Zehntausende Gäste kamen nach Linn Flachsmarkt – begeisterte Besucher stürmen die Burg

Krefeld · Über Pfingsten lockte der Flachsmarkt mit strahlendem Sonnenschein und abwechslungsreichem Programm zur Burg Linn. Die Traditionsveranstaltung mit ihren vielschichtigen Handwerkskünsten und dem Ritterlager zog die Besucher wieder magisch an. Groß und Klein schauten in glückliche Gesichter und ließen einfach die Seele baumeln. Ein Erlebnisbericht.

 Das Mittelalter erstrahlte zu Pfingsten auf Burg Linn: Auf der Turnierwiese zogen die Ritter hoch zu Ross ein und errichteten ihr Lager.

Das Mittelalter erstrahlte zu Pfingsten auf Burg Linn: Auf der Turnierwiese zogen die Ritter hoch zu Ross ein und errichteten ihr Lager.

Foto: Bianca Treffer

„Jetzt kann es losgehen“, sagt Gerd Lamprecht. Damit gibt das Mitglied des Heimatvereins Wulfen 1922 den Startschuss für Nela. Die Achtjährige umfasst das Drehkreuz der Reeperbahn und beginnt zu kurbeln. Das Reepen setzt ein. Reepen heißt dabei nichts anderes als Drehen. In diesem Fall werden vier Seile zu einem verdreht. Die Seilschlagmaschine leistet, angetrieben von Nela, ganze Arbeit. Kurze Zeit später ist sie Besitzerin eines mehrfarbigen, dicken, rund drei Meter langen Seiles samt Karabiner. „Das wird mein Kletterseil“, verrät Nela, die sichtlich stolz auf die geleistete Arbeit ist.

Ein Stückchen weiter ist das gleichmäßige Geräusch einer handbetriebenen Drechselbank zu hören. Auch hier ist eine junge Dame im Einsatz. Per Fußbetrieb werden die Antriebsriemen in Bewegung gesetzt, die das eingespannte Holzstück in Bewegung setzen. Das wiederum wird mit dem Holzbeitel bearbeitet. Etwas schneller geht das Ganze bei Klaus Mader von der gleichnamigen Kreiselmanufaktur aus Österreich. Die elektrisch angetriebene Drechselbank lässt das Holzstück rotieren. Der Österreicher wechselt die verschiedenen Werkzeuge routiniert. Unter seinen Händen entsteht, begleitet vom Wegfliegen der Holzspäne, ein formschöner Kreisel, der das Markenzeichen des Unternehmens, einen schmalen eingefrästen Kranz, trägt. Mit dem Schleifpapier gibt es den letzten Feinschliff, dann lässt Mader den Kreisel seinen ersten Tanz machen. Ob Kreisel oder Springseile, die allesamt handgedrechselte Griffe tragen, die Handwerkskunst des Österreichers zieht die Besucher an.

Das eigene Seil drehen – die Seilerei des Heimatvereins Wulfen machte es am Wochenende in Krefeld möglich.

Das eigene Seil drehen – die Seilerei des Heimatvereins Wulfen machte es am Wochenende in Krefeld möglich.

Foto: Bianca Treffer

Das ist aber nicht die einige Handwerkskunst, die es zu bestaunen gilt. Auf der Burg Linn hat der Flachsmarkt Einzug gehalten. Rund 300 Handwerker haben ihre Stände aufgeschlagen, wobei vielen von ihnen über die Schulter geschaut werden kann und man teilweise sogar einmal selber unter die Handwerker gehen kann. Stephan Beek hantiert so mit dem Bügeleisen, allerdings nicht auf der Wäsche, sondern auf einem historischen Beistelltisch. „Mit Hilfe der Wärme und dem feuchten Tuch löse ich das Furnier an“, erklärt der Tischler und geprüfte Restaurator für Möbel- und Holzobjekte von Unicum den interessiert zuschauenden Zuschauern. Die Zuhörer erfahren, was es mit dem Knochenleim auf sich hat, der in einem Wasserbad neben Beek köchelt und wer noch nie etwas von Hautleim gehört hat, der lernt diesen ebenso kennen.

 Korbfechter begleitet von mittelalterlichen Tönen – die Musik gehört auch zum Flachsmarkt.

Korbfechter begleitet von mittelalterlichen Tönen – die Musik gehört auch zum Flachsmarkt.

