Krefeld Experte: Angst vor Zeugnis nimmt ab

Krefeld · 36 423 Krefelder Schüler erhalten in diesen Tagen ihr Zeugnis. Der psychologische Dienst in Krefeld bietet für sie heute ein Zeugnistelefon an. Die Nachfrage sinkt, weil die Schulen Eltern und Schüler besser auf die Zeugnisvergabe vorbereiten.

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Foto: Kaiser, Wolfgang

Eine erfreuliche Entwicklung registriert Thomas Aigner (56), Leiter des Psychologischen Dienstes der Stadt Krefeld: Trotz aller Debatten um Helikoptereltern und übermäßige Fürsorge der Eltern für ihre Kinder ist die Zahl der Kinder, die nach der Zeugnisvergabe das städtische Zeugnisberatungstelefon anrufen, eher rückläufig. Fünf bis zehn Anrufe - wie in den vergangenen Jahren im Schnitt - erwartet Aigner für den heutigen Freitag in der Beratungszeit von 11 bis 14 Uhr. Seine Schlussfolgerung: "Die Lehrer bereiten die Schüler besser auf schlechte Zeugnisse vor."

36 423 Krefelder Schüler aller Schulformen nehmen in diesen Tagen ihr Zeugnis in Empfang. In vielen Fällen entscheidet es über Schülerschicksale: Versetzungen in die nächste Klasse oder auf eine weiterführende Schule.

Anders als in früheren Jahren ist der heutige Freitag aber längst nicht mehr der mit Spannung erwartete Tag für die Schüler - sie wissen durch Rücksprache mit den Lehrern um ihre Schwächen.

Regelmäßig gebe es dennoch eskalierende Fälle, berichtet Psychologe Thomas Aigner. Er kennt Fälle, in denen es den Schülern mehrfach gelungen ist, Blaue Briefe der Schule vor ihren Eltern abzufangen. Der Zeugnistag selbst treibe diese Schüler dann in die Verzweiflung: "Manche rufen an, weil sie fürchten, von ihrem Vater verprügelt zu werden." Mitunter würden Schüler am Zeugnistelefon sogar suizidale Absichten äußern. Der Psychologische Dienst bittet in solchen Fällen die Eltern und Kinder zu einem Sofortgespräch.

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Positiv ist aus Sicht von Aigner auch die Gestaltung des Zeugnisses: Während auch die Grundschüler früher am letzten Schultag einfach ein weißes Blatt mit einigen wenigen geschriebenen Worten ausgehändigt bekamen, gibt es heute für Erst- und Zweitklässler ein textlich ausführliches Zeugnis, das auffällig die Erfolge des Kindes betont. Aigner begrüßt diesen pädagogischen Ansatz: "Eine Formulierung, die eine Entwicklung des Kindes betont, finde ich sinnvoller als eine Note." Diese Formulierungen bedeuten normalerweise für die Lehrer wesentlich mehr Anstrengung als das Aufschreiben einer Note.

Stellenweise lesen sich die heutigen Zeugnisse der Grundschüler heute fast wie Arbeitszeugnisse - "er beteiligt sich zunehmend am Unterricht", "neue Sachverhalte zu erkennen und Zusammenhänge herzustellen gelingt ihm jetzt besser". Im Internet gibt es dafür mittlerweile sogar Formatvorlagen: Der Lehrer klickt eine Note an und kann dann unter zehn Sätzen wählen, die diese Note verbal ausdrücken.

Horst Mevißen, Schulleiter der Bockumer Grotenburgschule, betont aber, dass Eltern nicht in Versuchung geraten sollten, die Formulierungen auf eine verborgene hin Note abzuklopfen. "Wir reden hier schließlich von Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren. Die sollte man nicht bewerten wie in einem Arbeitszeugnis. Unser Zeugnis in Textform wird jedem einzelnen Kind gerecht."

(RP)
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