Krefeld Stiller Exodus von Häuslebauern

Krefeld · Weil in der Stadt nicht genügend geeigneter Wohnraum gebaut wird, verliert die Stadt Einwohner. Die Nachfrage wäre da, sagt der Investor für eine Fläche an der Ottostraße, die als Siedlungsbereich mit regionaler Ausstrahlung gilt.

 Entwurfsskizze für das Gebiet an der Ottostraße, das nach heutigem Stand nicht entwickelt werden darf..

Entwurfsskizze für das Gebiet an der Ottostraße, das nach heutigem Stand nicht entwickelt werden darf..

Foto: Jens Voss

Krefeld verliert in doppelter Weise zahlungskräftige Einwohner: Es gibt offenbar einen stillen Exodus von Krefeldern aus der Stadt ins Umland; zugleich ziehen bauwillige Externe an Krefeld vorbei ins Umland, weil sie in Krefeld nicht fündig werden. So jedenfalls stellen es die Geschäftsführer der „Stadtwald Wohnungsbau UG“ dar, die Grundstücke an der Ottostraße erschließen möchten. Das Gebiet ist umstritten: Die Bezirksregierung möchte es mit Blick auf Zuzug ins Rheinland als „Siedlungsbereich“ ausweisen; in Krefeld regt sich Widerstand, auch bei Anwohnern. Grüne und SPD wollen gar keine neuen Flächen mehr angehen; beide argumentieren, es gebe bereits im gültigen Flächennutzungsplan genügend Flächen für Neubebauung.

Dass es den Zuzug ins Rheinland gibt, daran gibt es für Investor Klaus Reiners von der Stadtwald Wohnungsbau keinen Zweifel. Er berichtet von vielen Interessenten aus dem Umland an seinen Plänen. Er legt auch ein Schreiben der Commerzbank Krefeld vor, aus dem hervorgeht, dass die Commerzbank kaufwillige Kunden hat, die als Käufer für ein Haus an der Ottostraße in Frage kämen. Wörtlich heißt es darin: „Viele unserer Kunden suchen finanzierbares Eigentum in Krefeld, werden allerdings immer seltener fündig. Deshalb wandern immer mehr Kunden in den Umkreis (St. Tönis, Kempen, Mönchengladbach) ab.“

Das Gelände an der Ottostraße ist ein gutes Beispiel, in dem sich die Konflikte um den Regionalplan wie unter einem Brennglas bündeln. Das Gebiet war bis 2014 als potenzieller Siedlungsbereich im Flächennutzungsplan, ist dann im neuen Flächennutzungsplan (gültig ab 2015) herausgenommen worden und gehört jetzt wieder zu den Flächen, die nach Einschätzung der Bezirksregierung regionale Ausstrahlung haben, auch deshalb, weil dort eine Haltestelle für den Regio-Bahnverkehr gebaut werden soll.

Investor Reiners wittert dort ein gutes Geschäft. Sein Interesse an dem Landstück reicht schon in die Zeit vor 2014 zurück, als die Fläche noch Siedlungsbereich war. Die Herausnahme im neuen Flächennutzungsplan hat ihn nicht abgeschreckt, weiterzuplanen und immer wieder bei der Politik vorstellig zu werden, auf dass sie das Gebiet wieder umwidme. Er war auch zuversichtlich, eben weil die Fläche im Zuge der 1. Änderung des Regionalplans wieder auf die Tagesordnung kam und weil die Haltestellen-Pläne die Fläche zu einem Musterbeispiel für die Anbindung eines Wohnviertels an den ÖPNV machen. Die Stadtverwaltung hat offenbar lange an die Tauglichkeit das Gebietes zur Schaffung von Wohnraum geglaubt: Noch im September 2018 habe die Verwaltung Reiners empfohlen, in seiner Planung mehr Mehr-Familien-Häuser einzuplanen, berichtet der Investor, der nach eigener Auskunft 50 Jahre im Geschäft ist. Die Nachfrage, von der er berichtet, zeigt ihm schließlich, wie groß der von Düsseldorf aus überschwappende Siedlungsdruck ist. „Wir heben den Finger, und alles ist weg“, sagt er.

Fassungslos zeigte er sich nun über die Aussage von Oberbürgermeister Frank Meyer, wonach die Stadtverwaltung gar keine neuen Siedlungsbereiche mehr empfehlen will – aus Reiners’ Sicht eine unverständliche Wende. „Seit Jahren predigt er neuen Wohnraum, und jetzt sagt er das?“ Reiners legt Zeitungsberichte aus der jüngeren Vergangenheit vor, in denen sich Politiker, Verwaltungsspitzen bis hin zu Meyer für neuen Wohnraum einsetzen – es geht um Schlagzeilen wie „SPD: Mehr Wohnraum und Sicherheit“; „Dezernent Linne: Krefeld braucht neuen Wohnraum“, „Wohnraum dringend gesucht“ oder „Baugenehmigungen: Krefeld unter den letzten drei Städten“.

Als böse Ironie empfindet es Reiners, dass jetzt dieses Gebiet ausgerechnet aus Umweltschutzgründen brachliegen soll. Die Siedlung im Bauhaus-Stil, die er plant, orientiere sich bewusst an ökologischem Bauen: Die Carports sollen Solardächer bekommen, im öffentlichen Raum soll es Stromtankstellen für E-Autos geben, die Flachdächer sollen mit „Intensivgrün“ belegt werden, einem Fachausdruck für eine Dachbegrünung, die nicht nur niedrigwachsende Kräuter, sondern mit Sträuchern und Stauden arbeitet.

Vorbildlich wäre auch die Anbindung an den ÖPNV. Reiners ist sich sicher, dass die neue Haltestelle für den RE 10 mit Park&Ride-Parkplatz am Obergplatz kommt, also quasi vor der Haustüre des von ihm überplanten Gebietes. „Eine bessere Lage gibt es ja wohl nicht“, sagt Reiners.

Geplant ist dort eine Mischbebauung aus Miet- und Eigentumswohnungen (von Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen), Einfamilienhäuser sowie Reihenhäuser, altersgerechter Wohnraum mit Betreuung und eine Kita.

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