Foto: Bianca Treffer

Bei Freeform Glaskunst zischt derweil der Gasbrenner. Carina Förster hält eine Glasperle in die rund 1100 Grad heiße Flamme. „Wir schmelzen die Farbglasstäbe in der Flamme. Das Glas wird um einen Stab gewickelt, der mit einem Trennmittel beschichtet ist. Wenn alles abgekühlt ist, kann die Perle abgezogen werden“, erklärt Stephan Thorp den Vorgang. Eine ganz ungewöhnliche Kombination ist bei Sabine Siegler anzutreffen. Die aus dem Chiemgau angereiste Künstlerin kombiniert Holz und Ton. „Das Holz stammt aus Bergwäldern in Bayern und Österreich. Die Holzform gibt mir vor, was ich dazu modelliere“, erzählt Siegler, die gerade einen Vogel aus Ton entstehen lässt. Die Unikate an ihrem Stand begeistern die Besucher. Das gilt auch für die handgenähten Taschen von Barbara Rummel. Deren Tochter Kathrin ist an der Nähmaschine anzutreffen. „Vom Entwurf bis zum Verkauf stammt alles aus unserem Haus“, sagt die junge Frau.

 Jede Menge Informationen über den Flachs, dem Namensgeber des Flachsmarkts, gab es unter anderem am Stand des Flachsmuseums Wegberg-Beeck.

Jede Menge Informationen über den Flachs, dem Namensgeber des Flachsmarkts, gab es unter anderem am Stand des Flachsmuseums Wegberg-Beeck.

Foto: Bianca Treffer

Auf der Turnierwiese sind inzwischen die Ritter hoch zu Ross eingezogen. Knappen reichen Lanzen an. Das Schnauben der Pferde vermischt sich mit dem Klirren der Rüstungen, wenn die Ritter angaloppieren. Das Ziel ist ein Beutel an einem Holzpfahl, der mit der Lanze anvisiert wird. Die Pferdehufe bringen die Wiese zum Beben. Voller Faszination verfolgen die dicht an dicht stehenden Zuschauer hinter den Absperrungen die Aktivitäten auf dem Turnierplatz. Ein Stück Lagerleben kann ebenso erfahren werden. Fahnen wehen im Wind, Ausrüstungen der Ritter liegen vor Zelten, Edelfräulein sitzen auf Holzstühlen und beachten das kunterbunte Leben um sie herum. Weiße Wäsche flattert an langen Wäscheleinen im Wind. Spielmannsleute und Gaukler ziehen umher.

Alte Möbel in neuem Glanz: Stephan Beek gab zahlreiche Tipps.

Alte Möbel in neuem Glanz: Stephan Beek gab zahlreiche Tipps.

Foto: Bianca Treffer

Wer einen Blick in die Zukunft werfen möchte, der kann das bei Wahrsagerin Cassandra tun. Etwas Geduld braucht man indes, wenn man ein Portrait sein Eigen nennen möchte. Bei Andre Weseloh können sich die Besucher ein wenig gruseln. Er ist mit Kira unterwegs und die ist nicht jedermanns Sache. Es handelt sich nämlich um eine Boa constrictor. „Schlangen sind nicht kalt, nass und glitschig. Wer möchte, dem lege ich Kira einmal um den Hals“, sagt Weseloh. Florian und sein Vater nehmen das Angebot unter den staunenden Augen zahlreicher Zuschauer an. „Toll“, kommentiert der Siebenjährigen im Anschluss den Kontakt mit Kira.

Die Besucher bummeln in Mengen über das Gelände rund um die Burg Linn und genießen das bunte Treiben, das sich ihnen überall bietet. Dem Münzschmuckhersteller bei der Arbeit zusehen, sich an den einmalig schönen Wollbildern erfreuen, den Hutsalon besuchen oder sich einmal beim Flachsmuseum Wegberg-Beeck über den Flachsanbau und die Verarbeitung informieren, schließlich ist es das Produkt, dass dem Markt seinen Namen gegeben hat – Langeweile ist ein Fremdwort. Bei der Marzipan-Nougateria läuft so manchem – trotz sommerlicher Temperaturen – das Wasser im Mund zusammen. Überhaupt kommt das Schlemmen nicht zu kurz. Die Gastronomie tischt für jeden Geschmack etwas auf. Besonders gemütlich sitzt es sich dabei im Flachsmarktcafé auf der Ritterwiese mit Rundumblick auf das Geschehen.

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