Bauhaus in Krefeld Bauhaus – Die Erinnerungen bleiben

Krefeld · Das Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ mit seinen großen Veranstaltungen ist vorüber. Aber die Ideen und ihre Wirkungen überdauern. Professor Annette Pöllmann war Schülerin von Elisabeth Kadow und Georg Muche. Sie ist vom Bauhaus geprägt. Die 93-Jährige erinnert sich.

 Professor Annette Pöllmann an ihrem Lieblingsplatz am Fenster. Kanarienvogel Niko ist Nachfahre einer Tradition. Zur Pensionierung schenkten die Studenten ihrer Professorin ihr ein Vögelchen überreicht, das den für ein Abschiedsgeschenk passenden Namen Adele bekam.

Professor Annette Pöllmann an ihrem Lieblingsplatz am Fenster. Kanarienvogel Niko ist Nachfahre einer Tradition. Zur Pensionierung schenkten die Studenten ihrer Professorin ihr ein Vögelchen überreicht, das den für ein Abschiedsgeschenk passenden Namen Adele bekam.

Foto: Petra Diederichs

Ein Lachkrampf, der kaum zu stoppen war: Das ist der erste Eindruck, den Annette Pöllmann von Elisabeth Kadow gewann – und überhaupt nicht verstehen konnte. Pöllmann, ein Mädchen aus Iserlohn, das fürs Studium noch zu jung war, hatte  mutig den Umzug in die Großstadt Krefeld gewagt, weil sie „irgendwas mit Zeichnen“ machen wollte, und sprach an der Textilingenieursschule vor. „Von Bauhaus hatte ich nicht die Spur einer Ahnung“, erzählt die inzwischen 93-Jährige. Elisabeth Kadow, die große Textilkünstlerin, die aus dem Weimarer Bauhaus hervorgegangen ist, war dem jungen Mädchen ebenfalls kein Begriff. Als es aufgefordert wurde, mit Mut zur Fantasie nach einem Knoten aus Papierstreifen etwas zu zeichnen, kam ein eigenwilliges Tier heraus: „Vorne Hund, hinten ein Ringelschwanz. Das hat Frau Kadow amüsiert, aber auch verblüfft.“ So sehr, dass sie das junge Talent in ihre Klasse aufnahm.

Zwei Jahre lang hat Pöllmann bei Kadow studiert. Sie erinnert sich an eine kleine, flinke Frau, die ständig umherwieselte und viel Humor hatte. „Sie hat aus mir etwas herausgeholt, von dem ich gar nichts wusste“, sagt Pöllmann. Als Textilkünstlerin hat Pöllmann international Karriere gemacht. Sie hat Generationen von Designstudenten an der heutigen Hochschule Niederrhein ausgebildet – und reist noch immer quer durch die Welt für  Kunst- und Künstlerprojekte. „Ich hätte nicht gedacht, dass so viel Bauhaus in mir steckt“, sagt sie heute. Das Bauhaus-Jubiläum bot reichlich Gelegenheit zur Reflexion.

An Kadow hat sie geschätzt, dass die Lehrerin ihren Schülern immer Mut machte, Raum für Extravaganzen und einen eigenen Stil gab. „Ich habe einen Stoff entworfen in Beige, Zitronengelb und Rosa. Über diese Farbkombination habe ich mich selbst erschrocken. Frau Kadow hat mich ermutigt.“ Mut zu einer eigenen Farbsprache prägt bis heute das Werk von Pöllmann.

Von ihrer Zeit am Bauhaus hat Kadow erzählt, sagt Pöllmann. „Sie hat nicht nach Ittens Farbenlehre gearbeitet, aber dieser Mut zum Ungewöhnlichen war ja der Einfluss von Bauhaus.“ Und da habe man auch gemacht, was sicherlich nicht jedem gefiel. „1948 gab es keine Vorbilder aus Zeitschriften oder ähnlichem. Wir mussten aus uns selber schöpfen.“ Ihre Stoffe waren wie Gemälde: Kartoffelblüten, Spitzwegerich und Schierling oder Rittersporn in dunklem Lila waren für einen Rock für eine Modesaison viel zu schade.

Zwei Jahre lernte Pöllmann bei der Bauhaus-Absolventin Kadow, dann wechselte sie 1950 in die Meisterklasse des Bauhaus-Lehrers Georg Muche. Da war die Stimmung ganz anders. Hatte Kadow klare Vorgaben gemacht, die mit Fantasie umgesetzt werden sollten, die Kunst der Kritik und Begründung gepflegt, so gab es bei Muche die lange Leine. „Es gab kein festes Thema, wir konnten machen, was wir wollten.“ Eitel sei er gewesen und habe immer die Malerei an erste Stelle gestellt. Dafür habe Meister Muche auch viel vom Bauhaus erzählt, geradezu geschwärmt. „Wir fühlten uns alle selbst als Bauhäusler. Bis Gerhard Kadow mit seiner leisen, eindringlichen Stimme einmal sagte, es gebe tausende Künstler. Das hat gesessen.“

Aber Muche habe herrliche Feste organisiert: „Die Damen brachten belegte Brötchen, die Herren was zu trinken. Wir hatten viel Spaß“, sagt Pöllmann. Doch als sie später an einem Internat in Lausanne höhere Töchter unterrichtete, habe sie gemerkt, dass sie mit Muches Lockerheit nicht weit komme, wenn die Schülerinnen Vokabeln lernen müssen. „Aber es stimmt schon, dass Lernen nur funtioniert, wenn es Spaß macht.“

Pöllmann hat später in der Industrie gearbeitet, mehr als sechs Jahre in Paris, bis sie die Stellenausschreibung für die Leitung der Druckgestaltung in Krefeld sah – als Nachfolge von Elisabeth Kadow. Pöllmann hat sich beworben und wurde genommen. Stoffe von Elisabeth Kadow hat sie 35 Jahre aufbewahrt und sie schließlich dem Haus der Seidenkultur  übergeben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort