Der 2. April ist der Internationale Tag des Autismus Das Leben mit einem autistischen Kind

Krefeld · Die Kinder waren noch jung, als Familie Loocke feststellte, dass sich eines der Zwillingskinder anders entwickelte. Mit der Diagnose Autismus veränderte sich ihr Leben. Heute lebt Sohn Silas (18) zufrieden im Haus der Lebenshilfe.

 Silas (links) und sein Vater machen jeden Sonntag gemeinsam mit dem Rest der Familie einen Ausflug. Dann herrscht so etwas wie Alltag. Selbst Kleinigkeiten wie das Schaukeln in der Hängematte können dem 18-Jährigen Freude bereiten.

Silas (links) und sein Vater machen jeden Sonntag gemeinsam mit dem Rest der Familie einen Ausflug. Dann herrscht so etwas wie Alltag. Selbst Kleinigkeiten wie das Schaukeln in der Hängematte können dem 18-Jährigen Freude bereiten.

Foto: Loocke

Schwingen in der Hängematte – das ist für Silas und seinen Vater Jörn Loocke der entspannende Abschluss eines Sonntagsausflugs im März, bei dem auch Mutter Stephanie und Tochter Philippa dabei sind. „Wir unternehmen jedes zweite Wochenende etwas zusammen mit der ganzen Familie“, sagt Stephanie Loocke, „denn wir holen Silas immer Freitags nachmittags in der Alten Landstraße ab und bringen ihn Sonntagabend zurück.“ Silas, der im Dezember 18 Jahre alt geworden ist, gehört zu den Menschen mit der Diagnose Autismus oder auch „Autismus-Spektrum-Störung“ (ASS). Er wohnt im Haus der Lebenshilfe Krefeld. Das 2015 eröffnete Wohnhaus beherbergt drei Gruppen für Menschen mit ASS.

„Silas freut sich, wenn wir ihn abholen, und er freut sich genauso, wenn wir ihn wieder zurückbringen“, sagt seine Mutter. Der Weg zu dieser Art von Alltag war für die Familie alles andere als leicht. Die Zwillinge sind das dritte und vierte Kind der Familie: „Ich wusste von Anfang an, dass mit Silas etwas anders war“, erinnert sich Stephanie Loocke. Das Mädchen fing schon damit an, Silben zu sprechen, als Silas immer noch keine Anstalten machte. Die Odyssee von Kinderarzt zu Kinderarzt, von Psychologinnen zu Erziehungsberatern dauerte ganze fünf Jahre: „Dann hatten wir endlich die Diagnose Autismus und geistige Behinderung“, sagt die Mutter. Das Wissen um Silas Einschränkung bedeutete eine Erleichterung. „Wir hatten einen Namen für die Probleme.“ Die Familie nutzte viele therapeutische Möglichkeiten. Zum Beispiel eine Methode aus den USA, die sogenannte „Applied Behaviour Analysis“, die angewandte Verhaltensanalyse, die auf das andere Lernverhalten bei Menschen mit Autismus eingeht. Ihnen fällt es nämlich schwer, durch Beobachtung zu lernen.

Eine andere Begleiterscheinung des Autismus hat großen Einfluss auf das Familienleben gehabt: Silas schläft sehr wenig, manchmal mehrere Nächte hintereinander gar nicht. „Es muss immer einer dabei sein“, sagt Stephanie Loocke, „wir haben in Schichten geschlafen.“ Die dauernde Anspannung hat die Eltern sehr erschöpft. Und der Vorschlag einer Lehrerin, Silas in eine Einrichtung zu geben, sorgte erstmal für Tränen. „Aber der Gedanke hat in mir gearbeitet“, sagt die Mutter, „wir brauchten ja auch einen Plan B, wenn einer von uns mal ausfällt.“ Also haben die Loockes nach einem Haus für Silas gesucht und sind bei der Lebenshilfe Krefeld fündig geworden. Ausschlag gab neben allen rationalen Gründen das Urteil der Zwillingsschwester: „Ich glaube, hier kann Silas sehr glücklich werden“, sagte sie bei der Besichtigung vom Haus am Berg.

Dort zog Silas vor sechs Jahren ein und wechselte später in das Haus Alte Landstraße. Die engagierte und professionelle Arbeit der Betreuer dort schätzt Stephanie Loocke sehr. In beiden Wohnhäusern wird die Methode Teacch eingesetzt, die dabei hilft, den Alltag zu strukturieren und die Reizüberflutung gering zu halten. Denn die Fülle unsortierter Eindrücke macht den Menschen mit Autismus das Leben schwer.

Was Silas von vielen Menschen mit ASS unterscheidet, ist seine spontane Art, Freude zu zeigen: „Wenn er froh ist, hüpft er hoch in die Luft und strahlt und wackelt mit den Händen“, sagt Stephanie Loocke, „er ist ein Herzensöffner.“ Bei den Sonntagsausflügen grummelt er auch schon mal vor sich hin und rennt auf Unbekannte zu. „Wir passen natürlich auf ihn auf, aber es darf doch niemandem peinlich sein, sich mit einem Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit zu zeigen“, sagt sie nachdrücklich. Die Familie hat Inklusion gelebt und die drei Geschwister haben auch nur solche Freunde mit nach Hause gebracht, die sich ihrem Bruder zugewandt und ihn respektiert haben. Vater Jörn Loocke sagt: „Silas ist ein ganz toller Sohn, der uns ganz viel gibt.“

Ihrer Dankbarkeit verleiht die Familie konkret Ausdruck: Stephanie Loocke ist seit 2021 engagiertes ehrenamtliches Mitglied im Präsidium der Lebenshilfe Krefeld. „Ich kann sagen, was ich denke, und hier aus Elternsicht argumentieren“, sagt sie, „es ist eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand.“ Sie war vor der Geburt der Kinder im Personalwesen tätig und schätzt auch die professionelle Struktur des Vereins: „Die Lebenshilfe Krefeld ist ein attraktiver Arbeitgeber.“

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