Krefeld Fassungslosigkeit über Judenstern-Vergleich der AfD

Krefeld · Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Krefelds, Michael Gilad, und die Krefelder Historikerin Claudia Flümann zeigen sich entsetzt über die Holocaust-Anspielung der Krefelder AfD.

 Dieses Exemplar eines Judensterns gehört zum Bestand der NS-Gedenkstätte Villa Merländer. Juden mussten solche Sterne in Nazideutschland ab 1941 sichtbar an der Kleidung tragen.

Dieses Exemplar eines Judensterns gehört zum Bestand der NS-Gedenkstätte Villa Merländer. Juden mussten solche Sterne in Nazideutschland ab 1941 sichtbar an der Kleidung tragen.

Foto: Lammertz

Entsetzen und Frustration über die gefühllose Ignoranz und Fassungslosigkeit: So lassen sich die Reaktionen auf Äußerungen des Krefelder Kreisverbandes der AfD beschreiben, der die Kritik an Positionen der eigenen Partei mit der Verfolgung von Juden in Nazi-Deutschland verglichen hat (wir berichteten).

Hintergrund: Der Krefelder AfD-Ableger hatte auf seiner Facebook-Seite einen Vorgang in Frankfurt kommentiert. Die dortige Arbeiterwohlfahrt (Awo) hatte erklärt, AfD-Positionen ließen sich nicht mit den Statuten des Verbandes vereinbaren, und ein AfD-Mitglied entlassen. Die AfD Krefeld sprach daraufhin auf ihrer Facebook-Seite von Berufsverbot und spielte auf den gelben Stern an, den Juden in Hitlerdeutschland tragen mussten: "Freuen Sie sich schon auf den blauen Stern? Wir wissen: Wir werden den Stern wie eine Auszeichnung tragen! Bis zum bitteren Ende!"

Michael Gilad, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Krefeld, sagte dazu: "Mit solchen Aussagen wollen die Leute provozieren, oder ihnen ist die Geschichte nicht bewusst." Fassungslos ist Gilad über die Formulierung "bis zum bitteren Ende": "Bis zum bitteren Ende sind meine Großeltern und meine Tanten gegangen. Sie wurden in Lettland ermordet. Das heißt es, bis zum bitteren Ende zu gehen." Die AfD-Politiker sollten froh sein, nicht in der damaligen Zeit zu leben. Fassungslos reagierte auch die Krefelder Historikern Claudia Flümann, die kürzlich einen fabelhaften Band über die Enteignung jüdischer Unternehmer in Krefeld vorgelegt hat (". . . doch nicht bei uns in Krefeld!" - Arisierung, Enteignung, Wiedergutmachung in der Samt- und Seidenstadt 1933 bis 1963"). Eine Gleichsetzung auch nur der Anfänge der Judenverfolgung im Dritten Reich mit den unterschiedlichen Formen des politischen und publizistischen Gegenwindes, mit dem sich die AFD konfrontiert sehe, sei absurd, betont Flümann. Aus der Perspektive der damals Verfolgten und Ermordeten betrachtet, seien solche Vergleiche schwer erträglich, weil sie das Erlittene der Opfer unweigerlich geringschätzten.

Flümann weist darauf hin, dass es den "blauen Stern", von dem die AfD in Anspielung auf die Farbe Blau im Partei-Logo sprach, tatsächlich gegeben hat. Ab dem 1. Dezember 1939 mussten demnach alle Juden im von der deutschen Wehrmacht besetzten Polen eine Armbinde mit blauem Davidstern auf weißem Untergrund tragen. Diese Art Kennzeichnung wurde dann 1941 auch in Deutschland eingeführt - nur dass der Stern gelb war. Es war ein weiterer Schritt in Richtung Holocaust. Der Entwurf für den Stern soll von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels stammen.

Zu diesem Zeitpunkt waren im Deutschen Reich mit den "Nürnberger Rassegesetzen" von 1935 die Grundlagen zur Ausgrenzung der Juden aus dem ökonomischen, sozialen und kulturellen Leben Deutschlands gelegt worden. Alle Personen, die mindestens drei jüdische Großelternteile hatten, verloren ihre vollen staatsbürgerlichen Rechte und durften keine Beziehungen mehr zur "Ariern" eingehen. Gegen jüdische Kassenärzte, Rechtsanwälte und Beamte wurde ein Berufsverbot ausgesprochen. Juden wurde der Führerschein entzogen, ihre Reisepässe mit einem "J" gekennzeichnet; sie wurden gezwungen, die Vornamen "Sara" bzw. "Israel" zu führen, aus Schulen und Universitäten ausgeschlossen, Ausgangs- , Einkaufs- und Kontensperren unterworfen und ihre Möglichkeiten zu beruflicher Tätigkeit immer weiter eingeschränkt. Am 19. September 1941 trat die "Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden" in Kraft, die bestimmte, dass jede Person über sechs Jahre, die nach den Nürnberger Gesetzen als "Jude" galt, diesen Stern deutlich sichtbar außen an der Kleidung zu tragen hatte.

Im Oktober 1941 begann die Deportation in die Ghettos und Vernichtungslager Osteuropas. Mehr als 700 Krefelder sind dort umgekommen. "Dass sie den Stern wie eine Auszeichnung getragen hätten, ist weder überliefert noch vorstellbar. Ein bitteres Ende hat ihr Leben allerdings gefunden", schreibt Flümann.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort