nicht das Überstülpen von Standards. Zweifellos sei der Fachkräftemangel für viele Unternehmen inzwischen die größte Herausforderung. In vielen Branchen bestehe ein Arbeitnehmermarkt, und die Unternehmen täten gut daran, sich darauf einzustellen. Die IHK stehe vor allem kleinen und mittleren Unternehmen mit der Fachkräfteberatung zur Seite und helfe dabei, moderne Personalentwicklungsstrategien zu entwickeln. Die Krefelder Unternehmen wüssten, wie wichtig das Thema sei. „Das kann man auch am Engagement der Unternehmen im ,Aktionsplan Wirtschaft für Krefeld’ erkennen. Dabei geht es auch darum, dass sich die Stadt als attraktiver Standort mit Lebensqualität für Unternehmen und ihre Mitarbeiter weiterentwickelt,“ sagte Petra Pigerl-Radtke.

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