Kunst in Krefeld Bilder einer Künstlerin aus dem Homeoffice

Krefeld · Anna von Borstel hat ihre Skype-Begegnungen während des Lockdowns zu Thema einer Bilderserie gemacht. „Digitale Begegnungen“ zeigt sie bis 30. Oktober in der Pförtnerloge der Fabrik Heeder.

 Anna von Borstel zeigt in der Pförtnerloge Porträts und Selbstbildnisse. Die Ausstellung läuft bis 30. Oktober.

Anna von Borstel zeigt in der Pförtnerloge Porträts und Selbstbildnisse. Die Ausstellung läuft bis 30. Oktober.

Foto: Fabian Kamp

Drinnen die Kunst und draußen der Mensch: Das ist das Konzept der Reihe „Pförtnerloge“. Seit 2012 bespielen Künstler den ehemaligen Pförtnerraum der Fabrik Heeder auf Einladung des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK) Niederrhein mit diesem Auftrag. Anna von Borstel potenziert die Auflagen noch einmal. Diesmal gibt es keinen Blick in den Raum. Was die Krefelder Künstlerin zu sagen hat, füllt die Fenster. Ihre Bilder sind wie eine Barrikade, eine „nach außen gestülpte Ausstellung“, sagt Brigitta Heidtmann, die gemeinsam mit Claudia Reich die Reihe kuratiert.

Schuld ist, natürlich, Corona. Denn eigentlich wollte von Borstel persönliche Begegnungen mit Menschen – wie eine imaginäre Pförtnerin. Die Menschen wollte sie porträtieren und so die Ausstellung  Bild um Bild zu einer Rauminstallation wachsen lassen. Der Lockdown zwang sie zum Umdenken. Das Ergebnis ist eine „Pförtnerin im Homeoffice“, es gibt nur digitale Begegnungen.

Anna von Borstel hat die Unsicherheiten, die durch die eingeschränkten sozialen Kontakte  entstanden, zum Thema gemacht. Dafür hat sie sich mit  Programmen für virtuelle Konferenzen auseinandergesetzt, sich mit Bekannten in digitalen Meetings getroffen und gezeichnet, fotografiert, gemalt. Ihre Bilder aus dem Homeoffice zeigen, was sie auf dem Bildschirm gesehen hat: ihr Gegenüber und immer wieder auch sich selbst. „Die ständige Begegnung mit mir selbst hat mich schon sehr beschäftigt“, erzählt sie.

So trägt die Hälfte ihrer Bilder ihr Gesicht – ungeschönt, unkorrigiert, nicht auf eine Schokoladenseite ausgerichtet. „So sehe ich im Lockdown aus“, sagt die Künstlerin. Es sind Doppelporträts. Wer  die Bild-Paare betrachtet, kann darüber nachsinnen, wie die Gespräche, die ja alle tatsächlich stattgefunden haben und hier ohne Ton und ohne Bewegung wiedergegeben sind, gelaufen sein mögen. Sie folgen keiner Chronologie; und doch gibt es Veränderungen, die sich am leichtesten an der Mimik der Künstlerin ablesen lassen, deren Gesicht von Porträt zu Porträt vertrauter wird: Vor allem in den Begegnungen mit jüngeren Menschen wirken ihre Züge entspannter, mitunter gelassen, ab und zu auch mit einem verhaltenen Lächeln. Die älteren Gesprächspartner wirken ernster, sorgenvoller. Und da hat auch die Künstlerin einen angespannteren Gesichtsausdruck.

Dass die Bilder hinter dem Fensterglas der Fabrik Heeder zu sehen sind, schafft Distanz und kommt dem Eindruck nahe, der sich über einen Bildschirm vermittelt. Doch Anna von Borstel dokumentiert nicht nur. Sie interpretiert schon durch die Wahl ihrer künstlerischen Mittel: Öl und Farbe eröffnen eine ganz andere Welt als das Schwarz-Weiß der Zeichnungen. Fast hermetische Abgrenzung drücken die Holzschnitte aus – auch durch das spröde Material. „Ja, so war mein Selbstempfinden zu dem Zeitpunkt“, bekräftigt die Künstlerin.

Anna von Borstel ist 1964 in Willich geboren. Sie hat freie Malerei und Grafik an der Freien Akademie Rhein/Ruhr studiert. Heute lebt sie in Krefeld und ist Mitglied der Gemeinschaft Krefelder Künstler. Die Ausstellung wird am Samstag, 19. September, um 19 Uhr eröffnet.

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